Nach deftigem Heino-Spruch zum Gendern: SAT.1 löscht Video

Eine abfällige Bemerkung des Schlagersängers Heino in einem SAT.1-Interview hat die Debatte um Gendersprache und Redefreiheit im Kulturbetrieb neu entfacht. Der Sender ließ das Video löschen – und verwies auf Salman Rushdie.
Titelbild
Archivbild: Der Schlagersänger Heino hat mit einem Interview im „SAT.1-Frühstücksfernsehen“ für mächtig Wirbel in den sozialen Netzwerken gesorgt.Foto: Alexander Koerner/Getty Images
Von 21. September 2023


Der Fernsehsender „SAT.1“ hat am Mittwoch, 20. September 2023, ein Video gelöscht, in dem sich der Sänger Heino (84) gegen das Gendern und für seine alten Schlagertexte ausgesprochen hatte. Die Debatte um Meinungsfreiheit ist damit wieder einmal entflammt. Das berichtet unter anderem das Nachrichtenmagazin „Focus“.

Eigentlich sollte es in der Muntermachersendung „SAT.1-Frühstücksfernsehen“ am Dienstagmorgen, 19. September, um Heinos neue CD „Lieder meiner Heimat“ gehen. Das Album enthält bekannte deutsche Stimmungshits, wie sie häufig in feuchtfröhlicher Runde oder auf Fastnachtspartys gespielt werden – etwa Songs wie „Layla“, „Zehn nackte Friseusen“ oder „Finger im Po – Mexiko!“. Die Partykracher sollen mit schlüpfrigen Texten für Heiterkeit sorgen.

Darf man das im Jahre 2023 noch?

Doch Moderator Matthias Killing stellte seinem prominenten Studiogast aus Bad Münstereifel die politisch korrekte Gretchenfrage: „Wie stehst du grundsätzlich zu dieser auch neuen Zeit, in der viel diskutiert wird, was darf Kunst, was darf keine Kunst, wie stehst du zum Gendern beispielsweise?“ Heinos Antwort:

Das ist für mich alles… Denen hamm’se ins Gehirn gesch[***], die sowas wollen, so wie wir im Rheinland sagen. Ich steh‘ da überhaupt gar nicht zu.“

Heino bekräftigte, dass er auch weiter „von der schwarzen Haselnuss“ und Lieder wie „Lustig ist das Zigeunerleben“ singen werde. „Da lass‘ ich mich von keinem Menschen abbringen.“ Es handele sich um ein „Stück Kulturgut“. Heino betonte, dass er solche Lieder „in den Sechziger Jahren, in der Blütezeit des Beats, wieder populär gemacht“ habe. „Und das soll auch so bleiben, wie es ist.“ Der Kurzdialog ist unter anderem noch auf „X“ zu sehen.

Sender entfernt Video nach beißender Kritik

Nachdem sich in den Kommentarspalten scharfe Kritik gegen den Heino-Auftritt und das „Frühstücksfernsehen“-Team erhoben hatte, entfernte „SAT.1“ das Video aus dem Netz: Weder in der „SAT.1/Joyn“-Mediathek noch auf dem „SAT.1“-Instagram-Account ist das Heino-Interview noch zu finden, wie der „Focus“ schreibt. Auf dem X-Kanal des Senders gab es bis zum Morgen des 21. September ebenfalls keinen offiziellen Post dazu.

Als das Gespräch noch über die offiziellen „SAT.1“-Accounts abrufbar war, hatte es nach Angaben der „Bild“ darunter Kommentare wie die folgenden gegeben:

  • „Alte weiße Männer finden Gendern scheiße und verweigern sich rassismuskritischem Sprachgebrauch (mit dem Verweis auf ‚Kulturgut‘) – ist ja mal was ganz Neues.“
  • „Richtig unangenehmer Auftritt. Noch schlimmer: Eure nicht vorhandene Reaktion auf Rassismus und Sexismus … Ich bin einfach nur sprachlos.“

Heino: „Masse der Menschen denkt wie ich“

Gegenüber der „Bild“ verteidigte Heino, der mit bürgerlichem Namen Heinz Georg Kramm heißt, seinen Standpunkt noch einmal: „Welche meiner Aussagen soll denn bitte rassistisch oder sexistisch gewesen sein? Ich bin sicher, dass die Masse der Menschen mich versteht und genau so denkt wie ich.“ Und weiter:

Ich bin kein Politiker, sondern Sänger und ich sage frei heraus, was ich denke. Denn das ist in diesem Land immer noch ein demokratisches Grundrecht. Ich lasse mir von ein paar Gehirn-Akrobaten ganz sicher nicht vorschreiben, was ich zu singen oder zu sagen habe. Es kann von mir aus gendern, wer will, ich werde es ganz sicher nicht tun.“

Heinos Manager Helmut Werner stärkte seinem Klienten den Rücken: „Wenn ich mir Kommentare durchlese, in denen er als ‚alter, weißer Mann‘ tituliert wird, das ist für mich an Altersdiskriminierung nicht zu überbieten. Es ist ein ganz kleiner, armseliger Haufen, der so denkt. Heino, mit fast 85, lässt sich nicht in seine Sprache hereinreden. Er ist, wie er ist. Und da ist nichts Verwerfliches dabei“, zitiert ihn das Portal „Express.de“.

Sender zitiert Salman Rushdie: „Redefreiheit ist das Leben“

Auch „SAT.1“-Moderator Matthias Killing erläuterte inzwischen auf Nachfrage von „t-online“ seine Sicht auf die Angelegenheit: Er könne die Kritik an Heino verstehen. Wer allerdings eine Meinung äußere, laufe immer Gefahr, gleichzeitig zu provozieren und „dem ein oder anderen aus der Seele“ zu sprechen. Aus seiner Sicht sei „Toleranz ein guter Berater – auf beiden Seiten“.

Nach Angaben des Fanportals „Schlager.de“ hatte sich kurz zuvor auch „SAT.1“-Pressesprecher Christoph Körfer gegen Kritik mit dem Hinweis auf die Meinungsvielfalt verwahrt:

Was Gäste in einer Sendung sagen, steht nicht automatisch für die Haltung eines Senders. Trotzdem lassen Sie mich an dieser Stelle gerne Salman Rushdie zitieren. Der indische Schriftsteller, der ob seines Buches ‚Die satanischen Verse‘ verfolgt wurde und wird, sagt: ‚Redefreiheit ist das Entscheidende, um sie dreht sich alles. Redefreiheit ist das Leben.‘“

Warum „SAT.1“ das Heino-Interview trotzdem entfernte, dazu sagte Körfer nichts. Doch das Netz vergisst bekanntlich auch nichts. Und so geht es mit der Debatte eben dort weiter, wo der Mitschnitt noch zu sehen ist. Auf X beispielsweise erntet Heino hauptsächlich Verständnis: Von „Kult“, „Ehrenmann“ oder „Respekt“ ist da die Rede.

Zwischen Zustimmung, Spott und Entsetzen

Manche X-Nutzer bedankten sich bei dem Schlagersänger für seine offenen Worte. Peter Perlen bringt die Gedanken vieler Nutzer auf den Punkt: „Heino hat nichts mehr zu verlieren, alles erreicht. Genau so, Gendern ist totaler Müll, Punkt.“

Differenzierter und zugleich spöttischer drückt sich Albrecht van der Qualen aus: Für Menschen meiner Generation ist es ein einigermaßen surreales Gefühl, sich unvermittelt auf der Seite einer Person wiederzufinden, die man in seiner Jugend als groteske Karikatur einer zurückgebliebenen Psyche empfunden hat…“

„SAT.1“ kommt in den Kommentaren meist nicht so gut weg. Der Nutzer „ThinkTwice“ sieht wegen der depublizierten Videos „Cancelculture – Faschismus“ am Werk. „Heino ‚hui‘ – SAT1 ‚pfui‘“ meint Winfried Andres. Und „droehny“ schreibt: „Das Problem ist doch, daß [sic] man hier als Künstler oder als Person des öffentlichen Lebens wirklich nur noch frei reden kann, wenn du nix mehr zu verlieren hast! Ansonsten zerfetzen dich die Systemmedien hier schneller als dir lieb ist und deine Karriere ist vorbei!“

Doch natürlich gibt es auch Stimmen kontra Heino: „Korrekt. Rassismus ist gutes, deutsches Kulturgut!“, meint beispielsweise „@watakant“. Ähnlich sieht es „@WorldsNeurosis“: „Also wer reaktionäre bis rechte Meinungen vertritt, hat also ‚Rückgrat‘. Wer eine andere Meinung hat, ist ein ‚Lappen‘. Interessante Auffassung von Meinungsfreiheit.“

Noch deftiger klingt es bei „Yorimoto“: „Ein Wunder… dass die schwarz braune Haselnuss mit der Kunststoffperücke immer noch in ein Studio eingeladen wird. Folklore-Heino war schon immer Gesinnungsnazi. Der rafft schon seit 75 Jahren nix mehr.“

Heinos politische Heimat – zu weit rechts?

Mit Beginn seiner Karriere in den 1960er-Jahren hatten stets auch Volks-, Heimat- und Marschlieder zum Repertoire des Sängers Heino gehört. In den 1970er-Jahren brachte ihm eine Plattenaufnahme, bei der er alle drei Strophen der deutschen Nationalhymne sang, bei vielen Kritikern den Ruf ein, politisch zu weit rechts zu stehen. Heino bestritt, eine entsprechende Gesinnung zu vertreten: Die Aufnahme habe er im Auftrag der baden-württembergischen Landesregierung für Schulklassen gemacht.

Politisch verortet sich der Künstler selbst offenbar bei der Union. So hatte er sich im Wahlkampf 2017 als Anhänger von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu erkennen gegeben (Video auf „YouTube“). Mit der AfD will der Rheinländer dagegen nichts zu tun haben, wie er 2018 in einem Interview mit der Zeitung „Profil“ betonte: „Man sollte die AfD verbieten. Es ist kein Platz für solche rechtslastigen Politiker.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion