Kinderarmut in Deutschland bleibt ein ungelöstes Problem

Fast drei Millionen Kinder und Jugendliche waren laut der Bertelsmann Stiftung 2021 bundesweit von Armut bedroht. Ins Auge fallen dabei erhebliche regionale Unterschiede.
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Die Kinderarmut ist in Deutschland so hoch wie seit fünf Jahren nicht mehr.Foto: iStocks/Ralf Geithe
Von 26. Januar 2023

Die Kinderarmut ist in Deutschland das erste Mal seit fünf Jahren deutlich angewachsen. Mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland sind einer Studienanalyse der Bertelsmann Stiftung zufolge armutsgefährdet. Betroffen sind vor allem Jungen und Mädchen in alleinerziehenden Familien oder in Familien mit drei oder mehr Kindern.

Demnach bleibe Kinder- und Jugendarmut ein ungelöstes Problem, berichtet die „Deutsche Presse-Agentur“ (dpa). Auch gebe es erhebliche regionale Unterschiede: Am höchsten falle die Armutsgefährdungsquote in Bremen aus, am niedrigsten in Bayern. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liege etwa im Mittelfeld.

Gruppe der 18- bis 25-Jährigen am stärksten betroffen

Knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche – das entspricht einem Anteil von 20,8 Prozent – waren laut Stiftung 2021 bundesweit von Armut bedroht. In der Gruppe der jungen Erwachsenen zwischen 18 bis 25 Jahren waren 1,55 Millionen Personen (25,5 Prozent) betroffen. Diese Altersgruppe weist laut Analyse somit das höchste Armutsrisiko auf.

Frauen sind stärker betroffen als Männer, junge Menschen in Ostdeutschland häufiger als in Westdeutschland. Die hohe Armutsbetroffenheit junger Erwachsener weise darauf hin, „dass die verschiedenen Systeme nicht gut zusammenwirken“, mahnt Anette Stein, Direktorin für Bildung und „Next Generation“ der Stiftung. „Ohne Unterstützung durch ihre Eltern wäre es vielen nicht möglich, ihre Existenz zu sichern. Damit hängen die Chancen junger Menschen weiterhin zu stark vom Elternhaus ab“, sagt sie.

Aktuelle Krisen verschärfen Probleme

Die aktuellen Krisen und Preissteigerungen verschärften das Problem noch. Armut bedeute Mangel, Verzicht, Scham und auch schlechtere Zukunftschancen. Als armutsgefährdet gelten Kinder und Jugendliche in Familien mit einem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens in Deutschland. Das lag 2020 bei rund 3.612 Euro netto.

Viele dieser jungen Menschen benötigten staatliche Hilfen, um über die Runden zu kommen. Die vom Bund angekündigte Kindergrundsicherung müsse schnell kommen, fordert die Stiftung. Die Ampelkoalition strebt eine Einführung 2025 an. Staatliche Leistungen für Kinder – Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen für Kinder im Bürgergeldbezug, Zuschüsse für Schul- und Freizeitaktivitäten oder steuerliche Kinderfreibeträge – sollen darin zusammengefasst und unbürokratisch ausgezahlt werden.

Kindergeld vermeidet keine Armut

Die Kindergrundsicherung müsse laut Stein so gestaltet sein, dass sie Armut vermeidet. Zudem sollte sie sich an den täglichen Bedürfnissen im Hinblick auf gutes Aufwachsen, Bildung und Teilhabe orientieren. Ziel sollte es sein, den Betroffenen eine „weitgehend normale Kindheit und Jugend zu ermöglichen“, heißt es in der Analyse weiter.

Dazu sei auch erforderlich, junge Menschen zu beteiligen und sie regelmäßig zu ihren Bedürfnissen zu befragen. An der Stellschraube Kindergeld zu drehen, helfe hingegen nicht weiter, im Gegenteil: „Eine Erhöhung des Kindergeldes ist teuer, vermeidet aber keine Armut, denn es kommt bei Familien im SGB-II-Bezug nicht an. Die Kindergrundsicherung muss die Verteilung mit der Gießkanne beenden und gezielt denjenigen helfen, die besonders darauf angewiesen sind“, betont Stein.

Grundsicherung für fast zwei Millionen unter 18

Die Studienautoren hatten zudem auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit den Bezug von SGB-II-Leistungen in den Blick genommen. Unter den von Armut bedrohten Kindern und Jugendlichen erhielten danach im Sommer 2022 rund 1,9 Millionen junge Menschen unter 18 Jahren Grundsicherung nach Sozialgesetzbuch (SGB) II – eine deutschlandweite Quote von 13,9 Prozent.

Bei jungen Erwachsenen bis 24 Jahren waren es „nur“ rund 432.000 Personen (7,1 Prozent). Hier sind aber laut Stiftung andere Unterstützungen wie BAföG, Wohngeld oder Ausbildungsbeihilfen unberücksichtigt.

Zahlen im Ruhrgebiet über Durchschnitt

Die örtliche Spannbreite beim SGB II-Bezug lag zwischen 2,7 Prozent im bayerischen Roth und 41,7 Prozent in Gelsenkirchen (Nordrhein-Westfalen) bei den unter 18-Jährigen. Klar über Durchschnitt fiel die Armutsquote auch in anderen Ruhrgebietsstädten wie Essen, Dortmund, Hagen, Herne oder Duisburg mit rund 30 Prozent bei Kindern und Jugendlichen aus.

Die Zahlen seien insgesamt erstmals seit fünf Jahren deshalb deutlich gestiegen, weil aus der Ukraine geflüchtete Minderjährige hinzukamen. Diese hätten gemäß der UN-Kinderrechtskonvention allerdings einen ebenso großen Anspruch auf gutes Aufwachsen und Teilhabe an der Gesellschaft.



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