137 Prominente für die Meinungsfreiheit – gegen den „industriellen Zensurkomplex“

137 Freiheitsfreunde aus der internationalen Wissenschafts-, Kultur- und Medienszene haben gerade die Westminster Declaration veröffentlicht. Darin rufen sie zur Verteidigung der Meinungsfreiheit und zum Kampf gegen willkürliche Zensur auf.
Titelbild
Jordan B. Peterson, Ulrike Guérot, Julien Assange (v.l.).Foto: Attila Kisbenedek/AFP via Getty Images, privat, Jack Taylor/Getty Images, Fotomontage: Epoch Times
Von 20. Oktober 2023

Zensur und Löschungen von Kanälen in den sozialen Medien, Denunziationsportale gegen vermeintliche „Hassrede“, Auftrittsverbote für Künstler, die das Lied des Zeitgeistes nicht mitsingen wollen: Auch in Deutschland ist es um die Meinungsfreiheit längst nicht mehr so gut bestellt, wie ein bloßer Blick auf Artikel 5 des Grundgesetzes es noch vermuten ließe. Man denke nur an die Corona-Zeit, den Beginn des Ukraine-Kriegs oder ganz aktuell an die Lage in Israel.

Vor diesem Hintergrund mag der Auftritt des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek bei der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse als jüngstes Beispiel dafür dienen, mit wie viel Gegenwind man hierzulande rechnen muss, wenn man es wagt, bei bestimmten heiklen Themen auch nur eine etwas differenziertere Sichtweise zu vertreten als vom mittlerweile stark verengten Meinungskorridor vorgegeben (Video auf „YouTube“).

Pro Menschenrecht Meinungsfreiheit

Kein Wunder also, dass es schon seit Jahren Umfragen wie etwa jene vom MDR gibt, nach denen etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland zugibt, die eigene Meinung zuweilen lieber für sich zu behalten, um Ärger zu vermeiden.

Dass das Prinzip „Erst die Rede, dann die Repressalie“ längst auch in der angeblich freiheitlich-westlichen Welt zu beobachten ist, macht offenbar auch Intellektuellen auf der ganzen Welt schon länger Sorgen. Am 18. Oktober veröffentlichten die ersten 137 Prominenten aus der internationalen Wissenschafts-, Kultur- und Medienszene deshalb ihre Westminster Declaration, einen internationalen Aufruf gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit. Die Unterzeichner sind überzeugt:

Weltweit arbeiten staatliche Akteure, Social-Media-Unternehmen, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen verstärkt daran, die Bürger zu überwachen und ihnen ihre Stimme zu nehmen.“

Initiatoren: Shellenberger, Taibbi, Lowenthal

Und das behauptet nicht irgendwer, sondern eine Reihe international bekannter Journalisten, die schon beruflich ziemlich tief in den Zensurapparat eingestiegen sein dürften: Nach Angaben der „Welt“ bilden Michael Shellenberger, Matt Taibbi und Andrew Lowenthal das Initiatorentrio der Westminster Declaration.

Bei Shellenberger und Taibbi handele es sich um zwei jener Investigativreporter, die im Rahmen ihrer Twitter-Files-Recherchen aufgedeckt hatten, wie Regierungsbehörden Einfluss auf die veröffentlichte Meinung zu brisanten Themen im sozialen Netzwerk Twitter (heute: X) nahmen.

Lowenthal, Bürgerrechtler und Spezialist für digitale Desinformation, arbeitet heute als Autor unter anderem für das texanische Brownstone Institute, einer Art Thinktank für freiheitliche Ideale. Das Institut war 2021 von dem Wissenschaftsjournalisten und Publizisten Jeffrey A. Tucker ins Leben gerufen worden.

Gegen den „industriellen Zensurkomplex“

Nach Einschätzung der Erstunterzeichner der Westminster Declaration drohen die Aktivitäten eines international immer weiter um sich greifenden „industriellen Zensurkomplexes“, „jahrhundertealte demokratische Normen zu untergraben“.

So würden beispielsweise einstmals „geschützte Meinungsäußerungen“ heute häufig als „Fehlinformation“‚ „Desinformation“ oder „mit anderen schlecht definierten Begriffen“ verächtlich gemacht. Das habe letztlich zu „Zensur von Bürgern, Journalisten und Dissidenten in Ländern auf der ganzen Welt geführt“. Auf diese Weise würden „die Grundprinzipien der repräsentativen Demokratie“ untergraben:

Durch Deplatforming [Ausschluss von einer Plattform, Anm. d. Red.] und Tagging [Zuordnen von Schlüsselwörtern wie z.B. „Fehlinformation“ zu einem geposteten Artikel, dito] haben die Zensoren der sozialen Medien bereits legitime Meinungen zu Themen von nationaler und geopolitischer Bedeutung zum Schweigen gebracht. Sie taten dies mit voller Unterstützung der ‚Desinformationsexperten‘ und ‚Faktenprüfer‘ in den Mainstream-Medien, die die journalistischen Werte der Debatte und intellektuellen Auseinandersetzung aufgegeben haben.“

Staatlicher Machtmissbrauch droht

Aus Sicht der Unterzeichner stellte insbesondere der staatliche Machtmissbrauch bereits „in der Vergangenheit eine weitaus größere Bedrohung dar […] als die Äußerungen von Einzelpersonen oder sogar organisierten Gruppen“. Ein wesentliches Mittel im Kampf gegen einen solchen Machtmissbrauch der Obrigkeit bestehe in der Meinungsfreiheit des Einzelnen. Diese sei zugleich die „beste Verteidigung gegen Desinformation“.

„Im Interesse des Wohlergehens und der Entwicklung der Menschheit rufen wir zu folgenden drei Maßnahmen auf“, heißt es dazu in der Erklärung. Die Forderungen im Originalwortlaut:

  • Wir fordern die Regierungen und internationalen Organisationen auf, ihrer Verantwortung gegenüber den Menschen gerecht zu werden und Artikel 19 der AEMR [Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Meinungs- und Informationsfreiheit, Anmerkung der Epoch Times] einzuhalten.
  • Wir fordern die Technologieunternehmen auf, sich zum Schutz der digitalen Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 19 der AEMR zu verpflichten und von politisch motivierter Zensur, der Zensur abweichender Stimmen und der Zensur politischer Meinungen Abstand zu nehmen.
  • Schließlich rufen wir die breite Öffentlichkeit auf, sich uns im Kampf für die Wahrung der demokratischen Rechte der Menschen anzuschließen. Es genügt nicht, die Gesetzgebung zu ändern. Wir müssen auch von Grund auf eine Atmosphäre der Meinungsfreiheit schaffen, indem wir das Klima der Intoleranz zurückweisen, das zur Selbstzensur ermutigt und vielen unnötige persönliche Probleme bereitet. Anstelle von Angst und Dogmatismus müssen wir Fragen und Debatten zulassen.

Eine deutsche Komplettfassung der Westminster Erklärung ist online unter Westminsterdeclaration.org  abrufbar.

Von Julian Assange bis Slavoj Žižek

Unter den Erstunterzeichnern findet sich so etwas wie das Who’s who der internationalen Oppositionsprominenz, wie etwa die Whistleblower Julian Assange und Edward Snowden, die amerikanischen Filmemacher Oliver Stone und Tim Robbins oder der kanadische Psychologe Jordan B. Peterson.

Aus Deutschland sind die Europa-Expertin Prof. Ulrike Guérot, der Autor Mathias Bröckers, der Journalist Dirk Pohlmann sowie die Filmemacher Dietrich Brüggemann und Robert Cibis vertreten. Und beinahe selbstverständlich findet sich auch der slowenische Autor Slavoj Žižek auf der Liste.

Eigenen Angaben zufolge ist ihre Westminster Declaration „das Ergebnis eines ersten Treffens von Verfechtern der Meinungsfreiheit aus der ganzen Welt, das Ende Juni 2023 in Westminster, London, stattfand“.

Trotz ihrer grundlegend verschiedenen politischen und ideologischen Standpunkte hätten sich die 137 Meinungsfreiheitsfreunde unter einem gemeinsamen Anliegen versammelt. Denn „nur wenn wir uns zusammentun, können wir die eindringenden Kräfte der Zensur besiegen, damit wir weiterhin offen debattieren und uns gegenseitig herausfordern können“, wie es im abschließenden Punkt der 24-teiligen Erklärung heißt.



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