Identität Digital: Einfacheres Leben oder die Büchse der Pandora?
Es gibt einen Ukrainekrieg, es gibt eine Corona-Pandemie und es gibt große Herausforderungen aufgrund klimatischer Veränderungen. Alle diese Ereignisse nehmen viel Raum in der medialen und öffentlichen Wahrnehmung ein. Im Schatten dieser umwälzenden Ereignisse werden von vielen Regierungen umfassende Bestrebungen zur Digitalisierung des Lebens der Menschen unternommen – mit weitreichenden Folgen. Das Smartphone wird zum Objekt einer mehr und mehr um sich greifenden Zentralisierung von Daten in bislang ungeahntem Ausmaß. Für die Menschen soll dies unter anderem mehr Sicherheit und eine Vereinfachung der Bürokratie bringen.
Kritiker befürchten, dass digitale Signaturen und Identifizierungen, QR-Codes und ähnliches vielleicht bald schon zur Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben werden. Im kommunistischen China beispielsweise werden Menschen mit einem digitalen Sozialkreditsystem kontrolliert, in ihrem Verhalten bewertet, abgestraft oder belohnt. Ein virtueller Personalausweis ist digital integrierbar.
Durch als gut erachtetes Verhalten lassen sich beispielsweise zusätzliche Rechte freischalten. Durch als schlecht erachtetes Verhalten – online und auch im realen Leben – werden Rechte entzogen oder der Bewegungsradius eingeschränkt. Chinas Sozialkreditsystem ist ein Dschungel, der in den Provinzen und Städten beliebig von den Regierungen angepasst wird. Durch diese möglicherweise sogar absichtlich hervorgerufene Undurchsichtigkeit wird die abschreckende Wirkung auf Fehlverhalten noch erhöht.
Die deutsche ID Wallet, ID Austria und Swiss eID
Im Oktober 2021 informierte die deutsche Bundesregierung über die „ID Wallet App“, die digitale Brieftasche, in der die Bürger ihre digitalen Nachweise verwalten könnten. Unter anderem könnten in der Smartphone-App „wesentliche Daten aus dem Personalausweis als Basis-ID“ gespeichert werden. Die Basis-ID wird zuvor digital von der Bundesdruckerei ausgestellt. Auch einen digitalen Nachweis für den Führerschein könne man sich nun erstellen. Für das geplante „Ökosystem digitaler Identitäten“ setze die Bundesregierung auf die „neue Technologie Self-Sovereign Identity (SSI)“, welche die Selbstbestimmung der Menschen in den Mittelpunkt stelle. Wie die damals noch zuständige Digitalisierungsministerin Dorothee Bär (CSU) erklärte, handle es sich dabei „auch nicht mehr um Pilotprojekte mit bewusst kleiner Nutzerzahl, sondern um echte Markteinführungen gegenüber den Endkunden“.
In Österreich werden die Bürger auf einer Website der Regierung ermutigt: „Einfach online identifiziert? Na sicher! Mit ID Austria.“ Das Digitalprojekt befindet sich bis Mitte des Jahres noch in der Pilotphase und stellt eine Weiterentwicklung von Handysignatur und Bürgerkarte dar. Im Hintergrund stehen die Ministerien für Wirtschaft und des Inneren. Mit „ID Austria“ sollen sich die Menschen online ausweisen können, um „damit digitale Services zu nutzen und Geschäfte abzuschließen“.
Mit der App erlange man einen „hochsicheren Zugang zu digitalen Services von Verwaltung und Wirtschaft“, könne digitale Dokumente unterschreiben und noch dazu 40 Prozent der Antragsgebühren bei digitalen Amtswegen sparen. Ab Mitte 2022 kämen dann die digitalen Ausweise hinzu und ab 2023 sei „ID Austria“ auch EU-weit nutzbar. „ID Austria“ soll über die App „Digitales Amt“ realisiert werden und ab einem Alter von 14 Jahren gelten. Zur Registrierung ist ein Smartphone mit „aktivierter Gesichtserkennung (z.B. Face ID) bzw. Fingerabdruck-Funktion (z.B. Touch ID) erforderlich“. Auf der Regierungsseite heißt es: „Hinweis: Es wird die Möglichkeit geben, die ID Austria auch ohne Smartphone zu registrieren und zu verwenden.“
Auf der Website der Schweizer Version hießt es: „SwissID – Meine digitale Identität“ – und dass es schon über zwei Millionen Nutzer gebe. Es wird versprochen, dass man sich mit „SwissID“ nicht nur bei einer wachsenden Anzahl von Onlinediensten sicher einloggen, sondern auch über die App „rund um die Uhr“ digital unterschreiben und sich online ausweisen könne.
Die Digitalisierung Europas
Auch in anderen europäischen Ländern gibt es ein ähnliches Vorgehen zur Errichtung einer biometrischen Infrastruktur durch die Regierungen. In Italien gibt es die Carta di Identità Elettronica (CIE) und in Frankreich arbeitet die Regierung für ihr National-Digital-ID-Programm mit der international agierenden französischen Tech-Firma IDEMIA zusammen (ehemals Morpho Systèmes). Dort sollen nach IDEMIA-Angaben bereits 28 Millionen Menschen und 900 Dienstanbieter die FranceConnect-Plattform nutzen, die auch das französische digitale ID-System unterstützen.
Seit einigen Jahren schon gibt es in der Europäischen Union die Verordnung „eIDAS“ (electronic ID Entification, Authentication and Trust Services ). Nach Angaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik BSI gilt diese Verordnung seit dem 1. Juli 2016 in allen 28 Mitgliedsstaaten und beinhalte die europaweit geltenden Regelungen für „elektronische Identifizierung“ und „elektronische Vertrauensdienste“. Als „zuständige Aufsichtsstelle für Vertrauensdienste“ bei Webseitenauthentifizierungen sei das BSI benannt worden, welches dem Innenministerium untersteht. Für andere eIDAS-Bereiche sei die dem Wirtschaftsministerium unterstehende Bundesnetzagentur (BNetzA) zuständig.
Im Zusammenhang mit eIDAS wurde auch die eID eingeführt, die man in Deutschland beim Bürgeramt beantragen kann und deren Gültigkeit zehn Jahre beträgt. Auf der Website des Bundesinnenministeriums heißt es dazu: „Bitte beachten Sie, dass die eID-Karte mit Online-Ausweisfunktion für digitale Dienstleistungen bestimmt ist. Sie ersetzt nicht den anerkannten und gültigen ausländischen Pass oder Personalausweis für die Identifizierung, bspw. auf Reisen. Die eID-Karte kann daher in keinem Fall als hoheitliches Reisedokument verwendet werden.“
Ukraine: „Diia – der Staat und ich“
Auch in der derzeit umkämpften Ukraine gibt es eine mehr und mehr um sich greifende Zentral-App, die sich „Diia“ nennt – oder auf Deutsch: „der Staat und ich“. Das Projekt wurde im September 2019 vom ukrainischen Ministerium für digitale Transformation erstmals vorgestellt, im Februar 2020 gestartet. Premierminister Oleksiy Honcharuk erklärte damals laut Regierungsseite: „Die Diia-App ist der Beginn der Gestaltung ‚eines Staates im Smartphone‘. Davon haben wir geträumt: den Staat effektiv und fast unmerklich zu machen“, so der ukrainische Regierungschef. Digitalisierungsminister Mykhailo Fedorov dazu: „Für uns ist es ein Punkt, an dem es keine Rückkehr mehr zu den veralteten Prinzipien des Umgangs zwischen Staat und Bürgern und zu unnötiger Bürokratie gibt. Ich hoffe, dass Millionen der Ukrainer aktive Nutzer der Diia-App werden.“
Laut dem ukrainischen Digitalministerium umfasst die App 50 Dienste. Auf der Diia-Website sind als „populärste Dienste“ aufgeführt: die COVID-Impfbescheinigungen, die Steuerregistrierung, die Wohnsitzerklärung für Kinder, Wohnungsbaudarlehen für Binnenvertriebene, Geburtsmeldungen, Einkommensnachweise und Steuer und elektronische Signaturen für Dokumente.
Nach Angaben der französischen Seite „iphonesoft“ stehe „Diia“ ganz in der Logik der Digitalisierung und Zentralisierung und sei ein Modell, „das wir bisher nur in China mit dem berühmten Sozialkredit kannten“. Mittlerweile habe sich die Plattform kontinuierlich weiterentwickelt und vereine sowohl Personalausweis, Reisepass und Impfpass als auch Registrierungen, Versicherungen, Lizenzen, Sozialleistungen und mehr dergleichen.
Den ukrainischen Bürgern wurde sie damit angepriesen, dass sich mit „Diia“ vieles für sie vereinfacht: Verwaltungsverfahren, Steuerzahlungen oder die Zahlung von Bußgeldern, die Erneuerung ihrer Ausweispapiere, Vorgänge in Bezug auf ihre Sozialleistungen. Im Zusammenhang mit COVID-19 habe die Regierung bereits angekündigt, dass die Zahlung von Leistungen vom Vorhandensein eines Impfpasses abhängig gemacht werde. Anfang 2021 soll es demnach schon mehr als 4,5 Millionen aktive Nutzer in der Ukraine gegeben haben. „Iphonesoft“ zufolge habe sich die Ukraine noch bis vor Ausbruch des Krieges Ende Februar 2022 als Vorkämpfer der Digitalisierung ausgegeben.
Seit Ende 2019 soll es in Polen eine ähnliche App geben, mit der sieben Dokumente digital verwaltet werden können. Zudem soll diese App in bestimmten Situationen als digitaler Personalausweis fungieren, in denen ein echter Pass zur Identifikation gesetzlich nicht vorgeschrieben sei.
Auch in Estland sollen bereits 70 Prozent der Menschen digitale ID-Karten benutzen. Dort seien bereits 99 Prozent des öffentlichen Dienstes online verfügbar.
UK: „Grundstein der Wirtschaft der Zukunft“
Großbritanniens Regierung hatte im vergangenen Jahr bereits ein neues Office for Digital Identities and Attributes (ODIA) eingerichtet. In einem Vorwort zu einem entsprechenden Grundsatzpapier erklärte der im Februar 2021 noch zuständige Parlamentarische Staatssekretär für Tech und die digitale Wirtschaft, Matt Warman: „Gerade im digitalen Zeitalter wird es immer wichtiger, Vertrauen aufbauen zu können. Dies ist die Grundlage für florierende Märkte. Eine vereinbarte digitale Identität zu haben, die Sie einfach und universell verwenden können, wird der Grundstein für die Wirtschaft der Zukunft sein.“
In einer Pressemitteilung der Regierung am 10. März 2022 hieß es, dass das Office im Ministerium für Digitales, Kultur, Medien und Sport als „Übergangsinstanz für digitale Identitäten“ eingerichtet worden sei, um die „strengen Sicherheits- und Datenschutzstandards für digitale IDs zu überwachen“. Weiter heißt es, dass damit die Menschen in der Lage sein würden, „ihre Identität einfach und schnell mit digitalen Methoden nachzuweisen, anstatt sich auf traditionelle physische Dokumente verlassen zu müssen“.
Wer kontrolliert ODIA?
ODIA werde auch befugt sein, „zertifizierten Organisationen für digitale Identitäten ein leicht erkennbares Vertrauenssiegel zu erteilen“. Mit den digitalen Identitäten wolle man es Betrügern auch erschweren, „gestohlene Identitäten zu erlangen und zu verwenden“. Zugleich will die britische Regierung bestimmten Organisationen Zugriff auf vom Staat gespeicherte Personendaten ermöglichen.
Man beabsichtige, ein „rechtliches Tor“ zu schaffen, um „vertrauenswürdigen Organisationen die Durchführung von Verifizierungsprüfungen anhand offizieller Daten öffentlicher Stellen zu ermöglichen, um die Identität einer Person zu validieren“. Die britische Ministerin für Medien, Daten und digitale Infrastruktur, Julia Lopez, erklärte: „Diese Regierung setzt sich dafür ein, die Macht der Daten zum Nutzen der Menschen in ganz Großbritannien freizusetzen.“
Wer die Auswahl der „vertrauenswürdigen Organisationen“ vornimmt oder wer die Arbeit von ODIA letztlich kontrolliert – darüber wurde nichts mitgeteilt. Der Biometrie-Nachrichtenseite „Biomeric Update“ nach soll eine Liste der „vertrauenswürdigen Organisationen“ öffentlich zugänglich gemacht werden. Wer jedoch ODIA kontrolliert, da sei man sich unschlüssig. Es gebe Stimmen, die das Information Commissioner’s Office ( ICO ) priorisierten. Letztlich sei jedoch noch unklar, wer ODIA regulieren werde.
Die UNO und die weltweite Kontrolle der digitalen Identitäten
Die 17 Ziele der Vereinten Nationen zur Agenda 2030 eröffnen in ihrer Darstellung die Hoffnung auf eine bessere Welt, ohne Armut, Hunger, Unterdrückung und Ausgrenzung. Beispielsweise verspricht Ziel Nummer 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“. Darin würden im Kampf gegen „weltweite Tötungsdelikte, Gewalt gegen Kinder, Menschenhandel und sexuelle Gewalt“ und um „friedliche und integrative Gesellschaften“ aufzubauen, nicht nur transparentere, sondern auch effizientere Vorschriften benötigt. „Einer der ersten Schritte zum Schutz der individuellen Rechte ist die Umsetzung der weltweiten Geburtsregistrierung und die Schaffung unabhängigerer nationaler Menschenrechtsinstitutionen auf der ganzen Welt.“
Weiterführende Informationen kann der interessierte Leser jenseits der vereinfachten grafischen Darstellung auf der deutschen Seite des Regionalen Informationszentrums der Vereinten Nationen (UNRIC) aber nicht erwarten. Doch im Detail vermag Ziel Nummer 16 dann doch noch für Überraschungen zu sorgen, wie auf der entsprechenden Seite des Departments of Economic and Social Affairs der United Nations zu entdecken ist. Hier wird Ziel Nummer 16 in mehrere Unterziele aufgegliedert, wie etwa Beendigung von Ausbeutung, Menschenhandel und Gewalt gegen Kinder, Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Reduzierung von Korruption oder aber „Gewährleistung des öffentlichen Zugangs zu Informationen und Schutz der Grundfreiheiten im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung und internationalen Abkommen“.
Mit Unterziel 16.9 will die UNO beispielsweise bis 2030 „eine legale Identität für alle schaffen, einschließlich Geburtenregistrierung“. Vereinfacht ausgedrückt beinhaltet dieses Unterziel die Kontrolle über die digitalen Identitäten der Menschen weltweit.
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