Christlich, sicher, preiswerter und offener: Auswandern nach Ungarn?
Ende Januar erhielten wir einen Anruf von ein paar Freunden. Sie lebten schon lange in Budapest, und ich dachte, wir würden wieder einen schönen Ausflug machen. Stattdessen erzählten sie mir, dass sich ihr Leben völlig verändert habe – weil sie im August letzten Jahres mit ihren beiden Kindern nach Deutschland gezogen seien.
Nun leben sie dort und genießen das Leben außerhalb Münchens. Sie gaben ihr eigenes Geschäft und ihre Wohnung in Budapest auf – jetzt sind sie Angestellte, haben einen Firmenwagen und eine schöne große Mietwohnung. Ihr neues Leben lieben sie, die Kinder sprechen bereits etwas Deutsch.
Unsere Freunde haben genau das Gegenteil von dem getan, was in Deutschland häufig diskutiert wird: Wohin könnte man auswandern? Kanada? Österreich? Ungarn?
Die Zahl der Deutschen, die sich ihre Zukunft in Ungarn vorstellen, wächst laut dem Analyseportal „novekedes.hu“ von Jahr zu Jahr. Die Migrationskrise in Deutschland, finanzielle und physische Sicherheit und der Wunsch, Kultur und Traditionen zu bewahren, können allesamt Gründe für eine Auswanderung sein.
Ungarn ist eines der beliebten Ziele, nicht erst, seitdem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán Westeuropäer eingeladen hat, nach Ungarn zu ziehen. „In den nächsten 10-20 Jahren werden immer mehr Westeuropäer nach Ungarn ziehen, weil Ungarn ein sicheres, christliches Land ist, das stolz auf seine Traditionen ist“. Im Interview mit der „Budapester Zeitung“ erklärte er auch: „Die Westeuropäer, die frei und in einem anderen Milieu leben wollen als bei sich zuhause, sollen ruhig weiter zu uns ziehen. Wir empfangen sie hier mit offenen Armen.“ Das war im Oktober 2022.
Wanderungssaldo zugunsten Ungarn
Wie viele Deutsche sind in den letzten Jahren tatsächlich nach Ungarn umgezogen? Ungarn hatte 2021 rund 9,7 Millionen Einwohner, im Jahr 2020 zählte Eurostat offiziell 18.344 Deutsche im Land. In den vergangenen drei, vier Jahren zogen allerdings fast genauso viele Menschen von Deutschland nach Ungarn wie umgekehrt. Nach den offiziellen deutschen Daten von destatis.de waren es im Jahr 2021 27.181 Menschen, die von Ungarn nach Deutschland und 26.416, die von Deutschland nach Ungarn auswanderten.
Neuere Daten des ungarischen Statistikamtes zeigen nun, dass im Jahr 2021 ein Drittel mehr Menschen nach Ungarn gezogen als aus dem Land ausgewandert sind. Die Deutschen bilden die zweitgrößte ethnische Gruppe im heutigen Ungarn. Statistiken und Schätzungen gehen davon aus, dass ihre Zahl zwischen 200.000 und 220.000 liegt, was 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht.
Einwanderung nach Ungarn ist facettenreich. Sie betrifft ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit ganz unterschiedlichen Motiven.
Christlich und sicherer
Die ungarische Presse berichtete kürzlich über mehrere deutsche Familien, die ihren Hauptsitz nach Ungarn verlegt haben. Eine beträchtliche Anzahl der Befragten nannte die Migration als Grund für ihren Umzug. Ihrer Meinung nach hat sich die Situation in Deutschland in dieser Hinsicht seit 2015 verschlechtert, sie fühlen sich nicht mehr sicher in ihrem Heimatland.
So zum Beispiel Mario Hättinger, der mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in einem Dorf in Baden-Württemberg lebte. In einem Interview gegenüber dem staatlichen ungarischen Fernsehsender „M1“ sagt er, dass sie seit der Masseneinwanderung in Angst leben würden: „Fast jeden Tag hören wir, dass eine deutsche Frau erstochen oder vergewaltigt wird.“
Wie andere Befragte erklärt Hättinger, er habe das Gefühl, dass die deutsche Regierung sie nicht schütze und die Einwanderer sogar bevorzuge. Er meint, Deutschland sei „wie eine No-go-Zone“. Daher hätten sie schließlich beschlossen, ein Haus in Sopron zu kaufen. „Ungarn ist ein christliches Land, ich vertrete auch christliche Werte, und ich dachte, wir wären dort sicher“, fasst er seine Gedanken zusammen.
Rentner kommen gern: Das Leben ist preiswerter
Als ein weiterer Grund für einen Umzug nach Ungarn wurde der finanzielle Aspekt genannt. Viele Ruheständler zieht es gen Süden, sie kämen in Ungarn mit ihrer deutschen Rente gut zurecht, während sie in ihrer Heimat keinen sehr guten Lebensstandard hätten. Die Lebenshaltungskosten in Ungarn liegen zurzeit bei etwa zwei Dritteln des EU-Durchschnitts.
Für ältere Deutsche ist der Plattensee eines der attraktivsten Ziele. Hier gibt es eine große deutsche Community, die ungarische Bevölkerung ist überwiegend christlich, Migranten gibt es kaum. Ihre Rente läuft normal weiter, laut dem ungarischen „Index“ überwies die deutsche Rentenkasse im Jahr 2021 insgesamt 5.398 Renten nach Ungarn.
Deutsche Rentner und Pensionisten berichten über ein langsameres, ruhigeres Leben und eine sehr einladende, freundliche Atmosphäre. Die öffentliche Sicherheit halten sie für viel besser. Auf die Sprachschwierigkeiten sind sie vorbereitet und kommen gut mit ihren täglichen Angelegenheiten zurecht.
„Fragwürdiges Verständnis von Demokratie“ in Deutschland
Zugewandert ist auch Emily Paersch. Die Journalistin machte in einem Interview mit der „Budapester Zeitung“ auf ein interessantes Phänomen aufmerksam. Sie fühlte sich in Bad Kreuznach ebenfalls unsicher durch Migrantengruppen und hatte auch mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen: „Die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in den letzten 15 Jahren haben das Leben insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in meiner Heimat zunehmend schwerer gemacht.“
Dies waren jedoch nicht die Hauptgründe für ihren Umzug. Die 56-Jährige, die ihren Mann und ihre Mutter nach Ungarn mitbrachte, berichtete, dass es ihr in ihrem Heimatland praktisch unmöglich sei, ihre Meinung frei zu äußern.
Die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen irritierten sie: „An unserem Wohnort Bad Kreuznach wurde im Sommer 2018 zum Beispiel die Nutzung des Kurparks nach 22 Uhr für alle Bürger untersagt, nachdem sich dort ein reger Handel mit Drogen etabliert hatte.“ Diese Maßnahme habe ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeiten der Politik „nicht gerade gestärkt“. Gleiches galt für die rückgängig gemachte reguläre Thüringen-Wahl durch einen Telefonanruf der damaligen Kanzlerin Angela Merkel – „ein sehr fragwürdiges Verständnis von Demokratie“.
Sie konnte ihre Ängste nicht mit ihren Freunden teilen: „Ich merkte mehr und mehr, dass es nicht mehr möglich war, frei über Themen zu sprechen, die mich bewegten, und so setzte eine Selbstzensur ein, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Bis dahin dachte ich, ich lebe in einem Land, in dem ich meine Meinung frei äußern kann.“
Ihre deutschen Freunde hätten ihre Entscheidung, in das Land des „Diktators“ zu ziehen, kritisiert. Obwohl sie nun bereits seit einigen Jahren in Ungarn lebe, wisse sie immer noch nicht, worauf diese sich bezogen haben – sie selbst habe keine schlechten Erfahrungen gemacht und auch nicht das Gefühl, in einer Diktatur zu leben. Im Gegenteil, sie könne sich in Ungarn wirklich frei äußern.
Sie habe das Land im Jahr 2019 zuvor ganz objektiv bereist, um zu entscheiden, ob es sich lohne, nach Ungarn zu ziehen. „Dass Ungarn in den deutschen Medien nicht gut ankam, weil sich der Ministerpräsident mit seiner unbequemen Haltung zur EU-Einwanderungspolitik bereits einige Feinde gemacht hatte, hat uns nicht daran gehindert, das Land einer unvoreingenommenen persönlichen Prüfung zu unterziehen.“
Bestätigung oder Opfer von Orbáns Politik?
Ein interessantes Phänomen ist, dass für Interviews und Artikel oft dieselben Deutschen sowohl von konservativen als auch von linken Medienunternehmen in Ungarn angesprochen wurden. Es ist deutlich zu erkennen, dass sie ihre Geschichten entsprechend ihrer Ausrichtung in einem etwas anderen Licht und mit einer etwas anderen Erzählung darstellen.
Regierungsfreundliche Medien, die normalerweise die ungarische Führung und Politik loben und unterstützen, sehen die Auswanderung der Deutschen als eine Art Bestätigung der konservativen Regierungspolitik an.
In linken Zeitungen werden dieselben Personen eher als Opfer der „Orbán-Propaganda“ dargestellt: als Menschen mit irrationaler Angst vor Flüchtlingen, als uninformierte Menschen, die auch Opfer verschiedener Verschwörungstheorien sein könnten.
Ähnlich könnte eine Nachrichtensendung des deutschen Fernsehens („report München“) verstanden werden. Darin wurde versucht, Ungarn als gefährlichen Ort der Armut darzustellen, an dem die Menschen größtenteils in Unterdrückung leben. Ungarn erachten diesen Bericht als „ziemlich schockierend“, so sehen sie ihr Land überhaupt nicht.
Rückkehrer: Die Geschmäcker sind unterschiedlich
Nicht vergessen werden sollte eine weitere Bevölkerungsgruppe, die zwischen Ungarn und Deutschland eine Rolle spielt. Zu beobachten ist, dass viele früher ausgewanderte Ungarn in ihr Heimatland zurückkehren. Wohl jeder Ungar kann diese Tendenz in seinem persönlichen Bekanntenkreis beobachten.
Insofern kann ich hoffen, dass meine Budapester Freunde auch irgendwann wieder zurückkommen. Sie zogen auf der Suche nach Sicherheit und Glück nach München – und setzen auf materiellen Wohlstand und eine liberalere Regierungspolitik.
Eine interessante Parallele. Manche wandern hierher, manche dorthin. Für mich bleibt eine Frage offen: Warum kommen andere zu uns und erhoffen sich hier das gleiche Glück und die gleiche Sicherheit? Die Geschmäcker sind unterschiedlich.
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