Auch gut gemeinte Kollektivierung führt in einen Alptraum
Werden einem Kollektiv menschliche Eigenschaften zugeschrieben, lassen sich damit jegliche Maßnahmen gegen jene Menschen begründen, welche mutmaßlich Teil des Kollektivs sind, aber abweichende Positionen vertreten oder außerhalb des Kollektivs stehen. Dies reicht von Einschränkungen der individuellen Handlungsfreiheit bis hin zur Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen.
Die Geschichte liefert reichhaltiges Anschauungsmaterial für diese Aussage. Unermessliches Leid und Millionen Tote „im Interesse“ des Kollektivs wie etwa „der Klasse“ oder „der Rasse“ sind Beispiele hierfür. Dabei kommt es weder darauf an, um welches Kollektiv es geht, noch darauf, wie groß dieses ist oder welche („guten“) Absichten und Motive die Mächtigen anführen.
Wer die Handlungsfreiheit der Menschen unter Bezug auf den „Schutz“ eines Kollektivs einschränkt, beschreitet einen Weg, den zuvor – im Extremen – die kollektivistischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts gingen. Dies gilt auch dann, wenn das Kollektiv die „Weltgemeinschaft“ und das Motiv die „Klimarettung“ ist – in diesem Falle steigt das Risiko sogar noch. Wir kommen später darauf zurück.
Kollektiv und Freiheit
Doch warum geht es schief, wenn im Mittelpunkt das Kollektiv steht und nicht der handelnde Mensch? Und welche Möglichkeiten gibt es, große oder gar globale Herausforderungen anzugehen, ohne auf die schiefe Bahn des Kollektivismus zu geraten?
Um die erste Frage zu beantworten, gilt es drei Sachverhalte zu betrachten: Die Zuschreibung kollektiver Eigenschaften, die Annahme überlegenen Wissens und Machtprozesse. Die Antwort auf die zweite Frage ergibt sich durch das Nachdenken über die vorher genannten Punkte.
Ein Beispiel: das Weltwirtschaftsforum (WEF)
Betrachten wir ein konkretes Beispiel und beginnen mit einem Zitat aus einem (lesenswerten) Interview, welches die NZZ anlässlich des 50. WEF-Treffens in Davos mit dessen Gründer Klaus Schwab geführt hat:
„… wieso es das Forum braucht: um eine effektive Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft für eine bessere Zukunft zu initiieren.“
Diese Worte – und weitere Aussagen im Interview – klingen harmlos, sofern deren kollektivistische Basis ignoriert wird. Implizit unterstellt Schwab erstens, dass „die Wirtschaft“, „die Politik“ oder „die Zivilgesellschaft“ (als Kollektive) die Interessen jener Menschen, die er ihnen zuordnet, vertreten würden.
Zweitens unterstellt er implizit, dass der Austausch dieser Kollektive untereinander „nicht effektiv“ sei und dass es (s)einer übergeordneten Institution bedarf, um dies zu ermöglichen. Drittens impliziert seine Aussage, dass er weiß, wie eine „bessere Zukunft“ für alle Menschen aussieht und die nötigen Schritte dahin kennt.
Wir finden alle drei oben genannte Sachverhalte wieder, die Zuschreibung kollektiver Eigenschaften, die Annahme überlegenen Wissens und Machtprozesse.
Kollektivismus hat auch bei guten Absichten zerstörerische Folgen
Wie weit dies bereits fortgeschritten ist, beziehungsweise welchen Einfluss er mit diesen Vorstellungen bereits gewinnen konnte, zeigt ein anderes Zitat aus dem Interview:
„Von der politischen Seite her ist jeweils praktisch aus jedem wichtigen Land eine ministerielle Delegation da, und von der Wirtschaftsseite sind alleine von den 300 wichtigsten Unternehmen weltweit über 200 durch ihren Chef vertreten.“
Der WEF-Gründer ist nicht der einzige Neokollektivist. Wobei ein „Neokollektivist“ sich von den historischen Kollektivisten lediglich darin unterscheiden, dass „Klasse“ oder „Rasse“ durch ein neues Kollektiv, in diesem Fall „die Weltgemeinschaft“, ersetzt wird. Sollte es einen Zusammenhang zwischen der Größe des Kollektivs und der Gefahr für die Freiheit und das Wohlergehen der einzelnen konkreten Menschen innerhalb und außerhalb des Kollektivs geben, könnte die Bedrohung nicht größer sein.
Diese Situation ist nicht das Ergebnis einer „Weltverschwörung“, und Herrn Schwab und anderen Neokollektivisten böse Absichten zu unterstellen, geht ebenfalls am Grundproblem vorbei. Die neokollektivistische Strömung wäre schnell am Ende, wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung inklusive der Menschen mit Macht und Einfluss sich darüber im Klaren wären, dass Kollektivismus auch bei guten Absichten scheitert und zerstörerische Folgen zeitigt.
Das Beispiel des Klimawandels, der zahlreichen Neokollektivisten als Begründung für die Notwendigkeit einer großen – zentral gesteuerten – Transformation dient, kann problemlos um weitere globale Herausforderungen ergänzt werden. Es stimmt natürlich, dass das Klima sich nicht um Landesgrenzen schert und dass einige Folgen des Klimawandels extrem sein können.
Aber selbst so weitreichende Veränderungen wie der Klimawandel sind nicht nur mit Nachteilen verbunden. Beispielsweise würden bei einer Erwärmung einige Landstriche landwirtschaftlich nutzbar, die es zuvor nicht waren. Die Abwägung der Vor- und Nachteile beziehungsweise diversen Interessen kann nur dezentral von den betroffenen Menschen im freiwilligen Austausch oder zentral mit Zwang erfolgen, es gibt keinen dritten Weg.
In planwirtschaftlichen Ländern ging es Mensch und Umwelt schlechter
Es ist bekannt, dass und warum zentrale Planwirtschaft scheitert – die Unmöglichkeit der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus, die Anmaßung von Wissen und die Unübersichtlichkeit der Beziehungen des raum- und zeitübergreifenden Netzwerks wirtschaftlicher Tauschbeziehungen stehen dabei an vorderster Stelle.
Diese von Carl Menger (1840 – 1921), Ludwig von Mises (1881 – 1973), Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) und anderen Austrians beschriebenen Faktoren sind es, die auch eine gut gemeinte kollektivistische Globaltransformation zur Rettung des Planeten denknotwendig scheitern lassen – scheitern freilich aus der subjektiven Sicht der von den kollektivistischen Zwangsmaßnahmen Betroffenen und nicht unbedingt aus der Sicht der Machthaber.
Die neokollektivistische Idee der globalen Zentralplanung übersieht, dass die bekannten Ursachen für das Scheitern zentralgesteuerter Plan- oder Kommandowirtschaft in planetarem Maßstab sogar noch stärker wirken. In der Zeit des Eisernen Vorhangs gab es einen Teil der Welt, der stärker auf marktwirtschaftliche Prozesse vertraute und dem anderen Teil einige der fehlenden Informationen lieferte.
Obwohl der Blick zurück zeigt, dass es Mensch und Umwelt in den stärker planwirtschaftlichen Ländern schlechter ging als in den stärker marktwirtschaftlichen, sollte nun ein alles umfassender Plan den Planeten retten? Eine globale Zentralplanung würde kein Traum, sondern ein Albtraum!
Bei einer kollektivistischen Zentralplanung, welche die gesamte Welt umspannt, entfällt der „Abschwächungsfaktor“ der Möglichkeit, über den Zaun zu den mehr marktwirtschaftlich orientierten Machthabern zu schauen. Daher wird es wahrscheinlicher, dass die zerstörerischen Folgen dieser Form der Planwirtschaft, die negativen Auswirkungen auf Freiheit und Wohlergehen der Menschen, weit über das hinausgehen werden, was in der Geschichte kollektivistischer Maßnahmen bisher zu sehen war.
Kräfte der Freiheit wirken lassen
Es gibt eine Alternative zum Kollektivismus, die gezeigt hat, dass sie in der Lage ist, Freiheit und Wohlergehen zu fördern und auch große Herausforderungen zu meistern: Freiheit, Marktwirtschaft und Privateigentum.
Herr Schwab und andere kollektivistische Zentralplaner denken groß von sich selbst und klein von den anderen Menschen. Statt die bewährten marktwirtschaftlichen und friedlichen Lösungsmechanismen noch stärker auszubremsen als bisher, nämlich durch Verstärkung des Interventionismus bis hin zur globalen Planwirtschaft und totalem Kollektivismus, wird es Zeit, die Kräfte der Freiheit, der Marktwirtschaft und des Privateigentums endlich wirken zu lassen – für eine Welt, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht ein gewähntes Kollektiv.
Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und Autor des Buchs „Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog“
Der Artikel erschien zuerst auf der Website des Ludwig von Mises-Institutes Deutschland unter dem Titel „Klaus Schwab und der Neokollektivismus“.
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