„Anti-Abschiebe-Industrie“ ist Unwort des Jahres 2018

Das Unwort des Jahres 2018 lautet "Anti-Abschiebe-Industrie". Dies gab die Jury in Darmstadt bekannt.
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Unter den häufigsten Einsendungen waren diesmal der von CSU-Politiker Markus Söder benutzte Begriff «Asyltourismus» sowie der vom AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland verwendete «Vogelschiss».Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
Epoch Times15. Januar 2019

Das Unwort des Jahres 2018 lautet „Anti-Abschiebe-Industrie“. Der Ausdruck unterstelle denjenigen, „die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützen und Abschiebungen auf dem Rechtsweg prüfen, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen“, erklärte die Jury um Sprecherin Nina Janich, Professorin an der Technischen Hochschule Darmstadt am Dienstag zur Begründung. Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, habe den Begriff im Mai 2018 als „Kampfbegriff“ in die politische Diskussion eingeführt.

Dobrindt hatte damals gesagt, eine „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“ sabotiere die Bemühungen des Rechtsstaats und gefährde die öffentliche Sicherheit. In ihrer Begründung kritisiert die Jury, dass der Begriff „Industrie“ suggeriere, Asylberechtigte würden „produziert“. Das geltende Gesetz, welches Grundlage der Wertegemeinschaft sei, werde durch das Unwort verhöhnt.

Durch die Etablierung des Begriffs durch einen wichtigen Politiker einer Regierungspartei habe sich der politische Diskurs sprachlich und sachlich nach rechts verschoben. „Anti-Abschiebe-Industrie“ sei der Jury insgesamt zehnmal vorgeschlagen worden.

Zudem wurden die Begriffe „Menschenrechtsfundamentalismus“ und „Ankerzentrum“ kritisiert. Das erste Wort wurde von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) geprägt. Er kritisierte in einer Debatte um die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer die politische Haltung von ihm sogenannter „moralisierender Kreuzzügler“ in der Flüchtlingspolitik.

Dieser Begriff zeige in erschreckender Weise, dass in Deutschland darüber diskutiert werde, ob ertrinkende Menschen gerettet werden sollten oder nicht, erklärte die Jury. „Menschenrechte sind fundamentale Rechte – sie zu verteidigen, ist mehr als eine bloße Gesinnung, die als ‚Fundamentalismus‘ diskreditiert werden könnte.“

„Ankerzentrum“ sei ein unangemessener Euphemismus, der die komplizierten Prüfverfahren in diesen Zentren und die strikte Aufenthaltspflicht für Flüchtlinge verschleiere, indem die positiven Assoziationen des Ausdrucks Anker, wie zum Beispiel Sicherheit, gezielt ausgenutzt würden. „AnKER“ steht im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD als Abkürzung für „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung“.

Die jährliche Kür des Unworts des Jahres soll auf „undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch“ aufmerksam machen. Sie erfolgt seit dem Jahr 1991. Im vergangenen Jahr fiel die Wahl auf „alternative Fakten“.

Verantwortlich für die viel beachtete Auswahl des Unworts ist eine Jury aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten, die durch einen jährlich wechselnden Gast ergänzt wird. Die Aktion selbst ist institutionell unabhängig. Sie will einen bewussten Umgang mit Sprache fördern, indem sie auf Begriffe hinweist, die diskriminieren, irreführen oder demokratische Prinzipien verletzten.

Die Jury wählt dabei aus Vorschlägen aus, die jeder im Internet einreichen kann. Am häufigsten eingereicht wurden die Begriffe „Asyltourismus“ (122 Mal), „Vogelschiss/Fliegenschiss“ (22) und „DSGVO“ (Datenschutzgrundverordnung, 22). (afp)



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