Folgenreiche Missbrauchsvorwürfe: Denkmal von Kardinal Hengsbach entfernt

Die Skulptur von Franz Hengsbach wird abgebaut. Zugleich liegen bereits weitere Missbrauchsanzeigen im Bistum vor. Und bei der Bischofskonferenz wird der Missbrauchsskandal ebenfalls zum Thema.
Die Skulptur des Essener Kardinals Franz Hengsbach bei der Demontage.
Die Skulptur des Essener Kardinals Franz Hengsbach bei der Demontage.Foto: Christoph Reichwein/dpa
Epoch Times25. September 2023

Das Denkmal des unter Missbrauchsverdacht stehenden Kardinals Franz Hengsbach in Essen ist abgebaut worden. Monteure lösten am Morgen die Halterung des Denkmals und ein Kran hievte die Statue auf einen Lastwagen, wie ein dpa-Reporter vor Ort beobachtete. Auch ein Schild mit den Lebensdaten des Kardinals wurde entfernt. Die Skulptur soll eingelagert werden.

Vor knapp einer Woche hatte das Bistum Essen mitgeteilt, dass der „gravierende“ Verdacht bestehe, Hengsbach (1910-1991) könnte in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 1950er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht haben. Außerdem beschuldigt eine Frau Hengsbach eines weiteren Übergriffs im Jahr 1967 in seiner Essener Zeit als Bischof.

Die mutmaßlichen Taten und die abermals dokumentierte Vertuschungsstrategie der Kirche zerstörten Reste an Vertrauen, erklärte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. „Wieder entsteht der Eindruck, dass nicht die Betroffenen, sondern die Täter geschützt wurden.“

Eine erste Überprüfung des ZdK-Archivs habe keine Hinweise auf Kontakte zu den gegen Hengsbach erhobenen Vorwürfe ergeben. Die Korrespondenz werde aber weiter gesichtet. Hengsbach war ab 1947 ZdK-Generalsekretär und von 1953 bis 1968 bischöflicher Generalassistent des Komitees.

Weitere Fälle

Das Bistum hatte die Gläubigen vergangene Woche dazu aufgerufen, mögliche weitere Missbrauchsfälle zu melden. Daraufhin seien bereits einige neue Meldungen eingegangen, sagte ein Bistumssprecher. Ähnlich hatte der derzeitige Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sich am Sonntagabend im WDR-Fernsehen geäußert. Die neuen Fälle würden nun überprüft, sagte der Bistumssprecher.

Betroffenenvertreter und die Reforminitiative Maria 2.0 hatten die Entfernung der überlebensgroßen Statue des Geistlichen gefordert. Missbrauchsopfer hatten eine Mahnwache vor der Hengsbach-Skulptur abgehalten. Die Statue der Bildhauerin Silke Rehberg war im Herbst 2011 enthüllt worden.

Franz Kardinal Hengsbach war 33 Jahre lang der erste Bischof des 1958 gegründeten Ruhrbistums, zugleich Gründer von Adveniat – dem bischöflichen Lateinamerika-Hilfswerk – lange Jahre deutscher Militärbischof und sozialpolitisch engagiert für das Ruhrgebiet in der Stahl- und Kohlekrise.

Entschuldigung von Bischof Overbeck

„Das Entsetzen, das erlebe ich in diesen Tagen auch, ist so groß, weil er eben eine so wichtige Identifikationsfigur für unser Bistum gewesen ist. Aber die Fakten sprechen jetzt eine andere Sprache und so musste ich auch entsprechend reagieren“, sagte Overbeck in dem WDR-Interview.

Overbeck hatte sich in einem Brief, der gestern im Gottesdienst verlesen wurde, für seinen Umgang mit den Hengsbach-Vorwürfen entschuldigt. Er hatte demnach bereits 2011 von ersten Vorwürfen gegen Hengsbach in Paderborn erfahren, sich aber auf die Auskunft aus Rom verlassen, dass die Vorwürfe nicht plausibel seien und deshalb nichts weiter unternommen. Dies bezeichnete Overbeck im Rückblick als Fehler.

Den Abbau der zwei Meter hohen, schweren Skulptur aus Hartkeramik verfolgten am frühen Morgen nur wenige Passanten. Ein Passant berührte noch einmal die Hand des Kardinals. Eine Nonne stand schweigend etwas abseits und wandte sich dann ab.

Bätzing: „Verbrecherisches Verhalten“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, warf Hengsbach „verbrecherisches Verhalten“ vor. Wörtlich sagte Bätzing heute zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Wiesbaden: „Die Verunsicherung für Gläubige in diesem Bistum, wenn man sieht, auf welch hohem Sockel dieser Mann stand als Gründerbischof und dann stürzt – die ist ja mit nichts zu vergleichen. Das sind Generationen von Menschen, die dort geprägt wurden und dann enttäuscht werden durch ein verbrecherisches Verhalten eines solchen Bischofs, das hat für mich auch tatsächlich eine Qualität, die wir bisher nicht hatten.“

Bätzing wies darauf hin, dass sich derzeit offenbar weitere Betroffene meldeten. „Das heißt ja immer, dass sich die Vorwürfe erhärten.“ Jetzt gelte: „Alles muss auf den Tisch, die Wahrheit muss auf den Tisch. Nur so werden die Betroffenen zu ihrem Recht kommen.“ Er hoffe, dass sich der Fall so lange nach dem Tod es mutmaßlichen Täters noch aufklären lasse.

Bei der Herbstvollversammlung beraten die 65 Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland bis einschließlich Donnerstag. Themen sind unter anderem der Missbrauchsskandal und der innerkirchliche Reformprozess. (dpa/dl)



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