Im Durchschnitt durchgefallen: Bildungsministerin muss Mathe-Abi mit Punktgeschenk unterstützen

In Mecklenburg-Vorpommern müssen nun die Zeugnisse neu geschrieben werden. Eine Schülerin hatte in einer Petition Prüfungsinhalte bemängelt und 2.000 Unterschriften gesammelt. Die Opposition übt Kritik an Bildungsministerin Oldenburg.
Verzerrt die Hochwertung des Abiturs in Mecklenburg-Vorpommern die bundesweite  Vergleichbarkeit? Diese Sorge hat der neue Präsident des Lehrerverbands, Stefan Düll.
Weil die Noten im Abi-Prüfungsfach Mathematik so schlecht ausfielen, hat Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg nun einen Bonuspunkt zur Aufwertung vergeben. Dafür erntet die Linken-Politikerin viel Kritik.Foto: Silas Stein/dpa
Von 4. Juli 2023

Weil in Mecklenburg-Vorpommern die Abiturprüfungen in Mathematik flächendeckend schlecht ausgefallen sind, lässt Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) nun die Noten um einen Punkt nach oben korrigieren. Für die Gymnasien bedeutet dies einen riesigen Arbeitsaufwand, berichtet der „Nordkurier“.

Noten um einen Punkt angehoben

„Die Ergebnisse der schriftlichen Prüfungen liegen auf einem Niveau, das nicht zufriedenstellend ist“, hieß es am Montag aus dem Bildungsministerium in Schwerin. Dies treffe sowohl auf die Leistungs- als auch auf die Grundkurse zu. Besonders katastrophal fielen die Resultate im Grundkurs mit WTR (wissenschaftlicher Taschenrechner) aus. Hier gab es einen Durchschnitt von 4,0 Notenpunkten, was der Note 4- entspricht und durchgefallen bedeutet.

Nach Beratungen mit der Vereinigung der Schulleiter an Gymnasien, dem Philologenverband, dem Landesschülerrat und dem Landeselternrat habe sich das Ministerium dazu entschlossen, die Noten um einen Punkt anzuheben, begründete Oldenburg die Entscheidung.

Viel Arbeit für die Gymnasien

Zwar dürften sich die Schüler über die Korrektur ihrer Noten freuen, doch für die Gymnasien bedeutet das nun viel Arbeit. Denn in einigen Schulen fanden bereits die Zeugnisübergaben statt. Viele Zeugnisse müssen nun noch einmal neu geschrieben und gedruckt werden.

In anderen Schulen gibt es die Reifeprüfungsnachweise in den kommenden Tagen. Unter Umständen müssen einzelne Schüler, die in Mathematik auf der Kippe stehen, noch in die mündliche Prüfung.   

Oldenburg hat auch schon einen Grund für die verheerenden Noten gefunden. Ihrer Ansicht nach sind es die Corona-Maßnahmen: „Der diesjährige Abiturjahrgang konnte in Folge der Schulschließungen nur in einem deutlich geringeren Umfang als der vorherige in Präsenz unterrichtet werden und ist damit die im Vergleich am wenigsten privilegierte Gruppe“, zitiert der „Nordkurier“ die Ministerin.

CDU: Ministerium hat zu langsam reagiert

Für die Opposition ist das eine nicht akzeptable Begründung. Torsten Renz, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, kritisierte, dass das Ministerium viel zu langsam reagiere.

Er erinnerte daran, dass Mecklenburg-Vorpommern die Abiturnoten vor zwei Jahren schon einmal anheben musste, seinerzeit gar um zwei Punkte. „Damals lautete die Begründung ,Corona‘. Dies ging aber wesentlich flotter vonstatten als in diesem Jahr“, so Renz.

Nun seien Abiturzeugnisse bereits gedruckt, teilweise in offiziellen Feierstunden bereits übergeben und möglicherweise an Universitäten oder Arbeitgeber übersandt worden. „Die Schulen scheinen also ohne jegliche Vorankündigungen vor vollendete und nicht vorab kommunizierte Tatsachen gestellt worden zu sein“, kritisierte Renz.

Seiner Ansicht nach hätte das Ministerium bereits in der vergangenen Woche reagieren können, als 96 Prozent der Ergebnisse vorlagen. Es sei zeitig absehbar gewesen, dass die Noten in Mathematik schlecht ausfielen.

Das Ministerium sei offenbar auch nicht in der Lage gewesen, die Schulen rechtzeitig auf die negative Entwicklung vorzubereiten. Die Gymnasien würden nun „von dem Bürokratieaufwand, vor dem sie jetzt stehen, regelrecht überfahren“.

Jetzt gelte es, die Originale und Kopien von Zeugnissen zurückzuholen, die Zeugnisse zu korrigieren und diese wieder in den Bewerbungsprozess einzutakten, erklärte Renz.

AfD: Systemschaden von Schule und Ausbildung

Massive Kritik am Bildungsministerium übte auch Enrico Schult, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Für ihn deutet alles auf einen „Systemschaden von Schule und Ausbildung“ hin. So hätten 20 Prozent aller Grundkursschüler im Mathe-Abitur null Notenpunkte erreicht.

Die langen Schulschließungen während der Pandemie als Ursache anzuführen, greife zu kurz. Dies gelte auch für den Verweis, die Bearbeitungszeit der Aufgaben habe nicht gereicht, obwohl die doch eigens um eine halbe Stunde verlängert war, sagte Schult. „Wenn behauptet wird, es gäbe nur ein Zeit-, aber kein Schwierigkeitsproblem, ist das der Beginn der nächsten kultusbürokratischen Lebenslüge.“

Kritik von Verbänden und aus der Wirtschaft

Eine Verzerrung bei der Vergleichbarkeit von Noten sieht der Deutsche Lehrerverband. Abweichungen in den Noten-Schnitten gebe es immer wieder. „Man darf nicht darauf verfallen, künftig alles mit Corona entschuldigen zu wollen“, sagte Lehrerverbandspräsident Stefan Düll gegenüber der „Bild“. Es sei bedenklich, „dass bald jedes Jahr ein Bundesland hier einknickt und beim Mathematik-Abitur nachträglich Noten hebt“. Düll leitet seit 2014 das Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß nahe Augsburg.

Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Bauindustrie (ZDB), Felix Pakleppa, warf der Politik ein falsches Spiel vor. „In der Schule kann man sich verrechnen, auf der Baustelle nicht. Da muss die Wand gerade stehen.“ Die Firmen in seiner Branche müssten „bei Lehrlingen immer öfter in Mathe und Deutsch nachschulen“. Pakleppa weiter: „Ein Fliesenleger beispielsweise muss den Boden berechnen können. Das muss in jedem Fall stimmen und darf nicht falsch sein.“

Die nachträgliche Notenkorrektur kritisierten zudem der Deutsche Philologenverband, der Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) und die Münchner Handwerkskammer.

Schülerin: Eine Aufgabe schwerer als in früheren Klausuren

Der Entscheidung Oldenburgs ging die Petition einer Schülerin aus Wismar voraus. Die 19-Jährige hatte diese im Bildungsministerium eingereicht, weil die Prüfung die im Unterricht vermittelten Kenntnisse übertroffen haben soll.

Acht Wochen nach der schriftlichen Prüfung zum Mathe-Abitur hatte sie die Petition im Ministerium eingereicht, berichtete der „Norddeutsche Rundfunk“ (NDR). 2.000 Unterschriften hatte sie gesammelt. Es hatten sich neben Schülern auch Eltern und Lehrer beteiligt. Der Landesschülerrat hatte die Aktion ebenfalls unterstützt.

Konkret kritisierte die Schülerin eine Prüfungsaufgabe im Grundkurs Mathematik. Diese sei „deutlich schwerer“ gewesen als in früheren Klausuren. Die 19-Jährige forderte Bildungsministerin Simone Oldenburg daher auf, die Ergebnisse der Matheprüfungen bis Anfang dieser Woche zu veröffentlichen.

Sollte der Durchschnitt in der Prüfung deutlich schlechter ausfallen als in Vorjahren, müsse die umstrittene Aufgabe aus der Wertung genommen oder den Abiturienten ein Punktezuschlag gewährt werden. Oldenburg hatte zuvor bereits Kritik an der Matheprüfung zurückgewiesen.



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