Oskar Lafontaine nun 80 Jahre alt: „Ich bleibe politisch“

Auch nach dem Ende seiner politischen Karriere haben die Worte von Oskar Lafontaine Gewicht. Zu seinem runden Geburtstag hat er auch viel zu seinem Leben zu sagen. Und dazu, wofür er dankbar ist.
Oskar Lafontaine steht in seinem Garten in der Nähe von Merzig.
Oskar Lafontaine steht in seinem Garten in der Nähe von Merzig.Foto: Oliver Dietze/dpa
Epoch Times16. September 2023

Ein politisches Amt hat er nicht mehr, aber Oskar Lafontaine ist noch ganz nah an der Politik dran. „Ich bleibe immer politisch. Geht gar nicht anders“, sagt der Politiker, der zweifellos zu den bekanntesten linken Köpfen Deutschlands zählt.

Den Übergang nach mehr als 50 Jahren aktiver Politik ins Private, den er im März 2022 mit dem Ende als Fraktionschef der Linkspartei im saarländischen Landtag besiegelt hatte, den habe er gut geschafft. „Das ging völlig ohne Probleme“, sagt er an seinem Wohnort im saarländischen Merzig, gerade zurückgekehrt von einem Urlaub in der Bretagne.

Lafontaine sieht Lücke im deutschen Parteiensystem

Vieles treibt Lafontaine weiterhin politisch um. Vor allem sieht er aktuell keine Partei, die sich angemessen um die Interessen „der kleinen Leute“, wie er sagt, also der Rentner und Arbeitnehmer mit geringem Einkommen, kümmert.

Dies tue weder die SPD, aus der er 2005 ausgetreten war, noch die Linkspartei, die er mitgegründet hatte – und die er 2022 spektakulär verließ. Notwendig sei eine „starke Partei, die die Interessen der Mehrheit des Volkes vertritt“, sagt der parteilose Saarländer. Am 16. September ist er 80 Jahre alt geworden.

„Es gibt eine echte Lücke im deutschen Parteiensystem.“ Er habe versucht, durch die Gründung der Linkspartei in 2007 „die Politik der SPD zu verändern und längerfristig beide Parteien wieder zusammenzuführen im Sinne der Brandt’schen Sozialdemokratie. Dieser Versuch ist leider gescheitert.“

Willy Brandt sei „sein politischer Ziehvater“ gewesen. „Er war der wichtigste Politiker für mich in den vergangenen Jahrzehnten“, sagt Lafontaine.

Zu Spekulationen über die Gründung einer neuen Partei durch seine Ehefrau Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete der Linke, äußerte er sich nicht. „Selbstverständlich unterstütze ich eine Partei, die für soziale Gerechtigkeit und Frieden eintritt. Im Moment gibt es diese Partei leider nicht.“ Er suche aber „keine neue Rolle in der Politik“, betont der studierte Diplomphysiker.

Die Kindheit von Lafontaine

Der Blick auf Menschen mit geringen Einkommen und der Einsatz für Frieden – das sind die zentralen Anliegen von Lafontaine. „Den kleinen Leuten zu helfen, das ist eine Prägung aus der Kindheit heraus. Ich glaube, das kann man nicht lernen“, sagt der Saarländer. Er sei in einer Straße in Dillingen aufgewachsen, wo die Hüttenarbeiter gewohnt hätten.

„Meine Mutter war Kriegerwitwe.“ Der Vater war im April 1945 kurz vor Kriegsende gefallen. Er erinnere sich noch gut daran, wie bei seiner Mutter ältere Frauen am Tisch gesessen und geweint hätten, weil die Rente nicht gereicht habe. Und dass die Mutter ihm und seinem Zwillingsbruder Hans beim Abendbrot die Wurstscheiben rationiert habe.

Wenig Geld und der Schmerz über Kriegstote – das seien „Alltagserfahrungen meiner Kindheit“ gewesen. „Deswegen wehre ich mich vielleicht mehr als andere gegen Krieg“, sagt er auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Seine Karriere

„Oskar“, wie er im Saarland heißt, war fast alles, was man in einem politischen Leben in Deutschland werden kann: Oberbürgermeister von Saarbrücken, SPD-Landesvorsitzender, Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998), SPD-Kanzlerkandidat (1990), SPD-Bundesvorsitzender, Bundesfinanzminister, Mitgründer der Linkspartei und deren Partei- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Zuletzt hatte er die Linksfraktion im Saar-Landtag geführt.

Was würde er heute anders machen? Da fallen ihm als erstes die Namen Willy Brandt und Helmut Schmidt ein: „Ich würde heute das eine oder andere im Verhältnis zu diesen beiden Personen ändern.“

Bei den Differenzen mit Brandt in der Deutschlandpolitik, vor allem über die Währungsunion: „Im Nachhinein habe ich mir immer gesagt, ich hätte öfters mit ihm reden müssen.“ Und beim Streit mit Helmut Schmidt um Nachrüstung und Atomenergie, da würde er heute „anders vorgehen: Auch mehr das Gespräch mit ihm suchen“.

Attentat von 1990

Eine Zäsur in seinem Leben sei das Attentat im April 1990 gewesen: Bei einem Messer-Angriff bei einer Wahlkampfveranstaltung in Köln wurde er lebensgefährlich verletzt. „Das hat die Einstellung zum Leben verändert“, sagt er heute. „Als junger Mensch lebt man oft in den Tag hinein und denkt nicht an das Ende. Aber durch ein solches Ereignis ist man ja angehalten, an das Ende zu denken.“

Wenn er zurückblicke, dann überwiege bei ihm „ein Gefühl der Dankbarkeit“, sagt er. „Ich hatte die Chance, in meinem Leben etwas zu bewirken, so dass ich sagen kann, ich habe die Lebensbedingungen vieler Menschen verbessert.“

Wichtig gewesen sei „sicherlich die Rettung der Stahlindustrie“ im Saarland in den 1990er Jahren. „Das hat ja Tausende Familien betroffen.“ Dankbar sei er auch dafür, dass er anders als in seiner Kindheit keine materiellen Probleme habe. „Das ist ja ein unglaubliches Geschenk. Das empfinde ich als Gnade.“

Pilze und Fahrradtouren

Und: „Ich bin gesund und zufrieden.“ Er halte sich mit Fahrradtouren fit. Regelmäßig seien er – auf dem E-Bike – und seine Frau auf einer 110 Kilometer langen Tour an Saar und Mosel unterwegs. „Wir sind auch Pilzsammler“, erzählt er. Bald gehe es für ihn wieder los. „Ich sammele seit Jahrzehnten. Steinpilze, Schirmpilze, Morcheln. Richtig mit Körbchen. Gibt es alles hier.“ Die Zubereitung der Pilze gehöre natürlich dazu.

Was er noch für Pläne hat? „Ich würde gerne noch ganz viel rumreisen.“ Gerne mal wieder nach China, um zu sehen, wie sich das Land verändert habe. Oder nach Südamerika. „Da gibt es eine Reihe von Ländern, die ich noch nicht besucht habe.“ Er hält kurz inne: „Aber wenn man älter wird, dann reist man nicht mehr gerne zu weit weg.“ (dpa)



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