Katholische Kirche: Hauen und Stechen in Synodalversammlung

Mit einer knappen Sperrminorität haben 21 deutsche katholische Bischöfe einen Text in der Synodalversammlung zu Fall gebracht, der mit traditionellen Lehren zur Sexualmoral gebrochen hätte. Der DBK-Vorsitzende Bätzing will ihn dennoch in die Weltsynode einbringen.
Die Synodalversammlung der katholischen Kirche lehnte einen Grundtext zur Sexualmoral ab.
Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.Foto: Thomas Lohnes/Getty Images
Von 10. September 2022

Mit einem Paukenschlag begann am Donnerstag (8. 9.) die Versammlung des sogenannten Synodalen Weges in Deutschlands katholischer Kirche in Frankfurt am Main. Ein vom „Synodalforum IV“ eingebrachter Grundtext mit dem Titel „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ fand in der 196-köpfigen Synodalversammlung eine Mehrheit von fast 83 Prozent der Stimmen. Dennoch scheiterte er, weil 21 von 57 Bischöfen das Dokument ablehnten und so die für einen Beschluss erforderliche doppelte Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kam.

Vatikan hatte den Synodalen Weg erst im Juli zurückgepfiffen

Für die Initiatoren des Synodalen Weges brach in diesem Moment eine Welt zusammen. Das Gesprächsformat war 2019 vom „Zentralkomitee deutscher Katholiken“ (ZdK) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) initiiert worden, um sich der „Aufarbeitung von Fragen“ zu widmen, die sich nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie ergeben hätten. So solle die „Vertrauenskrise“ überwunden werden, in der sich die Kirche seit Bekanntwerden der dort erörterten Missbrauchsfälle befunden habe.

Als gänzlich ergebnisoffen war dieser „Dialogprozess“ von vornherein nicht konzipiert. So machten die Initiatoren von Beginn an deutlich, dass nur tiefgreifende Veränderungen in der katholischen Sexualmoral, bezüglich der Rolle der Frau in der Kirche, beim „Umgang mit Macht“ und mit Blick auf den seit dem 13. Jahrhundert für alle katholischen Priester weltweit geltenden Zölibat am Ende des Synodalen Weges stehen sollten.

Dass der Vatikan selbst mit zunehmendem Argwohn auf den Eifer der deutschen Synodalen reagierte und diese im vergangenen Juli in einer Erklärung zurückpfiff, in der ihnen untersagt wurde, „neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden“, ließ diese unbeeindruckt.

Der Synodale Weg, so betonte der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing, sei kein „deutscher Sonderweg“. Vielmehr sah sich die Spitze des deutschen Katholizismus als Vorreiter eines aus seiner Sicht unausweichlichen „Reformprozesses“, dem sich früher oder später auch Rom nicht mehr verschließen könne.

Sexualmoral neu erfunden

Der am Donnerstag gescheiterte Grundtext zur Sexualmoral hätte im Kern über Jahrhunderte gefestigte Lehren der Katholischen Kirche, wie sie auch der gültige Weltkatechismus bestätigt hatte, für obsolet erklärt.

Unter dem Banner der Bitte um Vergebung bei „Menschen, die unter den Auswirkungen kirchlicher Sexuallehre gelitten haben“, wird einer „normorientierten“ und an Vorstellungen von „Sündhaftigkeit“ orientierten Betrachtung menschlicher Sexualität eine Absage erteilt. Stattdessen solle die Vermeidung von Diskriminierung im Vordergrund aller Überlegungen im Kontext dieses Themas stehen.

So heißt es im Grundtext unter anderem: „Die Anerkennung der Gleichwertigkeit und Legitimität nicht-heterosexueller Orientierungen, deren Praktiken und Beziehung, sowie im Zusammenhang die Beseitigung von Diskriminierung, die auf sexueller Orientierung basiert, ist dringend geboten.“

Zudem habe die Kirche das „individuelle Selbstverständnis der geschlechtlichen Identität jedes Menschen als unantastbaren Teil seiner je einzigartigen Gottesebenbildlichkeit (Jes 43,7) zu respektieren“.

In Summe wird die monogame, heterosexuelle sakramentale Ehe zwischen Mann und Frau, die auf die Zeugung von Kindern ausgerichtet ist, nur noch als eine Möglichkeit angesehen, Verantwortung füreinander zu übernehmen – der mannigfaltige andere in gleichwertiger Weise gegenüberstünden. Auch solle die Beachtung der kirchlichen Lehre zur Sexualmoral nicht länger ein Kriterium bei der Begründung oder Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses sein.

