Oeventrop: Zusammenhalt der Bevölkerung beendet Asylheimpläne der Bezirksregierung

Durch den Zusammenhalt der Bevölkerung von Oeventrop in Nordrhein-Westfalen wurde eine geplante Zentrale Unterbringungseinrichtung der Bezirksregierung für Migranten gestoppt.
Flüchtlinge warten in einer Aufnahmestelle auf die Essensausgabe: Die meisten neuen Asylbewerber kamen im vergangenen Jahr aus Syrien.
Essensausgabe in einem Asylheim (Symbolbild).Foto: Stefan Puchner/dpa
Von 2. August 2023

Die Bürgerversammlung in Oeventrop verlief anders als geplant. Die wütende Stimmung der Bürger des 6.200-Einwohner-Teilorts der Stadt Arnsberg im Sauerland konnte nicht beruhigt werden.

Die Bezirksregierung Arnsberg plante, eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Migranten im Ort zu installieren und hatte zu einer Infoveranstaltung am 31. Juli eingeladen: „Vor dem Hintergrund der deutlich steigenden Zahl von Asylsuchenden ist das Land NRW gefordert, weitere Kapazitäten zur Unterbringung geflüchteter Menschen zu schaffen“ und „prüft daher […] unterschiedliche Standorte […]. Aktuell zeichnet sich ab, dass eine Liegenschaft im Ortsteil Oeventrop – das ehemalige Kloster Oeventrop – geeignet sein könnte, um eine Unterbringungseinrichtung einzurichten.“

Wie der „Sauerland Kurier“ berichtet, sollten dort 450 Asylbewerber ab Sommer 2024 untergebracht werden, so der Plan.

Politische Statements im Vorfeld

Bereits einige Tage vor der Versammlung in der Sporthalle hatten die lokalen CDU- und SPD-Vorstände ihre Statements dazu abgegeben. Die CDU Oeventrop erklärte, erst kurzfristig von den Asylplänen der Bezirksregierung erfahren zu haben. Einfluss auf die Planungen habe man keine gehabt, versicherte man.

Oeventrop habe bereits einen großen Beitrag in den Flüchtlingskrisen 2015 und 2022 geleistet. Man befürchte, dass die Belastbarkeitsgrenze überschritten werde. Eine Asyleinrichtung in dem ehemaligen Kloster mitten im Ort zwischen zwei Wohngebieten mit vielen jungen Familien, sei nicht die richtige Standortwahl.

Auch der Arnsberger SPD-Vorstand, Frank Rüther, erklärte: „Wir als SPD im Ruhrtal lehnen die Errichtung einer ZUE in der geplanten Größenordnung innerhalb eines Wohngebietes ab“, so der Lokalpolitiker. Eine solche Einrichtung würde auch „die Möglichkeiten zur Integration in Oeventrop übersteigen“, meinte Rüther. Man hoffe, dass die Zusage des Inhabers (Christoph Kraas) eingehalten werde, „nicht gegen die Mehrheitsinteressen des Dorfes zu agieren“.

Und dann kam die Bürgerversammlung am 31. Juli 2023 in der Ruhrtalhalle in Oeventrop.

Und es kamen immer mehr

Zahlreiche Menschen aus Oeventrop strömten zur Sporthalle. Schließlich konnten 750 Bürger darin Platz nehmen. Einem Bericht des Oeventroper Werbevereins nach war die Halle „rappelvoll besetzt“. Doch es wollten noch mehr dabei sein. 150 Menschen mussten schließlich draußen bleiben und die Veranstaltung per Bildschirm auf dem Vorplatz verfolgen.

Den Schilderungen des Vereins zufolge begann die Versammlung um 19 Uhr mit „ätzenden langen Monologen“ der Vertreter der Bezirksregierung. Die zahlreich erschienenen Bürger aus Oeventrop konnten die Bezirksvertreter damit jedoch „in keinster Weise erreich[t]en“. Nach einer Stunde sei es endlich zur viel erwarteten Frage- und Antwortrunde gekommen. Die hatte es dann in sich – und nahm eine unerwartete Wende.

Ein Immobilienbesitzer unter doppeltem Druck

Die wohl wichtigste Person an diesem Montagabend war Christoph Kraas, seit 2021 Eigentümer des 1902 erbauten Gebäudes. Eigentlich hatte der Oeventroper geplant, einen Teil des Gebäudes in betreutes Wohnen und einen weiteren Teil zum Generationenwohnen umzugestalten. Im Frühjahr 2023 sei das Land dann mit seiner Anfrage an ihn herangetreten.

