Keine Angst vorm Anschieben – Zahl der Oldtimer steigt – Mehr Hobby als Wertanlage
Es muss nicht immer Hightech sein: Auf Deutschlands Straßen sind erneut mehr Oldtimer unterwegs. Am 1. Januar 2020 waren nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in Flensburg 595.046 Oldtimer zugelassen.
Das sind 10,9 Prozent mehr als zum Stichtag 2019. Den mit Abstand größten Anteil bildeten mit 88,4 Prozent die Pkw (526.002). 52.399 der Fahrzeuge waren 60 Jahre und älter. Am 1. Januar 2019 hatten 43.000 Oldtimer 60 Jahre oder mehr auf dem Buckel.
Mögliche Gründe für den seit Jahren zu verzeichnenden Anstieg sind nach Angaben des KBA, dass die Alltagsautos der 1970er und 1980er Jahre, wie zum Beispiel der Golf 1, Opel Kadett, Mercedes 180er und 220er, in großer Stückzahl gebaut wurden und aufgrund ihres guten Erhaltungszustands über ein „Oldtimer-Gutachten“ verfügen. Des Weiteren dürfen Fahrzeuge mit einem H-Kennzeichen in Umweltzonen fahren.
Das „H“-Kennzeichen
Ein „H“ am Ende des Kfz-Kennzeichens dürfen Gefährte führen, die als „historisches Kulturgut“ gelten und mindestens 30 Jahre alt sind. Damit ein Fahrzeug die 30-Jahre-Marke erreicht und – wie es die Anforderungen des H-Kennzeichens verlangen – einen guten und originalen Erhaltungszustand aufweist, bedarf es frühzeitig guter Pflege und Wartung. Für den Halter kann das H-Kennzeichen Vorteile bei Versicherung und Kfz-Steuer haben.
Schöne Formen und genial einfache Mechanik
Claus Mirbach beschäftigt sich seit den 1950er Jahren mit Oldtimern, betreibt in Hamburg einen Oldtimer-Handel und organisiert auch Rallyes. Für ihn und seine Frau Britta sind es die „wunderschönen historischen Formen, die einfache Mechanik, die schönen Veranstaltungen in diesem Bereich“, die sie an den alten Gefährten faszinieren.
Ihrer Erfahrung nach gibt es mehrere Kriterien, die einen Oldtimer zum nachgefragten Objekt machen: Ist es eine Rarität, stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis? Aber auch, was man selbst aus der eigenen Jugend oder dem Familienumfeld kenne, spiele eine Rolle. Und „Käfer, Ente und Co. gehen immer“, sagt Claus Mirbach.
Weniger Wertanlage als vielmehr Hobby
Einen Oldtimer als reine Wertanlage zu kaufen, lohnt sich nach Angaben der Mirbachs nicht. „Ein historisches Automobil ist immer ein Hobby, genau wie ein Pferd oder ein Boot“, sagt der Oldtimerhändler. Der Wertzuwachs sei immer vom Einzelobjekt abhängig, vom Zustand, der Historie, der Seltenheit. Er weist auch auf die mit einem Fahrzeug verbundenen Kosten, beispielsweise für Werkstatt, Versicherung, Unterstellung und Ersatzteile hin. Und man müsse seinen Oldtimer auch fahren: „Die übelsten Schäden kommen immer, wenn der Wagen nur steht.“ Wenn man dies alles bedenke, den Wagen immer fahre und regelmäßig warte, dann werde man sein Geld wieder erlösen, oder mit Glück, wie an der Börse, auch mal deutlich mehr bekommen. Aber: „Für wen die „Rendite“ im Vordergrund steht, sollte die Hände von diesen Objekten lassen.“
Auch Fritz Cirener, der beim Verband der Automobilindustrie (VDA) das Thema historische Fahrzeuge verantwortet, sagt, in einigen Fällen könne es zwar so wirken, als sei ein Oldtimer eine gute Wertanlage. „Eine Blendung durch Versteigerungserlöse besonderer Klassiker ist häufig der Fall. Wenn Sie Stand-, Betriebskosten und Inflation einrechnen, ist Ernüchterung angesagt, weil die vermeintliche Wertsteigerung hierin oft verpufft.“ Generell habe sich der Trend bei der Wertentwicklung deutlich verlangsamt.
Männerhobby
Nach der Oldtimer-Studie 2017/18 des Instituts für Demoskopie Allensbach in Zusammenarbeit mit dem VDA ist der durchschnittliche Oldtimerbesitzer männlich (90,4 Prozent) und 54,7 Jahre alt. Er besitzt 1,6 Oldtimer, mit denen er im Jahr 1740 km fährt. Mehr als 20 Prozent sind demnach in einem Oldtimerclub organisiert. Die Studie 19/20 ist nach Angaben Cireners aufgrund der Corona-Situation noch nicht erschienen.
Auch mal anschieben
Etwas weniger statistisch fasst Britta Mirbach zusammen, was einen typischen Liebhaber von Oldtimern ausmacht: „Er hat den „bazillus veteranicus“ und lebt mit und für seine Schätze.“ Und ganz wichtig: „Man muss Spaß am langsamen Fortbewegen haben und mit Schwierigkeiten umgehen können.“ Denn man bleibt auch schon mal liegen. „Also: wer sich schämt, seinen 80 Jahre alten Fiat Balilla nach dem Eisessen vorm voll besetzten Eiscafé anschieben zu müssen, der sollte es lassen“, sagt die Oldtimer-Enthusiastin. (dpa)
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