Meinungsfreiheit auch für NS-Verharmloser – Betreiber von „Netzradio Germania“: Zahl der ermordeten Juden „erbärmlich gelogen“

Die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung der NS-Verbrechen ist nicht immer automatisch strafbar. Der Betreiber von "Netzradio Germania" sagt, die Zahl der ermordeten Juden in Auschwitz und Birkenau sei "erbärmlich gelogen".
Epoch Times3. August 2018

Die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung der NS-Verbrechen ist nicht immer automatisch strafbar. Bei der Verharmlosung ist immer ausdrücklich zu prüfen, ob dadurch der „öffentliche Friede“ gestört wurde, wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss klarstellte. (Az: 1 BvR 2083/15)

Das Bundesverfassungsgericht hob damit eine Geldstrafe auf. Der Beschwerdeführer war Betreiber der Internetseite „Netzradio Germania“ und eines gleichnamigen Youtube-Kanals. Dort veröffentlichte er 2012 einen rückblickenden Gastbeitrag zur ersten vom Reemtsma-Institut initiierten und vom Hamburger Institut für Sozialforschung erarbeiteten Wehrmachtsausstellung. Unter dem Titel „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ hatte die Wanderausstellung von 1995 bis 1999 rund 900.000 Besucher an 34 Orten in Deutschland und Österreich.

Auf „Netzradio Germania“ warf der Gastmoderator der Ausstellung Fälschungen und Manipulationen vor. Die Ausstellungsmacher hatten hier auch selbst Fehler eingeräumt. Den alliierten Siegermächten warf der Moderator „Lügenpropaganda“ vor. Angaben über die Zahl der in Auschwitz oder Buchenwald ermordeten Juden seien „erbärmlich gelogen“, gegenteilige „historische Wahrheiten“ würden aber verfolgt. Das Landgericht Paderborn verurteilte den Betreiber von „Netzradio Germania“ im Jahr 2015 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Das Bundesverfassungsgericht hob dieses Urteil nun auf. Das Landgericht habe damit die Meinungsfreiheit verletzt. Zwar müsse sich der „Netzradio Germania“-Betreiber die Äußerungen seines Moderators zurechnen lassen. Als „mit diffusen Tatsachenbehauptungen vermischte Werturteile“ unterlägen diese aber dem Schutz der Meinungsfreiheit.

Das Strafgesetzbuch stelle die Leugnung, Billigung oder Verharmlosung der NS-Verbrechen nur unter Strafe, wenn sie „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Gemeint sei damit die „Friedlichkeit“ der Gesellschaft, etwa weil Äußerungen die Hemmschwelle für Gewalttaten senken. Äußerungen mit „rein geistig bleibender Wirkung“ seien dagegen nicht strafbar.

Bei der Leugnung oder Billigung der NS-Verbrechen könnten Gerichte zwar davon ausgehen, dass sie in der Regel den öffentlichen Frieden stören. Bei Verharmlosungen der einseitigen Darstellungen wie hier sei dies dagegen ausdrücklich zu prüfen. Dies habe das Landgericht Paderborn aber nicht getan.

Wörtlich heißt es in dem Beschluss: „Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus’ als Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation dieser Zeit allein begründen eine Strafbarkeit nicht.“ (afp)



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