EU-Projekt Jitsuvax – wie man mit „unbelehrbaren“ Corona-Skeptikern umgeht
Schwer lastete der Druck auf der Gesellschaft während der Corona-Pandemie. Als die ersten Impfstoffe auf den Markt kamen, war es für viele Menschen selbstverständlich, sich den „kleinen Piks“ abzuholen. Andere haderten und waren unsicher.
Sie ließen sich auch nicht mit einer Bratwurst locken, verhielten sich „unsolidarisch“ oder mussten sich etwa als „Blinddarm“ der Gesellschaft beschimpfen lassen. Wer sich nicht impfen lassen wollte, dem drohte nicht nur Ausgrenzung durch Verbote, sondern auch deren Vollzug.
Ärzte sollen Überzeugungsarbeit leisten
Während hartnäckige Gegner des genbasierten Vakzins kaum von dessen Verabreichung zu überzeugen sind, gibt es eine große Grauzone, in der unsichere Menschen nicht wissen, was sie tun wollen. Überzeugungsarbeit sollen dabei Ärzte leisten, die ein speziell dafür entwickeltes psychologisches Instrument nutzen konnten.
Jitsuvax heißt das Projekt der Europäischen Union, in dem psychologische Tricks entwickelt werden, um die Impfzurückhaltung bei Menschen zu überwinden. Professor Stephan Lewandowsky vom Lehrstuhl für kognitive Psychologie an der Universität von Bristol leitet Jitsuvax. Bezüglich resistenter Impfskeptiker spricht er in einem Interview mit „The Independent“ von der Notwendigkeit eines „Deradikalisierungsprogramms“, wie es für ehemalige Terroristen oder Sektenmitglieder angeboten wird, um „hardcore antivaxxers“ von ihrem Glauben abzubringen. Jitsuvax ist ein erster Schritt in diese Richtung.
Den deutschen Zweig des Projekts leitet Cornelia Betsch, worüber der Journalist Norbert Häring vor Kurzem informiert hat.
Betsch gehörte dem Corona-Expertenrat an und ist eine vehemente Verfechterin der Impfung. Sie sieht sie als sozialen Vertrag nach dem Motto „Ich schütze Dich, Du schützt mich“, sagte sie im September 2021 gegenüber „Deutschlandfunk Nova“.
Mit der psychologischen Einflussnahme auf die Impfentscheidung beschäftigt sich die 44-jährige Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt schon länger. So ist 2019 eine Publikation erschienen mit dem Titel „Impfverhalten psychologisch erklären, messen und verändern“, an der sie mitgewirkt hat.
Auch gehörte sie zu einer Gruppe europäischer Wissenschaftler, die im November 2022 Politiker zum „sofortigen Handeln“ gegen eine vermeintliche Impfmüdigkeit in der Bevölkerung aufriefen.
3,1 Millionen Euro für vier Jahre
Das dreiköpfige Forschungsteam um Betsch arbeitet bereits seit April 2021 an dem Projekt. Angelegt ist es auf vier Jahre und endet im März 2025. Finanziert wird es mit 3,1 Millionen Euro aus dem EU-Förderprogramm „Horizont 2020“.
In einer Anmerkung zum ersten Jahresbericht des Projekts schreibt die am Projekt beteiligte wissenschaftliche Mitarbeiterin Frederike Taubert: „Da Impfungen eine einfache Möglichkeit sind, Menschen vor schweren Infektionen zu schützen, ist die zunehmende Impfskepsis eine Bedrohung für die globale Gesundheit.
Eine Ursache für diese Zurückhaltung ist in der Verbreitung von Verschwörungstheorien rund um Impfungen zu sehen. Daher möchte ich in meinem Promotionsprojekt untersuchen, warum Menschen Impfungen ablehnen, wie Impfscheu mit Verschwörungstheorien zusammenhängt und wie der Einfluss von Verschwörungstheorien abgeschwächt werden kann, um die Impfbereitschaft zu erhöhen.“
Methode gegen „unbelehrbare Skeptiker“
Wie kam es zu dem Begriff Jitsuvax? Im Jahr 2017 stellten die Wissenschaftler Matthew Hornsey und Kelly Fielding eine Methode vor, wie man mit „unbelehrbaren Skeptikern wissenschaftlicher Fakten am besten umgeht“, schrieb das „Ärzteblatt“ seinerzeit.
Ihr Modell nannten sie Jiu Jitsu, eine Kampfsportart, die den Menschen lehrt, die Kraft des Gegners gegen ihn einzusetzen, anstatt zu versuchen, ihn frontal zu besiegen. Im Jahresbericht des Erfurter Forschungsteams heißt es dazu weiter: „Wir versuchen Wege zu finden, mit den Motivationen der Menschen zu arbeiten, anstatt sie zu bekämpfen.“
Weil „Fehlinformationen über Impfstoffe“ ein „erhebliches Problem“ darstellten, hat sich das Forscherteam darauf konzentriert, die Anfälligkeit für eben jene Fehlinformationen bei Menschen zu verringern. Dazu haben sie – wie es im Jahresbericht weiter heißt – ein zehnminütiges Onlinespiel entwickelt, das die Fähigkeit der Menschen verbessern soll, Manipulationen zu erkennen (Seite 13).
Strategien gegen Impfstoff-Fehlinformationen
Im Verlauf von vier Leveln lernen die Spieler, wie Strategien funktionieren, „die häufig bei Impfstoff-Fehlinformationen verwendet werden, wie die Verwendung emotional manipulativer Sprache, gefälschtes Fachwissen, der naturalistische Irrtum und Verschwörung“, und wie man das alles widerlegt. Drei randomisierte, kontrollierte Studien zum Testen seien abgeschlossen.
Dabei wollten die Wissenschaftler wissen, ob das Spielen des Spiels dazu beiträgt, dass die Probanden „Manipulationsstrategien in sozialen Netzwerken“ im Zusammenhang mit Impfungen besser erkennen.
Das Ergebnis war aus Sicht des Forschungsteams positiv: „Wir haben festgestellt, dass Menschen, die das Spiel spielen, diese [die Manipulationsstrategien, Anm. d. Red.] deutlich besser erkennen können.“ Sie würden sicherer in ihrer Einschätzung und seien weniger bereit, „Fehlinformationen über Impfstoffe weiterzugeben“.
Trotz intensiver Recherche war das Spiel online nicht zu finden. Ein Link auf der Jitsuvax-Seite führt nicht weiter. Auf eine entsprechende Anfrage haben weder Cornelia Betsch von der Universität Erfurt noch die University of Bristol, an der das EU-Projekt koordiniert wird, reagiert.
Wie man dem Misstrauen von skeptischen Menschen begegnen kann, wird auf einer weiteren Jitsuvax-Infoseite beschrieben, zu der auch Frederike Taubert Beiträge liefert. Auf der Website werden Themen behandelt wie Korruption, finanzielle Interessen, Risiken und einiges mehr – alles im Zusammenhang mit Impfungen.
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