Turbulente Szenen in der Synodalversammlung

Die Verkündung des Abstimmungsergebnisses hatte zu teils heftigen Redaktionen geführt, einige Teilnehmer verlangten eine erneute, offene Abstimmung über den Text, damit die „Menschenfeinde“, die dagegen gestimmt hatten, Farbe bekennen müssten.

In den Redebeiträgen hatten sich im Vorfeld lediglich Bischof Stefan Oster von Passau, Weihbischof Dominikus Schwaderlapp von Köln und – zumindest in Teilen – Bischof Gebhard Fürst von Rottenburg-Stuttgart kritisch zu dem Text geäußert. Schwaderlapp erklärte, ein „Ja“ zu dem Text wäre aus seiner Sicht „eine Zustimmung nicht zu einer Fortentwicklung der Lehre der Kirche, sondern zu einem Bruch mit derselben“ gewesen.

Später bekannten sich auch die Kölner Weihbischöfe Rolf Steinhäuser und Ansgar Puff dazu, die Vorlage abgelehnt zu haben. Steinhäuser erklärte, er habe „genau vor dieser Situation hier […] seit Monaten Angst“. Er empfinde „einen solchen Druck, [sich] in einem solchen Kreis zu positionieren, mit einer Meinung, die vielleicht nicht immer bis ganz zu Ende gedacht ist, die vielleicht nicht immer auf dem letzten theologischen oder philosophischen Stand ist“. Der Appell, eine Initiative nicht scheitern zu lassen, ersetze jedoch keine Argumentation.

Bischof Bätzing sprach von einer „krisenhaften Situation für die Synodalität“. Es sei „eine riesige Enttäuschung im Raum […] spürbar und sie hat Menschen auch schon dazu gebracht, dass sie nicht mehr hier sein können“. Er sei auch „persönlich enttäuscht über das Ergebnis dieser Abstimmung“, die aber doch den Statuten gemäß und damit gültig zustande gekommen sei. Vor allem habe ihn getroffen, dass „ich in der Debatte jetzt zum Schluss nicht erkennen konnte, wie die Mehrheiten sein würden“.

„Neuer Weg“: 900.000 Gottesdienstbesucher kommen auf 800.000 Gehaltsempfänger

Die Co-Vorsitzende des Synodalen Weges und ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp, die wenig später in Tränen ausbrach, bedauerte es „zutiefst, dass Bischöfe in dieser Versammlung sind, die große Verantwortung tragen – das tragen Sie auch jetzt – mit der Entscheidung, dass sie nicht bereit sind, ihre Meinung [nicht zu sagen] – Einzelne haben das getan, das respektiere ich sehr“. Aber das seien „mehr Stimmen, als ins Wort gefasst wurden, und es betrübt mich“.

Sollte sich das gleiche Szenario bei der geplanten Abstimmung über den Grundtext über die Rolle der Frau in der Kirche wiederholen, dann „stehen wir vor einem Scherbenhaufen dessen, was wir uns vorgenommen haben“.

Ungeachtet des Scheiterns der Textvorlage hat Bischof Bätzing am Freitagmorgen angekündigt, er werde den Grundtext trotzdem in die mehrjährige Weltsynode einbringen, die noch bis Herbst 2023 andauern soll. Außerdem solle er auch weiteren Gremien wie der DBK-Vollversammlung in Fulda oder kontinentalen Bischofskonferenzen vorgelegt werden.

Genugtuung über das Abstimmungsergebnis herrscht demgegenüber bei der Initiative „Neuer Anfang“. Diese hatte den Synodalen Weg als Ausdruck eines Systemerhalts einer „Kirche der Funktionäre und Bürokratien, die über Jahrzehnte ihr Versagen unter Beweis gestellt hat“ beurteilt und erklärt: „Wenn bei 22 Millionen Mitgliedern nur noch 900.000 zum Gottesdienst gehen, während 800.000 Leute auf der Lohnliste dieser Kirche stehen, läuft lange schon etwas schief – auch ohne Missbrauchskrise.“

Diese werde vom Synodalen Weg „instrumentalisiert“, um einen „soziologischen Kirchenputsch“ zu betreiben.



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