Jugendliche unter Daueralarm

Studie: Gewohnheitsmäßiger Zugriff auf soziale Medien kann die Gehirnentwicklung von Jugendlichen beeinträchtigen.
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und Ängsten zu kämpfen haben.Foto: iStock
Von 13. Januar 2023

Die gewohnheitsmäßige Nutzung sozialer Medien könnte die neuronale Entwicklung im Gehirn von Jugendlichen dahingehend beeinflussen, dass sie gegenüber sozialem Feedback der realen Welt überempfindsam reagieren, so eine Studie der University of North Carolina at Chapel Hill.

Die Anfang Januar in der Fachzeitschrift „JAMA Pediatrics“ veröffentlichte Studie untersucht die langfristigen Auswirkungen auf Jugendliche, wenn diese häufig in den sozialen Medien surfen.

Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass 78 Prozent der 13- bis 17-Jährigen ihre Geräte stündlich überprüften. Fast jeder zweite (46 Prozent) gab an, dies sogar „fast ständig“ zu tun. Das mache Jugendliche besonders anfällig für süchtiges Scrollen.

Die aktuelle Studie, die sich auf Magnetresonanztomographie und Selbstauskünfte stützt, hat bei 178 Teilnehmern im Alter von 12-13 Jahren an drei öffentlichen Schulen in North Carolina die Nutzung sozialer Medien über zwei Jahre hinweg begleitet.

Dabei wurde die Nutzung der Jugendlichen von Facebook, Instagram und Snapchat untersucht und ausgewertet.

„Innerhalb einer Generation haben die sozialen Medien das Umfeld der heranwachsenden Jugendlichen dramatisch verändert, da sie rund um die Uhr beispiellose Möglichkeiten für soziale Interaktionen bieten“, heißt es in der Studie. „Soziale Medien bieten Jugendlichen einen konstanten und unvorhersehbaren Strom an sozialem Austausch. Und das in einer kritischen Entwicklungsphase, in der das Gehirn besonders sensibel auf soziale Belohnungen und Bestrafungen reagiert.“

Die sofortige Verfügbarkeit und die unmittelbare Anerkennung sollen die Aufmerksamkeit der Nutzer fesseln, so die Studie.

„Likes, Benachrichtigungen und Nachrichten erreichen [die Jugendlichen] auf unvorhersehbare Weise und im Rahmen eines maximal starken, variablen Belohnungsplans. Dies bringt die Menschen dazu, in Erwartung dieses sozialen Feedbacks gewohnheitsmäßig die sozialen Medien zu besuchen“, heißt es in der Studie.

„[Dieses Verhalten] könnte die neuronale Reaktion der Jugendlichen noch verstärken“, so die Studie weiter, „darüber hinaus kann die stimulierende Bedeutung sozialer Kontexte die Fähigkeit der Jugendlichen zur kognitiven Kontrolle und damit zur Verhaltensregulierung untergraben.“

Als Folge davon, so die Studie, kann die ständige Interaktion innerhalb des Social-Media-Belohnungssystems „die neuronale Reaktionsbereitschaft auf belohnungsbezogene Hinweise erhöhen“, was die Fähigkeit der Jugendlichen verringert, „dem Drang zu widerstehen, soziale Medien zu checken“.

Absichtsvolle Sucht

Im Jahr 2018 berichtete die BBC über zwei Insider aus dem Silicon Valley, die den Umgang mit sozialen Medien mit Drogen- und Spielsucht verglichen.

„Es ist, als ob sie eine Art Verhaltenskokain nehmen und es über die gesamte Benutzeroberfläche streuen, und das lässt einen immer wieder zurückkommen“, sagte Aza Raskin, ehemaliger Leiter der Abteilung für Benutzerfreundlichkeit bei Mozilla Labs und leitender Designer für Firefox, gegenüber der BBC. „Hinter jeder Benutzeroberfläche deines Handys stecken in der Regel buchstäblich tausend Ingenieure, die daran gearbeitet haben, um es so süchtig machend wie möglich zu gestalten.“

Laut BBC hat Raskin die Funktion des endlosen Scrollens entwickelt, die ein kontinuierliches Wischen nach unten durch den Inhalt ermöglicht, ohne zu klicken – eine Innovation, die die Nutzer länger als geplant auf ihr Handy schauen lässt.

„Wenn man dem Gehirn keine Zeit gibt, um die Impulse zu verarbeiten“, so Raskin, „scrollt man einfach weiter.“

Ein anderer ehemaliger Angestellter verglich die Nutzung sozialer Medien mit der Benutzung eines Spielautomaten.

Sandy Parakilas sagte der BBC, als er [mit dem Scrollen] aufhören wollte, sei es so gewesen, als würde er „mit Zigaretten aufhören“, ein Risiko, das seiner Meinung nach auch andere erkannt hätten, was zu einem Geschäftsmodell führte, das darauf ausgelegt sei, „möglichst viel Zeit aus deinem Leben zu saugen und diese Aufmerksamkeit dann an Werbekunden zu verkaufen“.

Leah Pearlman, Miterfinderin des „Like“-Buttons von Facebook, sagte der BBC, sie sei geradezu süchtig nach Facebook geworden, nachdem sie ihr Selbstwertgefühl daran festgemacht hatte, wie viele „Likes“ sie in der Welt der sozialen Medien erhielt.

Pearlman sagte, dass sie die sozialen Medien aufsuchte, wenn sie Bestätigung brauchte und sich einsam und unsicher fühlte.

„Plötzlich wurde mir klar, dass ich auch irgendwie süchtig nach dem Feedback bin“, gibt Pearlman zu.

Wie aus der Studie hervorgeht, hat in den letzten zehn Jahren die Nutzung sozialer Medien durch Jugendliche zugenommen.

„Weitere Forschungsarbeiten zur Untersuchung langfristiger Zusammenhänge zwischen der Nutzung sozialer Medien, der neuronalen Entwicklung von Jugendlichen und deren psychologischen Anpassung sind erforderlich, um die Auswirkungen eines allgegenwärtigen Einflusses [der sozialen Medien] auf die Entwicklung der heutigen Jugendlichen zu verstehen“, heißt es in der Studie.



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