Ab Juli 2024 wird „nervigster Assistent“ Pflicht in neuen Pkw

Wer im nächsten Jahr sein Fahrzeug erstmals in der EU zulassen will, sollte sich schon jetzt mit der Vorstellung anfreunden, dass ein „Beifahrer“ das Tempo vorgeben will.
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Computergestützte Fahrassistenten können eine Hilfe sein, aber nicht immer.Foto: iStock
Von 13. November 2023


Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Auto und bei jeder kleinsten Geschwindigkeitsüberschreitung – und seien es nur 2 km/h in Ortschaften – ertönt ein akustisches Signal. Für viele Autofahrer ist dies längst Alltag und sorge zudem für Frust beim Autofahren, wie unlängst eine Leserin gegenüber Epoch Times bemerkte.

„Das Bimmeln, wenn man über das Geschwindigkeitslimit kommt, ist eindeutig der nervigste Assistent von allem“, heißt es in einem Beitrag im österreichischen Magazin „Die Motorprofis“. Hinzu komme, dass bei keiner Marke die Verkehrszeichen, die der Geschwindigkeitsvorgabe zugrunde liegen, durchgehend korrekt erfasst würden.

Im Fall des neuen Hyundai Ioniq 6 zeigt es sich so, dass bei einer veränderten Geschwindigkeit – wenn man also 70 statt 100 km/h fährt – ein kurzer Pieplaut ertönt. Bei Überschreitung eines Tempolimits hingegen warnt das System mit einem mehrfachen „Bing“, berichtet „Heise“. Zwar könne man das System in einem Untermenü deaktivieren, aber dieser Schritt müsse vor jeder Fahrt wiederholt werden.

Dem „leidigen Gebimmel“, wie es auch auf EFahrer.com beschrieben wird, liegt eine EU-Verordnung zugrunde. Danach müssen alle ab 1. Juli 2022 neu typgeprüften Pkw mit einem sogenannten „intelligenten Geschwindigkeitsassistenten“, also einem „Intelligent Speed Assistance“-System (ISA) ausgestattet sein. Ab 1. Juli 2024 greift diese Verordnung für sämtliche erstmals in der EU zugelassenen Pkw.

Schaut man in den Wortlaut der Verordnung, kann man lesen, dass es die EU als erforderlich ansieht, dass Kraftfahrzeuge der Klassen M (Auto-, Wohnmobile und Busse) und N (z. B. Lkw, Lieferwagen) mit hoch entwickelten Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet sein sollen. Dazu gehören auch „intelligente Geschwindigkeitsassistenten“, also jene, die mit ständigen Warnungen die Fahrer darauf hinweisen, dass die gefahrene Geschwindigkeit nicht ihren Daten entspricht.

Software animiert zu Tempoüberschreitung

Dem ISA liegen verschiedene Eingabemethoden zugrunde, wie Kamera-Erfassung, Kartendaten und maschinelles Lernen. Dass die eingespeisten Daten nicht immer etwas mit der Realität zu tun haben, zeigt ein Beispiel aus Hamburg, über das „Heise“ berichtete:

In Hamburg gab es auf mehreren vierspurigen Bundesstraßen innerorts früher Tempo-60-Schilder. Nachdem diese im März aufgrund eines Senatsbeschlusses abgebaut wurden, gilt dort eine Höchstgeschwindigkeit von nur noch 50 km/h. Vom softwaregestützten Geschwindigkeitsassistenten wurde diese Änderung jedoch nicht erfasst. Laut „Heise“ wurde in den Testwagen weiterhin 60 km/h als erlaubte Geschwindigkeit angezeigt.

EU: Verantwortung liegt beim Fahrer

Laut EU-Verordnung soll das tatsächlich geltende Tempolimit stets Vorrang vor allen anderen im Fahrzeug verfügbaren Informationen haben. In der Verordnung heißt es zu den Gründen unter (6):

„Die geschwindigkeitsbezogenen Informationen, die für ISA-Systeme zur Verfügung stehen, können aufgrund fehlender, zerstörter, manipulierter oder anderweitig beschädigter Verkehrszeichen, falscher Positionierung der Verkehrszeichen, widriger Wetterbedingungen oder nicht harmonisierter, komplizierter und impliziter Geschwindigkeitsbegrenzungen unklar sein.“

Aus diesem Grund solle als Faustregel gelten, „dass der Fahrzeugführer stets für die Einhaltung der einschlägigen Verkehrsregeln verantwortlich ist und dass es sich bei dem ISA um ein Fahrerassistenzsystem handelt, über das der Fahrzeugführer gewarnt wird, wann immer dies möglich und angemessen ist“.

Mit anderen Worten: Der Fahrer muss dafür Sorge tragen, dass er die Verkehrsregeln einhält. Einzig auf den Geschwindigkeitsassistenten kann er sich nicht verlassen.

Lücken bei der Datenerfassung

Dass die Aktualisierung des Kartenmaterials in der Software ein klares Defizit ist, berichtete auch Professor Andre Seeck. Seeck ist Direktor bei der Bundesanstalt für Straßenwesen und Leiter der Abteilung Fahrzeugtechnik. Von der realen Änderung einer Geschwindigkeitsbegrenzung über die digitale Erfassung beim Kartendienstleister bis zur Umsetzung im Serienfahrzeug dauere es „grob eineinhalb Jahre“.

Es gibt aber auch Hersteller, die weitaus schneller ein Update für das Kartenmaterial zur Verfügung stellen. Hier lohnt es sich also im Vorfeld, ganz genau hinzuschauen, um eine möglichst entspannte Autofahrt ganz ohne Gepiepe zu genießen.

Sollte man jedoch zu den Autofahrern gehören, die sich durch die ständigen akustischen Meldungen des Geschwindigkeitsassistenten beeinträchtigt fühlen, bleibe nur noch eins, so die „Motorprofis“: lautes Musikhören oder Abschalten des Assistenten, und zwar vor jeder Fahrt.



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