Kindheitsforscher: „Wir haben eine ganze Generation erstickt“

Antriebslosigkeit, Erschöpfung, psychische Belastungen. Der Druck auf Jugendliche und junge Erwachsene in der Altersgruppe 14 bis 29 Jahren ist groß. Das geht aus einer Studie hervor. Der österreichische Kindheitsforscher Michael Hüter sieht darin ein „Alarmsignal“. Er fordert, die Jugend endlich wieder in den Fokus der Gesellschaft zu rücken.
Titelbild
Der Kindheitsforscher, Historiker und Autor Michael Hüter.Foto: privat
Von 25. Mai 2022


Aus einer im Mai veröffentlichten „Trendstudie Sommer 2022 – Deutschlands Jugend im Dauerkrisen-Modus“ geht hervor, dass 473 von 1.021 Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahre angeben, dass sich ihr Leben durch die Corona-Krise verschlechtert hat. Epoch Times sprach mit dem Historiker, Kindheitsforscher und Autor Michael Hüter über diese Studie. Bereits in seinem 2018 erschienenen Bestseller „Kindheit 6.7 – ein Manifest“ warnte er, dass die Kinder in der heutigen Gesellschaft nicht „artgerecht“ aufwachsen. Nun sind – wie er sagt – seine schlimmsten Befürchtungen wahrgeworden. Nach seiner Auffassung wurde Kindern und Jugendlichen in der sogenannten Coronakrise alles genommen, was das Leben lebenswert macht. Obwohl diese Altersgruppe nur in äußerst seltenen Fällen schwer an COVID erkranken, wurden sie getestet, geimpft und zum Tragen von Masken verpflichtet.

Herr Hüter, wie ist die Studie einzuordnen?

Ich glaube, man muss die Studie im Ganzen sehen. Wie repräsentativ die Studie auch mit 1.000 Personen in der Auswertung sein mag, jede Studie sollte man mit Vorbehalt betrachten.

Während des Lockdowns waren die Jugendlichen verstärkt im Homeschooling – auch wenn man das nicht wirklich so benennen kann. Das war eine extreme Belastungssituation; verständlicherweise waren viele Familien damit überfordert.

Insoweit finde ich es interessant, dass Jugendliche in der Studie angegeben haben, dass sie in ihrem zukünftigen Beruf kein Interesse am Homeoffice haben. Das ist ein klares Signal, welche die Enttäuschung der jungen Menschen aus dem Lockdown zeigt. Für die Zukunft ziehen sie ein analoges Arbeiten und eine Arbeit außer Haus vor.

Bemerkenswert finde ich auch, dass bei den Werten, die den Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren einen Sinn geben, die Familie mit 63 Prozent deutlich den ersten Platz belegt und überhaupt das Gesellschaftliche, auch Freundschaften, stehen im Vordergrund. Das sehe ich als Kindheitsforscher durchaus positiv.

Es gibt hier das Bedürfnis und ganz stark die Sehnsucht, den traditionellen Beziehungen mehr Bedeutung zu geben. Das ist deutlich mehr als ich erwartet habe. Die Sehnsucht nach Geborgenheit, der Schutz in intimen Gemeinschaften, Freundschaften, Familien hat einen sehr, sehr hohen Wert bei den Heranwachsenden.

Was ist Ihnen noch aufgefallen?

Allgemein stellt sich bei Studien nicht nur die Frage, wie man die Zahlen auswertet, sondern auch: Was fragt man nicht? Bei der vorliegenden Studie gibt es ein paar tendenzielle Punkte, die mich irritiert haben. Für mich hat die Interpretation der Studienautoren bei der Auswertung einen fraglichen Beigeschmack.

Beispielsweise gibt es auffallend wenig Lust bei den jungen Menschen, wenn es darum geht, dass sie oder Deutschland sich am Krieg mit der Ukraine beteiligen müssen. Kaum jemand will eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Auch Sanktionen werden in einem wesentlich höheren Ausmaß abgelehnt, als ich gedacht habe.

Von den Autoren heißt es: „Nach unserer Einschätzung sind die Angehörigen der jungen Generation stark pazifistisch geprägt und nicht im Geringsten auf kriegerische Auseinandersetzungen in Europa vorbereitet. Sie agieren deswegen in allen damit verbundenen Fragen unsicher und zurückhaltend.“

Das wird schon fast beklagt! Wir können doch froh darüber sein, dass wir eine Jugend haben, die plump gesagt „Null Bock auf Krieg“ hat. Das ist doch nicht schlimm.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass es in den letzten Jahrhunderten nie irgendeinen Gewinner in einem Krieg gegeben hat; schon gar nicht bei denen, die an der Front standen. Ein paar wenige sind reich geworden und die Waffenindustrie profitiert davon, aber sonst gibt es in einem Krieg nichts zu gewinnen.

Auch im Zweiten Weltkrieg war es nach der Kriegserschöpfung infolge des Ersten Weltkriegs nur durch jahrelange massive Propaganda und Konstruieren von Feindbildern möglich, Soldaten noch einmal in den Krieg zu bewegen. Wie fatal der ausgegangen ist, wissen wir alle.

Es erschreckt und erschüttert mich, dass Deutschland jetzt wieder die Kriegstrommeln in einem Maße trommelt wie keine andere Nation in Europa. Deutschland hat in der Vergangenheit bereits zweimal gemeint, gegen Russland Krieg führen zu wollen und dabei äußerst negative Erfahrungen gemacht.

Was haben Sie noch bemerkt?

Dort ist eine scheinbar hohe Durchimpfungsrate der jungen Menschen von 14 bis 29 Jahren vermerkt. Demnach liegt die Grundimmunisierung bei 84 Prozent. Ich nehme an, damit sind zwei Impfungen gemeint. Das wird in der Studie wörtlich als hohe „Impfbereitschaft“ positiv vermerkt. Ich halte das an der ganzen Studie eigentlich als das Unfassbarste. In Wahrheit ist eine ganze Generation im Grunde genommen zur Impfung genötigt worden.

Ich habe vor einem halben/dreiviertel Jahr mit einer Studentin, einer deutschen jungen Autorin gesprochen. Obwohl es keine Impfpflicht gab, hat sie nicht einmal ein Zimmer in einer Studenten-WG gefunden, weil sie keinen Impfnachweis hatte.

Im letzten Winter war es in Deutschland schon so, dass man ohne Impfung an sehr vielen Universitäten nicht studieren konnte. Was will ein junger Mensch? Der will irgendwie Geld verdienen, der will einen Job. Diese Türen haben wir alle verschlossen. Das geht jetzt nur mit Impfung.

Wenn eine ganze Generation ungerechtfertigterweise zu dieser Impfung genötigt wurde, kann man das wirklich nicht als hohe „Impfbereitschaft“ sehen. Das erschüttert mich zutiefst.

Nach wie vor wird ausgeblendet, dass wir seit einem halben Jahr faktisch eine Übersterblichkeit in Deutschland und Österreich haben, vor allem in der weitgehend gesunden Altersgruppe der bis 30-Jährigen – aber nicht wegen Corona. Entweder bringen sich jetzt deutlich mehr junge Menschen um, was einen extremen Anstieg der Suizidraten bedeutet, aber nach den mir vorliegenden Zahlen geschieht das nicht in diesem hohen Ausmaß. Das heißt, wir haben eine auffallend hohe, wahrscheinlich auch negative Bilanz der Impffolgen. Dazu gibt es auch vom RKI [Robert Koch-Institut] und dem Paul-Ehrlich-Institut genug Zahlen. Das wird aber in dieser Studie völlig ausgeblendet.

In der Studie wurden die Teilnehmer neben der Anzahl der Impfungen nur gefragt, ob eine Corona-Infektion vorlag. Nach Impfnebenwirkungen wurde nicht gefragt.

Dann würde es nämlich erschütternd aussehen. Das will man gar nicht wissen,  es wird einfach ignoriert. Das ist fast ein kultureller Suizid. Wir haben so wenige Kinder und junge Menschen in Deutschland und Europa wie noch nie.

Wir stehen vor einem demografischen Zusammenbruch. Nur noch etwa 18 Prozent der Bevölkerung sind junge Menschen unter 20 Jahren. Das muss man sich einmal vorstellen. Seit 30 Jahren ist Deutschland unter der Reproduktionsrate. Dann ignoriert man noch, dass wir derzeit gesundheitlich und psychisch den miserabelsten Befund von jungen Menschen seit wahrscheinlich der Nachkriegszeit haben. Was haben wir für eine Gesellschaft, dass wir das ignorieren?

Wie sollte man aus Ihrer Sicht als Forscher mit dieser Thematik umgehen?

Vor allem darf man die jungen Menschen nicht nur zum Objekt machen. Wir haben wahrscheinlich die egoistischste und narzisstischste Erwachsenengeneration, die wir vielleicht überhaupt in der Menschheitsgeschichte haben, die sich nur um sich selbst, ihre Ängste und den Erhalt ihres eigenen Status dreht, die dabei bereit ist, ihre Kinder und ihre Jugend zu opfern. Wir haben sie nicht einmal ansatzweise im Blick!

Aber das war in der ganzen sogenannten Coronakrise so – von den Spielplatzschließungen angefangen. Wir haben keiner Gruppe unnötig so viel Schaden und Leid zugefügt wie den Kindern und Jugendlichen. Es ist in den letzten zwei Jahren durch Tausende Studien belegt, dass das Virus für sie per se irrelevant ist. Wenn ich mir dann die Impfquote bei den jungen Menschen anschaue – für nichts und wieder nichts – das ist einfach Wahnsinn! Das ist etwas, das mich als Kindheitsforscher, dem die Jugend naturgemäß am Herzen liegt, erschüttert.

Wir haben es zudem mit einer unglaublich desillusionierten Jugend zu tun, die mit einem hohen Anteil von 57 Prozent nur Erfolg oder Leistung erbringen will, um Geld zu verdienen. Nur sieben Prozent sind bereit, Großes zu bewegen. Wir haben eine Generation, die keine Visionen mehr hat. Die hat gar nichts mehr, die will nur noch durchkommen. Sie hat in einem sehr hohen Maß, nämlich von über 50 Prozent, Angst vor gesellschaftlicher Spaltung.

Wir haben es mit einer Jugend zu tun, der das gesellschaftliche Klima tausendmal mehr Sorgen bereitet als der Klimawandel! Da ist eine Generation, die sich um das Soziale, das Gesellschaftliche wirklich große Sorgen macht. Wer soll motiviert sein, sich positiv in eine Gesellschaft einzubringen, wenn nicht die Jugend? Jetzt aber hat die Jugend Angst vor dem gesellschaftlichen Klima.

Wenn man diese Studie ernst nimmt und daraus Konsequenzen ziehen will, muss man meines Erachtens darauf den Fokus setzen.

Wo kann das enden, wenn es so weitergeht?

Wenn nicht ein enormer gesellschaftlicher Aufbruch und Bewusstseinswandel stattfindet, wird ein großer Teil dieser Jugend, die kaum noch Arbeit findet, gerne ein Grundeinkommen annehmen und auf digitale Währung umstellen. Sie wird alles tun, um nicht zu verhungern. Sie wird sich nicht nur impfen lassen.

Bei diesen ganzen Umwälzungen, die jetzt noch stattfinden mit der digitalen Währung und dergleichen, werden wir in Europa, in Deutschland, in einer Art zweitem China mit Niedriglohnjobs und totaler Kontrolle aufwachen. Die Menschen werden zwar nicht verhungern, aber sie werden jeden Millimeter an Freiheit einbüßen. Ein Aufschrei wird dann nicht mehr möglich sein.

International haben wir Historiker schon vor Jahren gesagt, dass die nachfolgende Generation nichts mehr sparen kann, sie kann sich nichts mehr aufbauen. Jetzt führen wir dann noch wie beispielsweise in der italienischen Stadt Bologna ein Sozialkreditsystem ein.

Dann heißt es vielleicht: „Ihr bekommt monatlich 1.000 Euro, für die man nicht arbeiten muss, aber dafür macht ihr das, was wir wollen“. Dieses Grundeinkommen, von dem immer gesprochen wird, ist nicht bedingungslos; es wird an viele, viele Bedingungen geknüpft sein, nicht nur einen Impfstatus. Das ist furchtbar. Das ist das Ende von Innovation, von Leistung. Das alles wird es dann nicht mehr geben.

Gemeinsam mit den jungen Menschen, gemeinsam mit unseren Kindern sollten wir uns alle, die gesamte Gesellschaft dringlichst eine Frage stellen und breit diskutieren: Wie wollen wir zukünftig leben?

Wie könnte man dieser Generation helfen, die ganzen Ängste zu überwinden?

Wir müssen die Kinder und Jugendlichen wirklich in den Fokus bringen. Wir haben zwei Jahre lang die Schwerkranken, die vor dem Tod standen, von früh bis spät als Maßstab aller Sachen genommen und haben die Kinder und Jugendlichen mit den Schwerkranken erdrückt. Wir müssen die Jugend leben lassen und in den Vordergrund rücken. Wir müssen zu ihnen sagen: „Wir wollen eine bessere, neue Welt. Wie wollt ihr euch einbringen? Welche Ideen habt ihr?“

Wir haben eine ganze Generation erstickt. Die Masken werden gern mit einem „Maulkorb“ assoziiert, dass man also den Mund hält. Es gibt auch noch eine andere Metapher, die meines Erachtens für Kinder und Jugendliche viel zutreffender ist: Wir nehmen ihnen den Atem; wir ersticken sie regelrecht mit unseren Ängsten, mit unseren Projektionen, mit Hunderttausenden Dingen.

Woher sollen die Jugendlichen ihre Motivation nehmen, sich positiv in die Gesellschaft einzubringen? Wie soll das gehen? Ich hätte nie gedacht, dass die schlimmsten Befürchtungen meines Bestsellers „Kindheit 6.7“, der 2018 mit der Erstauflage erschienen ist, wahr werden.

Was uns auch fehlt – und darauf brauchen wir als Gesellschaft nicht stolz sein – das ist seit Langem eine konstruktive Protestgeneration. Es ist doch nicht Aufgabe der jungen Leute, uns Erwachsenen blind zu gehorchen und Befehle auszuführen, sondern zu hinterfragen und ein Stück weit zu rebellieren. Das gibt es überhaupt nicht mehr! Das ist nicht einmal im kleinsten Ansatz vorhanden und das sehe ich nicht als positiv an.

Dieser Gehorsam, diese Anpassung, diese Konformität; die lassen sich blind alles rauben! Zukunftsperspektiven, alles Mögliche. Darauf brauchen wir nicht stolz sein. Diese Studie ist eigentlich ein Alarmsignal.

Antriebslosigkeit, Erschöpfung, psychische Belastungen unter Jugendlichen. So viele Therapeuten werden wir in den nächsten Jahren nicht aufbringen können, um den Schaden aus den letzten Jahren vollständig wiedergutzumachen. Ein Punkt, der mich überrascht hat, ist Langeweile bei 32 Prozent der Befragten. Das Grundwesen eines jungen Menschen ist etwas aufbauen, etwas kreieren, Leistung einbringen. Er will etwas tun! Heute haben wir es mit einer Generation zu tun, von denen sich schon 32 Prozent nutzlos fühlen. Das ist so ein alarmierender, erschreckender Befund. Das kann nur Ausdruck einer Gesellschaft sein, die hochgradig dekadent ist und nur noch will, dass das Alte bleibt und sich nichts verändert.

Überlegen Sie einmal: Ein Kind, das heutzutage vier Jahre alt ist, hat zwei Jahre lang seine Umwelt nur mit Masken wahrgenommen. Dieses Kind hat die Hälfte seiner Lebenszeit mit dieser dystopischen Umwelt verbracht. Die Kinder und Jugendlichen haben einen ganz anderen Zeitbegriff. Für einen 50-Jährigen wäre es so, als hätte er 15 Jahre lang Masken getragen.

Sehen Sie irgendwo auch Ansätze, dass man aus dieser Studie einen Wendepunkt herbeiführen kann?

Ich glaube, das geht nur noch in der Familie. Ich befürchte, politisch wird sich gar nichts ändern. Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist: Was leben wir den Jugendlichen vor? Wir müssen sie wieder anhören – und zwar mit all ihren Befindlichkeiten. Was sind eure Sorgen? Wie geht es euch?

Ein erster Schritt wäre, dass wir uns bei den Kindern und Jugendlichen entschuldigen, dass wir sie zwei Jahre grundlos weggesperrt und ihnen alles geraubt haben.

Sie müssen sich in die Gesellschaft einbringen können. Momentan sollen sie nur noch das machen, was man ihnen vorgibt; sie sollen funktionieren. Und das tun sie erschreckenderweise; das geht aus der Studie hervor. Aber es geht ihnen dabei überhaupt nicht gut. Das zeigt die Studie auch.

Die psychischen Belastungen sind schon in einem Ausmaß, das fatale Folgen mit sich bringt. Darauf habe ich und auch andere Wissenschaftler schon vor zwei Jahren hingewiesen.

Ich weiß, dass das hart ist und bei Ihren Lesern wahrscheinlich keinen großen Freudenschrei hervorrufen wird, aber ich glaube nicht, dass wir es uns leisten können, die Welt noch länger schön zu zeichnen oder so einen Befund wirklich zu ignorieren.

Herr Hüter, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview wurde von Susanne Ausic geführt und zur besseren Lesbarkeit redaktionell überarbeitet.

www.michael-hueter.org

Michael Hüter
KINDHEIT 6.7
Taschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Edition Liberi & Mundo (2018)
ISBN-10: 9783200055070
D: € 24,30
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BoD BESTSELLER seit 11/2018

 

Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“ ist eine Jugendstudie, die seit dem Jahr 2020 in halbjährlichem Turnus durchgeführt wird. Sie wird von dem Jugendforscher und Studienautor Simon Schnetzer in Kooperation mit dem Jugend- und Bildungsforscher Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann als wissenschaftlicher Berater und Co-Autor veröffentlicht.



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