Nicht bereit für „kostspielige Tierwohl-Experimente“: Bauern kommentieren die „EuroTier“-Messe

„Einer wird übrig bleiben, die grüne Partei oder der grüne Beruf. Warten wir’s ab." Mit diesen Worten übt der Interessenverband „Freie Bauern" Kritik an der Politik der Bundesregierung. Anlass ist die aktuell stattfindende Tiermesse in Hannover.
Bauer Landwirt
Bauer mit mechanisierter Melkanlage im eigenen Stall. Die Viehzucht ist eine traditionelle Richtung der Landwirtschaft.Foto: iStock
Von 17. November 2022

„Wir Bauern sollten ein Statement setzen, und die ‚EuroTier‘ konsequent meiden“, zitiert das online-Magazin „Topagrar“ den Landwirt Stefan Gruss. Nur so könne der vor- und nachgelagerte Bereich merken, „was die Politik jetzt schon angerichtet hat“.

Am 15. November öffnete die „Weltleitmesse für professionelle Tierhaltung und Livestock-Management“, EuroTier, in Hannover ihre Pforten. Bis zum 18. November können sich hier Interessierte über Innovationen in der globalen Tierhaltungsbranche informieren.

Das Leitthema für 2022 macht eines deutlich: Traditionelle Tierhaltung ist Vergangenheit. Transformation ist das große Schlagwort. So soll beispielsweise die Haltungs- und Fütterungstechnik klimaneutral werden, Futter und Fütterung ressourcenschonend, Einkauf und Vermarktung nachhaltig und transparent sowie die Betriebsführung effizient und sozial ausgewogen.

Nicht bereit für „kostspielige Tierwohl-Experimente“

Auf der Internetseite der Fachmesse lässt sich vielerlei Robotertechnik finden, die zwar einerseits die Arbeit erleichtern, andererseits den Bauern an sich schon bald überflüssig machen könnte. Skepsis hat um sich gegriffen, in der unsicheren politischen Lage will kaum ein Farmer mehr investieren. Kein Wunder also, wenn auch die Zahl der Aussteller schrumpft: Etwa ein Drittel hat sich in diesem Jahr dafür entschieden, nicht als Aussteller präsent zu sein.

„In dem Rückgang um mehr als 30 Prozent spiegelt sich eine gigantische Investitionszurückhaltung der bäuerlichen Tierhalter wider, die offensichtlich nicht bereit sind, sich auf kostspielige Tierwohl-Experimente einzulassen“, sagte Thomas Frenk von der Bundesvertretung der „Freien Bauern„.

Bei den derzeit getätigten Investitionen stehe die Unterhaltung bestehender Kapazitäten im Vordergrund, schätzt der 45-jährige Milchviehhalter aus dem badischen Nonnenweier die Lage ein:

Jedenfalls kenne ich niemanden mehr, der noch an die grünen Visionen vom Umbau der Tierhaltung glaubt oder auf das DLG-Gesäusel von Agri-Future-Lab bis Animal-Welfare-Award hereinfällt.“

„Dieses ewige Hin und Her ist nicht mehr zu ertragen“

Auch die Pro- und Contra-Stimmen auf „Topagrar“ lassen die Skepsis der Bauern erkennen. Auf die Umfrage, wer zur Fachmesse fahre, haben über die Hälfte mit „Nein“ reagiert. Wegbleiben sei richtig, damit begriffen werde, dass die Bauern endlich einmal Planungssicherheit benötigten, zitiert das Online-Portal Bernd Brunhöver. „Dieses ewige Hin und Her ist nicht mehr zu ertragen.“

Die Lust verloren hat auch Jörg Meyer. Er will keinen Messebesuch, „um Investitionen zu planen oder vorzubereiten und schon mal gar nicht, um in die Nutztierhaltung zu investieren“. Die aktuelle Kostensituation lasse es zum einen nicht zu, aber viel wichtiger sei für ihn: „Man kann den politischen Rahmenbedingungen bei Investitionsentscheidungen mit 20-jähriger Abschreibungsfrist nicht mehr trauen. Vor allem nicht dort, wo grüne Politik am Werk ist.“ Er hinterfrage inzwischen den Sinn der Veranstaltung! Die Messe müsste eigentlich abgesagt werden vor dem Hintergrund fehlender verlässlicher politischer Rahmenbedingungen.

Thomas Frenk beschreibt die Situation auf der Internetseite der Freien Bauern wie folgt: „Wer als Bauernhof mit Tierhaltung überleben möchte, müsse sich darauf einstellen, dass die gegenwärtige Bundesregierung eine Halbierung der Nutztierbestände anstrebt und gleichzeitig billiger Importware aus Übersee zollfreien Marktzugang gewährt.“

Diese Strategie zerstöre Existenzen, verschwende Ressourcen und gefährde die Versorgung unserer Bevölkerung mit Lebensmitteln, aber sie sei real und deshalb nicht schönzureden.

„Der Minister wird nervös“

Für die wirtschaftenden Betriebe komme es jetzt darauf an, mit möglichst niedrigen Kosten den Zeitraum zu überbrücken. Dass Cem Özdemir den Bauern in einer Podiumsdiskussion bereits gedroht habe, wer auf Zeit spiele, den werde der Transformationsprozess später umso härter treffen, sieht Frenk als Eingeständnis von Schwäche:

Der Minister wird nervös, weil die Betriebe kein Geld in seine Hightech-Streichelställe versenken.“

Benjamin Ziegler spricht sich auf Topagrar für einen Besuch der Messe aus. Er sagt, die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft mit ihrer Eurotier stehe ja für intensive und ernährungssichernde Tierproduktion. Ein Besuch sei daher ein „Stinkefinger in Richtung Özdemir, Lemke und von der Leyen“.

Eher nüchtern betrachtet es dagegen Topagrar-Leser Erwin Schmidbauer und wirft ein, dass dies eine sehr eigenwillige Interpretation ist. „Den Besuch der Eurotier als politische Stellungnahme umdeuten kann man wohl nur, wenn man ein entsprechendes T-Shirt oder sogar ein Plakat mitnimmt.“ Seiner Meinung nach gibt es keinen Grund, die Messe zu meiden. Man sollte sich zuerst informieren und dann aufgrund dieser neuen Informationen eine Entscheidung treffen. „Das kann dann auch die baldige Einstellung der Tierhaltung sein oder das Auslaufen der Tierhaltung über die nächsten Jahre“, so der Landwirt.

Thomas Frenk und die Freien Bauern bleiben mit ihren Argumenten jedoch hart: Die große Mehrheit der Bauernhöfe mit Tierhaltung stehe wirtschaftlich solide da, für sie gebe es überhaupt keinen Anlass, sich mit ominösen gesellschaftlichen Forderungen auseinanderzusetzen. Tierhaltung sei unverzichtbar für natürliche Kreisläufe und regionale Wertschöpfung, und sie sei klimaneutral, weil den Ausgasungen der Nutztiere die Photosynthese der Futterpflanzen gegenüber stehe. Frenk: „Einer wird übrig bleiben, die grüne Partei oder der grüne Beruf. Warten wir’s ab.“



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion