Handwerksbäcker: Insekten im Brot sind eine „witzige Idee“
Die europaweite Zulassung von Insekten in Lebensmitteln sorgt weiterhin für Zündstoff. Während einige Bäckereien in Sachsen in die Offensive gehen und versuchen, ihre Kundschaft durch (ent-)warnende Schilder zu beruhigen, sind andere Bäcker in Deutschland offen für kulinarische Experimente mit Krabbeltierchen. Wir fragten nach bei einigen Vertretern der Zunft.
„Total lecker und nussig“
„Haben Sie schon mal ein Insekt gegessen?“, fragt mich Bäckermeister Karsten Berning von der Bäckerei Johann Mayer in Berlin-Schöneberg. „Nein“, antworte ich perplex. „Ich habe schon mal eine Heuschrecke im Restaurant bestellt, sie dann aber unberührt wieder zurückgehen lassen, weil es mich so geekelt hat“, gebe ich zu.
„Sehen Sie – genau so geht es den allermeisten Menschen in Europa“. Berning ist wohl einer der aufgeschlossenen Traditions- und Handwerksbäcker. „Meine afrikanischen Freunde finden das nicht so erstaunlich, dass Insekten in Lebensmitteln genehmigt werden. Ich habe auch schon Leute kennengelernt, die Mehlwürmer verarbeitet haben. Ich habe deren Gebäck gekostet und muss sagen – sicher, es ist ein bisschen ungewöhnlich und man muss zunächst einmal diese inneren Hemmnisse überwinden. Wenn man es einmal gekostet hat, schmeckt es aber total lecker und extrem nussig.“
Es sei einfach ein weiterer Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung, so Berning. Allerdings sei man in der westlichen Welt „noch nicht so weit.“
Gebrauch machen wird er vom Insektenmehl allerdings „momentan auf keinen Fall“. Es rentiere sich betriebswirtschaftlich einfach nicht. Ein Kilo Buffalo-Mehl aus gemahlenen Buffalowürmern käme auf 20 Euro, während der Preis für ein normales Kilo Mehl für ihn bei 0,80 Euro läge, gibt er Aufschluss. „Wenn wir Mehlwurmmehl verarbeiten würden, wären wir wahrscheinlich bei einem Brötchenpreis von 1,50 Euro statt den herkömmlichen 45 Cent. Es ist immens teuer.“
Für die Backwarenherstellung und für Brötchen würde die Insektenverarbeitung zwar keinen Sinn ergeben, sagt er, im Bereich Fleischersatz oder im Bereich anderer Möglichkeiten, um Proteine anzureichern, aber schon. „Um vom Fleisch wegzukommen und mehr in Richtung Insektenlebensmittel zu gehen.“
„Witzige Idee“
Auch Joona Hellweg, Chef der „Brotbude Backmanufaktur“ im Bremer Stadtteil Grohn findet keinen Anstoß an der neuen Verordnung. Ganz im Gegenteil – die Idee mit den Insekten im Brot sei „zukunftsweisend“ und „eine gute Protein- und Eiweißquelle“.
Der 27-jährige Bäckermeister setzt seit Dezember 2018 die Tradition seiner Familie in fünfter Generation fort – wenn auch mit modernem Twist. Gebacken wird in der Brotbude nach alten Familienrezepten, dazu kommen Eigenkreationen des Chefs.
„Die Idee mit den Insekten im Brot finde ich superspannend und witzig. Es ist ein gewagtes Thema und ich würde damit werben. Damit kann man herausstechen.“
Insekten „als Ganzes“ im Brot
Über das Insektenmehl habe er sich bereits im Internet informiert, so Hellweg. Die Preise hätten ihn dann aber abgeschreckt. „Wir lägen mit einem Kilo Insektenmehl bei 70–80 Euro. Für ein Kilo Mehl zahle ich etwa 0,50 Euro. Das ist ein sehr großer Unterschied. Ich würde jetzt erstmal abwarten, bis die Preise etwas moderater sind – dann würde ich es machen.“
Ob Insektenbrötchen ein dauerhafter Kassenschlager wären, bezweifelt er, „weil es etwas sehr Spezielles ist und der Zeitgeist noch nicht ganz so weit.“ Ausprobieren möchte Hellweg die Insektenmischung aber dennoch. „Ich würde es vielleicht auch gar nicht als Mehl verarbeiten, sondern die Insekten als Ganzes im Brot verarbeiten.“
Die Zutatenliste seiner Brotwaren ist grundsätzlich schlicht: „Mehl, Wasser, Salz und Hefe“ – mehr brauche man nicht. Den vorwiegend jungen Kunden gefällts. Zumindest bislang. Mit seiner „Brotbude“ wurde Hellweg 2021 von „Feinschmecker“ als eine der zehn besten Bäckereien Deutschlands ausgezeichnet. Die Schlange der Kunden reiche manchmal bis auf die Straße. Ob sich die Schlange wohl in Staub auflösen würde, wenn Insektenbrötchen ins Sortiment aufgenommen würden?
„Ich denke, es würde einige Kunden geben, die das mitmachen und bestimmt auch Kunden, die sagen würden ‚Bloß nicht! Bitte nicht!‘“, erläutert Hellweg. Bei den aktuellen Rohstoffpreisen würden sich die Krabbeltierteigwaren allerdings nicht rentieren, ist er sich sicher. „Keiner kauft sich einen Laib Insektenbrot für 10 Euro aufwärts.“
Besorgte Kunden
Nachfragen seiner Kunden bezüglich der Insekten gab es bislang keine. „Das Thema ist bei uns vorbeigegangen. Ich stehe auch selber häufig hinterm Tresen – da ist diese Frage nicht ein einziges Mal gekommen“, so Hellweg.
Anders sieht es bei der Bäckerei Johann Mayer in Berlin aus. In der ersten Woche nach der neuen EU-Verordnung habe es ein Dutzend Anfragen von Leuten gegeben, „die das Ganze skeptisch betrachten“, so Bäckermeister Berning. „Als dieser reißerische „Bild“-Artikel erschienen ist, wo es hieß, ‚Ab jetzt Insekten im Brot‘ oder so ähnlich, sind wir häufig darauf angesprochen worden.“
„Unsere Verkäufer haben die Fragen genauso beantwortet, nämlich, dass wir das nicht vorhaben. Es ist auch nicht in absehbarer Zeit vorgesehen. Ich wüsste auch keinen Kollegen, der das wirklich plant. Abgesehen von Leuten, die das speziell machen möchten. Momentan haben wir keine Ambitionen, das zu machen.“
Vorkehrungen in Form von entwarnenden Schildern, wie in manch anderen Bäckereien, habe man nicht getroffen, so Berning. „Denjenigen, die uns darauf angesprochen haben, haben wir Auskunft erteilt, aber wir sind nicht in die Offensive gegangen oder haben das groß beworben.“
Insekten als Fleischersatz?
Der Chef der „Brotbude Backmanufaktur“ im Bremen findet den „großen Aufschrei“ à la „Wir verarbeiten keine Insekten“ seiner Kollegen und des Zentralverbandes des Bäckerhandwerks schlichtweg „übertrieben“. Ein Freund des Zentralverbandes sei er nicht und auch nicht in der Innung vertreten.
„Ich bin der Meinung, dass das Thema einfach viel zu ernst genommen wurde. Auch hinsichtlich der Rohstoffpreise. Kein Bäcker packt freiwillig Insektenmehl in sein Brot rein, weil er kein Weizenmehl bekommt. Wirtschaftlich ist das Selbstmord.“ Noch etwa fünfzehn Jahre müssten vergehen, damit „das Thema Insekten nicht so verschrien ist“, schätzt der Jungunternehmer die Lage ein.
„Eine Eiweißquelle, die nicht aus Fleisch von der Kuh ist, die viel Methan ausstößt, ist eine interessante Alternative. Es wird in Zukunft einen sehr hohen Stellenwert haben, weil es ernährungstechnisch viele Vorzüge im Gegensatz zu Fleisch bietet“, ist er sich sicher.
„Wobei man sagen muss, dass es durchaus schon Lebensmittel gibt, in denen Insekten drin sind, wie zum Beispiel Schellack, was auch ein Teil von Insekten ist. Er ist in Artikeln wie Kinder-Schokobons enthalten. Das ist sehr vielen Leuten aber gar nicht bewusst“, fügt er hinzu.
Steinecke: Kunden sprachen sich dagegen aus
Die Meisterbäckerei Steinecke ist mit über 650 Filialen einer der führenden Großbäckereien der Republik. Zum jetzigen Zeitpunkt kämen derartige Rohstoffe auf Insektenbasis nicht zum Einsatz, heißt es aus dem Sekretariat im niedersächsischen Mariental. Man habe auch nicht vor, sie zukünftig einzusetzen. „Sollte sich daran etwas ändern, würden wir das Produkt natürlich entsprechend den Vorgaben der Verordnung kennzeichnen.“
Über den Einsatz der Insekten-Rohstoffe durch andere Bäckereien möchte man sich kein Urteil erlauben, denn man sei der Ansicht, „dass jeder Bäcker zu diesem Thema seine eigene Entscheidung treffen muss“, gibt sich die Großbäckerei diplomatisch. Von einigen Kunden habe man bereits Nachfragen zu diesem Thema erhalten: „Alle wenigen Kunden, die sich diesbezüglich bei uns gemeldet haben, haben sich gegen die Verarbeitung von Insekten in Backwaren ausgesprochen.“
Lifestyle-Bäcker: Kein Ungeziefer im Brot!
Einem, der Brot zum hippen Lifestyle-Produkt gemacht hat, kommt definitiv kein Ungeziefer in den Laib: Josef Weghaupt, der Wiener Gründer von „Joseph Brot“ spricht sich klar gegen die Insektenmischung in Backwaren aus. Auf Facebook fand der Bäcker deutliche Worte: „Nein. Und niemals“ werde es zum Einsatz von „Insektenmehl“ in seinen Backwaren kommen:
„Insekten schätzen wir auf Wiesen und Felder[n] und überall in der Natur. Dort gehören sie zur Lebensvielfalt der Biodiversität – dort ist ihr richtiger Platz und nicht in einem Brotteig oder Backofen.“
Bäckern, die keine Hemmung davor haben, Insektenmehl zu verarbeiten, entgegnet er: „Bei aller Fantasie – es ist mir völlig unverständlich, wem mit dem Einsatz geholfen sein soll? Ehrliches Brot hat eine große ernährungsphysiologische Bedeutung und von Natur aus einen hohen Proteingehalt“, erklärt er gegenüber der Tageszeitung „Heute“.
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