Affäre Schlesinger: RBB will Compliance-Akten nicht an U-Ausschuss übergeben – jetzt wurden sie geleakt
Der „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) bemüht sich in der Affäre um seine frühere Intendantin Patricia Schlesinger um Schadensbegrenzung. Dazu gehört auch die Strategie, Compliance-Akten rund um den mutmaßlichen Korruptionsskandal nicht an den Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags herauszugeben.
Vonseiten des RBB heißt es dazu, es gehe um die eigene „Staatsferne und Unabhängigkeit“. Als Selbstverwaltungsorgan wolle man erst die eigene interne Untersuchung der Vorgänge abschließen. Zuvor sehe man keine Grundlage, Akten zu einem noch offenen Vorgang herauszugeben. Vorerst sei der Sender dazu auch nicht verpflichtet, urteilte jüngst das Landgericht Potsdam. Der U-Ausschuss will nun das Oberlandesgericht anrufen.
RBB hat bisher mehr als 1,6 Millionen Euro in Aufarbeitung investiert
Mittlerweile ist das Konvolut, das Grundlage der Ermittlungen einer vom RBB beauftragten Anwaltskanzlei ist, an den „Business Insider“ gelangt. Einen ersten Zwischenbericht hatte die Kanzlei im November 2022 dem RBB-Kontrollgremium vorgelegt. Im Juli 2023 folgte dann ein 51 Seiten langer „Sachstandsbericht“, der jedoch intern bleiben sollte. Diesen hat das Medium nun auszugsweise veröffentlicht.
Schlesinger wurde im August 2022 ihres Postens als Intendantin enthoben, nachdem Vorwürfe der Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft öffentlich geworden waren. Mittlerweile hat der Sender mehr als 1,6 Millionen Euro in die interne Aufarbeitung investiert – und die Kanzlei hat dem RBB sogar Chancen auf den Ersatz der Kosten für die Aufklärung durch die frühere Intendantin zugebilligt. Dennoch hat ihr der Sender nun das Mandat entzogen.
Wie aus dem Material, das dem „Business Insider“ zugänglich ist, hervorgeht, soll es in insgesamt sieben Untersuchungskomplexen zu Dutzenden Pflichtverletzungen gekommen sein. Neben Schlesinger steht auch der damalige RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf in der Kritik.
Private Abendessen bei Schlesinger als dienstlich abgerechnet?
Der erste Komplex, den der Sender untersucht sehen will, betrifft dienstlich abgerechnete Abendessen in der Privatwohnung der Intendantin. Hier hatte die Kanzlei den Abschluss von Ermittlungen vonseiten der Generalstaatsanwaltschaft abgewartet.
Anschließend versuchte man, 33 Gäste zu befragen, deren Namen in diesem Zusammenhang gefallen waren. Von diesen zeigten sich jedoch nur vier dazu bereit, Auskunft zu geben. Die Kanzlei will dennoch Anhaltspunkte für mehrere solcher Abendessen und deren dienstliche Abrechnung gefunden haben.
Der zweite Komplex betrifft den Aufbau eines Compliance-Systems selbst. Hier soll Schlesinger selbst es verabsäumt haben, eine entsprechende Risikoanalyse zu veranlassen oder ein Früherkennungssystem einzurichten. Die RBB-Spitze soll ein solches Ansinnen im Jahr 2017 sogar explizit abgelehnt haben. Im Bericht ist von einer möglichen Verletzung organschaftlicher Compliance-Organisationspflichten die Rede.
Großaufträge beim RBB „passend gemacht“, um Ausschreibungspflicht zu umgehen?
Im dritten Komplex geht es um umstrittene Vorruhestandsvereinbarungen mit ehemaligen RBB-Führungskräften. Hier soll Schlesinger es ermöglicht haben, dass mehrere frühere RBB-Angestellte nach ihrem Ausscheiden aus dem Sender noch nicht unerhebliche Beraterhonorare und Ruhegelder erhielten. Eine juristische Grundlage dafür soll es jedoch nicht gegeben haben. Auch seien keine tatsächlichen Beratungstätigkeiten nachgewiesen worden.
Die weiteren Komplexe betreffen dem Bericht zufolge Vergabepraktiken. Die Geschäftsführung des RBB soll dabei Aufträge ohne Ausschreibung vergeben haben. In einigen Fällen sollen, um dies zu ermöglichen, Großaufträge in Einzelaufträge zerlegt worden sein, um entsprechende Pflichten zu umgehen. Außerdem soll die Senderspitze dem Verwaltungsrat diesbezüglich interne Prognosen vorenthalten oder ihm gegenüber irreführende Angaben gemacht haben.
Die Vorwürfe im Zusammenhang mit Ausschreibungen betreffen unter anderem das „Digitale Medienhaus“ (DMH) oder die Kostenentwicklung des Neubaus. Zudem gehe es um die Durchführung einer Werbekampagne für rund 2,8 Millionen Euro und die Renovierung der Chefetage.
Schlesinger beharrt auf ihren vertraglichen Ansprüchen
Dem Compliance-Bericht zufolge soll der RBB einen Teil der Kosten für die Aufklärung des Skandals von Schlesinger zurückfordern können. Möglicherweise liege sogar ein strafrechtlicher Tatbestand im Zusammenhang mit den Modalitäten der Auftragsvergaben vor.
Schlesinger selbst weist alle Vorwürfe eines Fehlverhaltens zurück und wehrt sich ihrerseits gegen Versuche, ihr die mit dem Sender vereinbarte Betriebsrente zu kürzen. Aufgrund einer Nachverhandlung ihres Vertrages im Sommer 2021 stehen ihr demnach 66 Prozent ihres letzten Gehaltes zu. Dieses hatte zuletzt rund 28.000 Euro im Monat betragen.
In Bezug auf diese argumentierte Schlesingers Anwalt Ralf Höcker laut „Bild“, dass seine Mandantin jahrelang große Verantwortung getragen und sich die Rente somit verdient habe. Es handele sich um eine „Betriebsrente, die sie sich in über 30 Jahren erarbeitet hat“.
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