Laut Zeitungsbericht habe Kraas das als Chance für den Ort angesehen. Oeventrop sollte sogar an den Mieteinnahmen beteiligt werden. Für die Menschen von Oeventrop war das aber offensichtlich weniger wichtig, als ihr gewohntes Alltagsleben zu behalten. Als Kraas zur Veranstaltung erschienen sei, sei er zunächst mit Buh-Rufen und Pfiffen aus dem Publikum begrüßt worden, hieß es.

Der Eigentümer der Immobilie erklärte auf der Versammlung seine Situation, wie der Gewerbeverein schildert: „Kraas erklärte, dass sich der Ausbau der ruinierten Immobilie immer mehr in die Länge zöge, dass die Baupreise enorm angestiegen seien, dass er immer wieder auf Genehmigungen warten müsse. Außerdem habe man die Vermarktung der Baugrundstücke erst einmal behördenmäßig auf Eis gelegt.“

Kraas habe anschließend in die Runde gesprochen: „Und es gibt in dieser Halle keinen einzigen Menschen, der in meiner Lage nicht so reagiert hätte!“ Respektvoller Applaus folgte den Angaben nach.

Hier drängt sich eine Frage auf, auf die es sicherlich keine offizielle Antwort geben wird: Hatten die Behörden den Immobilienbesitzer bei seinen Bauvorhaben absichtlich zappeln lassen, um ihm dann das Asylangebot als „Rettung“ zu unterbreiten?

Einer für alle, alle für einen

Nachdem Kraas erklärt hatte, dass er bereit sei, einen beträchtlichen Teil der Einnahmen dem Ort zukommen zu lassen, schlug er vor, sich in der nächsten Woche mit den Bürgern treffen zu wollen, um darüber zu diskutieren, „nur wir Oeventroper“, so Kraas. Dann erklärte er: „Eines steht aber fest, ich halte, was ich verspreche, ohne Eure Zustimmung werde ich keine Zustimmung für ein ZUE geben!“

Während der Veranstaltung äußerten die Bürger ihre Befürchtungen, sprachen von einer Zunahme der Kriminalität, von Diebstählen, Einbrüchen und Belästigungen von Mädchen. Man verwies auf Zeitungsberichte und Funk und Fernsehen über Vorkommnisse in anderen Städten.

Ein Sprecher der Bezirksregierung versuchte abzuwiegeln, das sei so nicht belegt, wurde behauptet. Ein Bürger konterte mit Aussagen aus der Gegend. In Soest und in Möhnesee seien diese Befürchtungen durch Aussagen der Bürgermeister und von Polizeibeamten untermauert worden, hieß es.

Inmitten der Diskussion stand plötzlich Christoph Kraas auf, ging zum Rednerpult und sagte dem laut Gewerbeverein: „Ich ziehe hiermit mein Angebot zurück!“ Tosenden Jubel habe es gegeben und Standing Ovations.

Dann seien die Regierungsvertreter aufgestanden und hätten ihre Mäntel angezogen. Viele Menschen hätten sich persönlich bei Christoph Kraas bedankt und ihre Hochachtung ausgedrückt, „für eine solch schwere Entscheidung in einer persönlich schwierigen Situation“, erklärte der eingetragene Verein in seinen Schilderungen der Vorgänge.

Der Bericht endet mit einem Statement für Zusammenhalt der Oeventroper Werbegemeinschaft e. V.: „Jetzt braucht er aber ganz, ganz große Unterstützung, für die Umsetzung des Bebauungsplanes vonseiten des Bürgermeisters und des gesamten Stadtrates, das sind wir ihm schuldig!“

30 Baugrundstücke und ein Umbau

Später, im Gespräch mit dem „Sauerland Kurier“ sagte Christoph Kraas: „Ich bin Oeventroper mit Herz und Seele, dieses Dafür und Dagegen spaltet den Ort.“ Er mache das nicht „ohne die Akzeptanz des Ortes“. Das habe er von vornherein gesagt. „Die Resonanz jetzt zeigt mir, dass Geld allein nicht alles und die Entscheidung goldrichtig ist.“

Kraas will nun wieder seinen eigenen Plänen mit der Immobilie nachgehen. 30 Baugrundstücke auf dem Klostergelände sollen demnächst in den Verkauf gehen. Auch für das Hauptgebäude des ehemaligen Klosters geht es weiter: „Der Brandteil des Gebäudes ist gerettet und das Dach neu gedeckt. Der weitere Umbau soll noch in diesem Jahr beginnen.“



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