Gewalt gegen Frauen: 118.148 erfasste Verdächtige
Für das Jahr 2021, als die Menschen bis Mai im Lockdown waren, rechneten viele mit einem Anstieg der Beziehungsgewalt. In der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik 2021 zur Partnerschaftsgewalt gibt es darauf jedoch nur geringe Hinweise.
Allerdings ist die These nicht vom Tisch, da von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird. Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) gemeinsam mit BKA-Chef Holger Münch am Donnerstag, 24. November, vorgestellte Statistik zeigt eine leichte Abnahme der Gewalttaten im Vergleich zum ersten Corona-Jahr 2020.
Insgesamt registrierten die Behörden 2021 bundesweit 143.016 Fälle, in denen ein aktueller oder ehemaliger Partner Gewalt ausübte oder dies versuchte – ein Rückgang um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz des leichten Rückgangs stellte dies den zweithöchsten Wert in den vergangenen fünf Jahren dar.
In der genannten Statistik wurde das Jahr zugrunde gelegt, in dem der Polizeibericht für eine Tat erstellt wurde – also 2021.
Wenn man nicht das Berichtsdatum zugrunde legt (die Tat kann auch vor 2021 passiert sein), sondern das tatsächliche Datum, an dem die Tat erfolgte, dann ergab sich für 2021 eine geringe Zunahme um 0,6 Prozent. Jedoch sind für die Lockdown-Monate Januar bis Mai keine Auffälligkeiten zu verzeichnen. Die Zahlen lagen ungefähr im Bereich der Vergleichsmonate im Vor-Corona-Jahr 2019.
Nichtdeutsche Verdächtige überrepräsentiert
Der Statistik zufolge waren Frauen zu 80,3 Prozent von Partnerschaftsgewalt betroffen. Von diesen Frauen lebte die Hälfte zur Tatzeit mit dem Tatverdächtigen in einem gemeinsamen Haushalt, die andere Hälfte nicht oder nicht mehr.
Wie bereits in den Vorjahren geht die Gewalt zum überwiegenden Teil von Männern aus (78,8 Prozent). Der Anteil weiblicher Tatverdächtiger ist in den vergangenen Jahren jedoch leicht gestiegen – auf nunmehr 21,2 Prozent (2020: 20,6 Prozent). In den meisten Fällen handelte es sich um vorsätzliche einfache Körperverletzung (59,6 Prozent). Weitere Delikte waren Bedrohung, Stalking, Nötigung (24,2 Prozent) und gefährliche Körperverletzung (12,2 Prozent).
Von insgesamt 118.148 erfassten Verdächtigen waren 65,6 Prozent deutsche Staatsangehörige.
Von den 34,4 Prozent nicht deutschen Verdächtigen traten türkische Staatsangehörige mit einem Anteil von 5,4 Prozent am häufigsten auf. Bei einem Bevölkerungsanteil ausländischer Staatsbürger von 13,1 Prozent im Jahr 2021 ist die Gruppe der Nichtdeutschen daher mehr als 2,5-fach überrepräsentiert.
Großes Dunkelfeld bei Partnerschaftsgewalt
Nach Einschätzung von Familienministerin Paus haben viele Frauen Angst, sich Hilfe zu holen.
Zwei Drittel der weiblichen Opfer gehen auch nach schwerster Gewalterfahrung nicht zur Polizei und suchen auch keine anderweitige Hilfe.“
Umso wichtiger sei es daher, ein möglichst niedrigschwelliges Beratungs- und Hilfsangebot zu haben. Angebote wie Frauenhäuser und Beratungsstellen möchte die Familienministerin flächendeckend ausbauen lassen. Das „Hilfstelefon Gewalt gegen Frauen“, bei dem sich Betroffene Rat holen können, habe im vergangenen Jahr rund 54.000 Beratungen durchgeführt (+5 Prozent).
Von Gewalterfahrungen Betroffenen rät BKA-Präsident Münch: „Nehmen Sie diese Beratungsangebote wahr, zeigen Sie die Taten an, aber in der Reihenfolge. Sie müssen nicht als erstes unbedingt zur Polizei gehen. Entscheidend ist, Sie holen sich Hilfe.“
Münch geht seinerseits von hohen Dunkelfeldzahlen aus. Während des Lockdowns hätten die physische Isolation und individuelle Stressfaktoren die Anwendung von Gewalt begünstigt und die Fähigkeit, Konflikte und Aggressionen frei zu bewältigen, verringert.
Da es Aufklärungsbedarf über die „Gewalt, die im Verborgenen geschieht und viel zu oft auch im Dunklen bleibt“, gibt, wie Paus sagt, führt das BKA gemeinsam mit den beiden Ministerien eine repräsentative Dunkelfeldstudie durch. BKA-Präsident Münch erwartet erste Ergebnisse für Anfang 2025.
Gewalt gegenüber Männern
Paus betonte, sie habe in den Bundeshaushalt 2023 Mittel für die Einrichtung einer staatlichen Koordinierungsstelle zu geschlechtsspezifischer Gewalt eingeplant. Der Arbeitsstab zur Einrichtung der Koordinierungsstelle soll bald seine Arbeit aufnehmen. Es soll eine ressortübergreifende Strategie zur Prävention und zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen entwickeln.
Innenministerin Faeser stellt für das Berichtsjahr 2022 ein weiter entwickeltes Lagebild in Aussicht. Darin werde auch der Bereich der innerfamiliären Gewalt gegenüber alten Menschen, die mit in der Familie leben, oder Kindern abgebildet sein.
Gewalt an Männern kam bei der Vorstellung der Statistik erst auf Nachfrage eines Journalisten zur Sprache. Ja, es gebe in Deutschland bereits zwölf Einrichtungen für Männer mit insgesamt 41 Plätzen und ein „Hilfstelefon Gewalt an Männern“, das auf Länderebene angesiedelt sei, aber anders als das Angebot für Frauen noch nicht 24/7 arbeite, so Paus.
Auf Anfragen der Epoch Times bei Opferverbänden wie dem „Weißen Ring“ und dem Arbeitskreis der „Opferhilfen.de“ erhielten wir noch keine Antwort.
(Mit Material von dpa)
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