Influencer gegen Handwerk-Klischees

Tägliche Bilder von der Baustelle, Bewertungen von Werkzeug und Fragen über den Beruf – in den sozialen Medien werben Influencer für ihr Handwerk.
Influencer gegen Handwerk-Klischees
Influencer auf Instagram machen sich für Frauen im Handwerk stark. Symbolbild.Foto: iStock
Von 18. Oktober 2022


Julia Schäfer kommt aus einer Familie mit eigenem Maurerbetrieb. Nach ihrem Abitur wollte sie gerne Ingenieurwesen studieren. Ihre Mutter riet ihr jedoch zunächst zu einer Bürolehre. Heute arbeitet sie erfolgreich im Familienbetrieb und setzt sich und ihren Beruf als Influencerin auf Instagram in Szene.

Die Begründung ihrer Mutter zur Ausbildung war: „Mach‘ mal lieber eine Ausbildung, bevor es mit dem Studium nicht klappt. Dann stehst du mit 25 da und hast nichts“, erzählt Schäfer. Nach anderthalb Jahren merkte sie, dass sie mehr auf dem Bau war als im Büro. Schließlich machte sie ihre Maurerlehre und den Meister.

Was ist das Besondere an dem Beruf Maurer? „Dass man mit seinen Kollegen im Team arbeitet. Man erfährt da einen Zusammenhalt, den man sonst nie irgendwo mitbekommt. Und dass man mit Köpfle und Händle arbeitet“, sagt Schäfer.

In den sozialen Medien tritt sie auf, weil sie anderen Mädels zeigen möchte, „dass sie genauso auf dem Bau oder im Handwerk arbeiten können“. Sie möchte gerne die Klischees aufräumen, dass Frauen nicht in Handwerksberufe gehören und weniger schwer tragen können. Mädchen werde in Familien und von Eltern häufig noch von Handwerksberufen abgeraten.

„Zu Beginn der Ausbildung können Frauen und Männer gleich schwer tragen“, erzählt Schäfer. „Die Kraft kommt mit der Zeit“, sagt sie. Außerdem sei der technische Fortschritt groß und Geräte unterstützen die Arbeit auf dem Bau.

Influencer für Handwerksberufe

Ähnlich wie Schäfer stellt auch Luisa Hüttig ihren Handwerksberuf auf Instagram vor. „Was wisst ihr über den Beruf Steinmetz?“, fragt sie ihre Follower auf Instagram. Es folgt ein Video über die Inhalte der Ausbildung, das Gehalt und die Aufgaben von Steinmetzen.

„Das Schöne am Steinmetzsein ist die Vielfältigkeit, die wir tagtäglich im Beruf haben“, sagt Hüttig im SWR. Sie stellen Skulpturen her und können alte Burgen und Schlösser restaurieren. Ohne ihre Eltern hätte sie den Beruf wahrscheinlich nicht entdeckt, erzählt Hüttig. Sie arbeitet in fünfter Generation in dem Familienbetrieb. „Unser Beruf ist nicht so selbstverständlich, dass die jungen Leute den noch kennen.“ Das wollte sie durch Instagram ändern. „Die jungen Leute sollten unseren Beruf wieder kennenlernen“ und sie sollen wissen, dass es dieses Handwerk noch gebe, sagt sie.

In ihrer Öffentlichkeitsarbeit gehe es ihr generell ums Handwerk. „Mir persönlich geht es vor allem um die aussterbenden Berufe.“ Den Fachkräftemangel habe jedes Gewerk, glaubt sie. „Die jungen Leute kommen nicht mehr ins Handwerk und starren nur noch in ihr Handy rein. Also komme ich einfach zu denen.“

2022 wurde Hüttig zur „Miss Handwerk“ ernannt. Aaron Kukic wurde als Karosserie- und Fahrzeugbauer zum „Mister Handwerk“ ernannt. Er zeigt in Videos auf Instagram, wie Autos wieder instand gesetzt und Autoteile ersetzt werden.

Klischees auf dem Bau

Auch die Influencerin Sandra Hunke hat das Ziel, „gegen jegliche Klischees anzukämpfen und aufzuklären“. Sie schreibt auf Instagram, dass eines Tages ein kleines Mädchen im Supermarkt hinter ihr stand, als Hunke nach Feierabend in dreckiger Arbeitskleidung einkaufte. „Ich lächelte freundlich und wollte sie gerade ansprechen, als ihre Mutter sich zu dem Kind runterbeugte und sagte, sowas musst du dir nicht anschauen, solche Kleidung musst du nie tragen.“

Hunke glaubt, dass besonders Kindern beigebracht werden könne, dass sie „alles sein können“. Daher hat sie das Kinderbuch „Bella Baumädchen: Du kannst alles sein“ geschrieben.

Auf Instagram zeigt sie, dass Bauarbeiter nicht nur schmutzig, sondern auch elegant und modern sein können. Neben Videos von dem Bau einer Dusche, dem Bau einer Outdoorküche und Do-It-Yourself-Projekten (DIY-Projekte) setzt sie sich selber als Model in Szene.

Positive Reaktionen der Follower

Auf dem Kanal von Schäfer ist zu sehen, wie sie eine Kimmschicht bzw. Ausgleichsschicht für Kalksandsteine anlegt, wie sie schweißt und wie sie Maurerspeis mischt. Außerdem präsentiert sie Arbeitsutensilien und -kleidung. Zwischendrin zeigt sie private Bilder von sich und Bilder, wie sie auf dem Bau posiert.

Von ihren Followern gibt es durchweg positive Resonanz. „Tolle Bilder! Endlich Frauen im Handwerk“, kommentiert ein Leser. Manche finden ihre Arbeit bewundernswert. Auch andere Handwerker kommentieren unter ihren Bildern und es entsteht ein Gespräch über das Handwerk: „Handwerk ist immer eine gute Basis und bietet viel Entwicklungsmöglichkeiten. Ich bin Kälteanlagenbauermeister und hab immer den Neubau von Anlagen geliebt. Jetzt bin ich Fachkraft für Arbeitssicherheit und kümmere mich um die Sicherheit bei der Arbeit. Nicht immer gerne gesehen, aber trotzdem super wichtig.“

Männer als Influencer

In Medien und Fernsehen erhalten vor allem Frauen als Influencerinnen in Handwerksberufen Beachtung. Dabei treten auch zahlreiche Männer als Influencer auf.

Felix Schröder setzt sich auf Instagram als Gipser und Stuckateur für die Berufsausbildung ein, schreibt, dass das Studium die Ausbildung verdrängt und der Fachkräftemangel sich weiter zuspitzt. In vielen Videos setzt er mit Wissen und Witz seinen Beruf in Szene.

Florian Wilhelmy zeigt als Zimmermeister sowie Dach- und Holzbauprofi einige Bilder von seinen Baustellen, präsentiert Werkzeug und stellt die Arbeit seiner Holzbaufirma vor.

Genaue Anleitungen sind bei dem Trockenbauer Dirk Hobein zu sehen. In Videos auf Instagram und YouTube erklärt er, wie er bei seinen Arbeiten vorgeht. Seine Anleitungen erstellt er vor allem auf Anfrage seiner Follower.

Insolvenzwelle für Handwerksberufe

Handwerksberufe sind nicht nur von einer Insolvenzwelle bedroht, vor welcher Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer gewarnt und die Bundesregierung zur sofortigen Hilfe für die Betriebe aufgerufen hat. Auch fehlen Arbeiter und Auszubildende in Handwerksberufen.

Schäfer ist sich jedoch sicher, dass das Handwerk einen goldenen Boden hat. „Handwerker werden irgendwann mehr verdienen als irgendwelche Studierte“, meint sie.

Sie hält es für wichtig, erst eine Handwerkslehre zu machen, um die Thematik auf dem Bau zu verstehen. Dann könne man ein Studium, den Meister oder Weiterbildungen anschließen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 66, vom 15. Oktober 2022.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion