Zartheit und Eleganz – Die unvergleichliche Kunst der Rosalba Carriera

Ihr Atelier war sogar in Reiseführern vermerkt: Von Rosalba Carriera porträtiert zu werden, galt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als besonderer Höhepunkt einer Venedig-Reise. Zur 350-Jahrfeier von Rosalba Carrieras Geburtstag widmet der Dresdner Zwinger nun der überragenden Meisterin des Pastells eine wunderbar elegante Ausstellung.
Titelbild
Bildnis eines jungen Mannes, um 1720, National Gallery, London.Foto: Sailko CC BY 3.0
Von 26. Juni 2023

Am 12. Januar 1673 wird Rosalba als erste von drei Töchtern des Ehepaars Andrea und Alba Carriera in Venedig geboren. Die Eltern ermöglichen ihren Töchtern eine gute Ausbildung. Sie umfasst Unterweisungen in Musik, Latein und Französisch, doch auch Sticken und kunsthandwerkliche Spitzenherstellung, die im Venedig des späten 17. Jahrhunderts bereits auf eine lange und berühmte Tradition zurückblicken kann, stehen auf dem Unterrichtsprogramm der Mädchen.

Liebevolle Familienbande

Schon in diesen gemeinsamen Kindheitstagen scheinen sich die Schwestern Carriera sehr verbunden gewesen zu sein, denn als Rosalba im Alter von 22 Jahren eine Kunstwerkstatt eröffnet, um dort Miniaturen zu malen und zu verkaufen, bezieht sie ihre beiden jüngeren Geschwister Giovanna und Angela sofort mit ein.

Sie gibt beiden Malunterricht und legt so den Grundstein für ihr kleines, feines, familiär geprägtes Unternehmen. Auch die verwitwete Mutter hilft von Anfang an im Kunstatelier mit.

Selbstporträt mit einem Bildnis der Schwester Giovanna, um 1715, Pastell auf Papier, 71 x 57 cm Foto: public domain

Miniaturen auf Elfenbein

Der zurückhaltende und bescheidene Star der Werkstatt ist und bleibt jedoch Rosalba. Entstehen von ihrer Hand zuerst meist ovale Vignetten mit figürlichen Allegorien oder goldgerahmte Porträts im Taschenformat, die sie mit Gouache- und Aquarellfarben auf Elfenbein mehr tupft als malt, so wendet sie sich ab 1700 verstärkt der malerischen Zeichnung mit Pastellkreiden zu.

Die Formate werden nun größer – so groß, dass die Porträts – meist als Brustbilder angelegt – die Dargestellten in annähernder Lebensgröße zeigen. Die Maße der Papiere und Kartons, auf die Rosalba nun zeichnet, haben jedoch immer noch eine komfortabel transportier- oder versendbare Größe.

Mit der Gondel zur Meisterin des Pastells

Denn: Es sind vor allem adelige Reisende, Kultur und Vergnügen suchende Besucher der „Serenissima“, der „heiteren, gelassenen, ruhigen“, der „durchlauchtigsten ‚Reppublica di San Marco‘“, die sich von Gondeln zur Anlegestelle des äußerlich unscheinbaren Palazzo am Canale Grande zum Atelier Rosalbas bringen lassen.

Unter ihnen und durch sie verbreitet sich die Kunde von der einzigartigen Könnerschaft Rosalbas und dringt bis in alle Winkel des adeligen Europa. Ein Porträt von ihrer Hand zu besitzen, ist schließlich fast mit einem Ritterschlag zu vergleichen. Das zarte, einzigartige Kunstwerk in Pastell ist weit mehr als ein Souvenir – es ist eine begehrte Trophäe.

Rosalba Carriera, Eine schwarzhaarige Dame mit dünner goldener Halskette, Pastell auf Papier. Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Die Kunstwelt wird aufmerksam

Schon im Jahr 1705 war Rosalba mit dem herausragenden Titel einer „academica di merito“ in die römische Accademia di San Luca aufgenommen worden. Eine ungewöhnliche Ehre, die nur sehr wenigen Künstlerinnen zuteilwurde.

Zu dieser Zeit führt Rosalba bereits zahlreiche Korrespondenzen mit Künstlerkollegen und Kunsthändlern und wird vom Sekretär des englischen Botschafters in Venedig gefördert und empfohlen. Sie ist also nicht nur eine meisterhafte Künstlerin, die ihren unvergleichlich malerischen Zeichenstil von scheinbar müheloser Leichtigkeit und Eleganz immer weiter verfeinert, sie ist auch kommunikatives Talent und gut vernetzte Unternehmerin.

Ihre Kunst ist so begehrt, dass sie die Freiheit besitzt, selbst verlockende Angebote wie das einer privilegierten Anstellung am Hof des Düsseldorfer Kurfürsten Johann Wilhelm II. ohne Zögern ablehnen zu können. Welchen Grund hätte sie auch gehabt, diese Offerte anzunehmen? Das adelige Europa kommt schließlich zu ihr.

Europa in Venedig

Auf den sogenannten „Grand Tours“ junger Adeliger ist ein Aufenthalt in Venedig geradezu ungeschriebene Pflicht. So reist 1712 auch der sächsische Kronprinz Friedrich August in die Lagunenstadt, lernt Rosalba Carriera kennen und behält seine Faszination für ihre Kunst ein Leben lang.

Noch Jahrzehnte später wird er versuchen, alle ihre Werke, die auf dem Kunstmarkt auftauchen, über Kunstagenten zu erwerben.

Rosalba in Paris

Jahre braucht der Sammler Pierre Crozat, ein Berater des französischen Regenten Philipp II., um Rosalba Carriera zu bewegen, Venedig für einige Monate zu verlassen.

1720 reist sie schließlich mit ihren engsten Mitarbeitern nach Paris. Ihre Mutter, ihre beiden Schwestern und ein Schwager bilden gemeinsam mit ihr die Reisegruppe, die in Paris schon sehnlich erwartet und mit offenen Armen empfangen wird.

Die Nachfrage nach Rosalbas Porträts ist so groß, dass sie während ihres Aufenthalts in der Stadt an der Seine nicht selten bereits ab sechs Uhr morgens Termine für Porträtsitzungen vergeben muss. Sie porträtiert sogar den noch unmündigen zukünftigen König Ludwig XV. und wird als erste ausländische Künstlerin in die Académie royale de peinture et sculpture aufgenommen.

Noch zwei weitere Male reist Rosalba an europäische Höfe – nach Modena und nach Wien. Auch hier eilt sie von Erfolg zu Erfolg.

Ludwig XV. von Frankreich als Kronprinz, Paris, 1720/1721, Pastell auf Papier, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden. Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut

Einfühlsames Medium der Zeit

Immer parat hat sie ihre Pastellkreiden und -stifte, ihre besonderen handgeschöpften Papiere, vor allem aber ihr Einfühlungsvermögen in das Wesenhafte und das Einzigartige der Menschen, denen sie begegnet. Wo immer sie arbeitet, auf Reisen oder im heimischen Venedig – mit Feinsinn und Fingerspitzengefühl perfektioniert sie die Pastellmalerei und entwickelt sie zum geradezu idealen malerischen Darstellungsmedium des Rokoko und seiner eleganten Schönheitsideale.

Transparente, zarte Spitze, glänzende Seide, Brokate mit floralen Mustern und Arabesken, duftig angedeutete Blüten, schimmernde Perlen, doch vor allem die malerische Wiedergabe der Gesichter und der Blicke erstaunen den Betrachter auch heute. Die pudrigen Hauttöne, die dezent geröteten Lippen und der fein schimmernde Glanz der Augen sind von unvergleichlicher Strahlkraft.

Mutige Leichtigkeit und Finesse

Bei genauer Betrachtung erkennt man fasziniert die Verve und Könnerschaft Rosalbas in fein gesetzten Reflexen, zarten Schatten und malerisch mutig platzierten Farbflächen, -linien und -punkten. Oft deutet sie das Dargestellte nur an, denn sie weiß um die natürliche Fähigkeit des Menschen, das absichtlich Unscharfe und Ungenaue zu ergänzen und dadurch noch mehr in den Bann eines Kunstwerks zu geraten.

Perfektion entsteht durch Ungenauigkeiten und kleine Lücken in den zarten Linien durch scheinbar fast leichtsinnig nebeneinandergesetzte Farbflächen. Bei dieser Leichtigkeit und Finesse ist es kaum zu glauben, dass sich das Wort Pastell vom italienischen „Pasta“ für Teig ableitet.

Pulvrige Pigmente auf samtigen Papieren

Für die Pastellfarben werden pulvrige Pigmente mit Bindemitteln zu einer zähen Masse vermengt und dann zu Kreiden und Stiften gepresst. Linien und Schraffuren werden auf meist farbig getöntes, samtiges Papier aufgetragen. Durch das Verwischen mit Fingern, Handballen, Lappen und Schwämmchen entstehen in dieser zeichnerischen Maltechnik feinste Verläufe, können hauchdünne Farbschichten übereinandergelegt und feine oder pastose Akzente gesetzt werden.

Wie lange Rosalba Carriera an ihren Werken nach den Porträtsitzungen feilte, ist nicht überliefert; sicher ist jedoch, dass Pastelle den Auftraggebern auch in ihre Heimatländer nachgesandt wurden, wenn sie schon aus Venedig abgereist waren. Die delikaten Blätter wurden dafür meist auf mit Leinwand bespannte Keilrahmen aufgezogen, in gezimmerte Holzkasetten mit gläsernem Sichtfenster gelegt und Boten übergeben.

Licht in der Dunkelheit

Häufig wurde ein sogenanntes „Santini“, ein geweihtes Dreikönigsbildchen beigelegt, um den Himmel um Schutz für die reisenden Kunstwerke zu bitten. Und: Auch in Pastellen mit religiösen Motiven zeigt sich Rosalba Carrieras Frömmigkeit.

Als sie 1751 im Alter von 78 Jahren vollständig erblindet und ihre vier Jahre jüngere Schwester Angela sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1757 liebevoll versorgt, mag dieser Meisterin der strahlenden Schönheit auch ihr fester Glaube ein Licht in dieser tiefen Nacht gewesen sein.

Erschienen im Sandsteinverlag: Die prachtvolle Publikation zur Ausstellung. Rosalba Carriera, Perfektion in Pastell
Herausgeber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden; Roland Enke; Stephan Koja
280 Seiten, 275 meist farbige Abb.
28 x 24 cm, Festeinband
ISBN 978-3-95498-757-3
44,00 €

 



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