Pilotprojekt in drei Bundesländern: Asylbewerber bekommen aufgeladene Kreditkarten

Drei Bundesländer suchen über Ausschreibungen Dienstleister für bargeldlose Auszahlung von Taschengeld für Asylbewerber. In einem Pilotprojekt will man die Funktionalität und den Umgang der Empfänger damit testen. Ganz neu ist das jedoch nicht, ebenso wie der Aspekt des Datenschutzes.
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(Virtuelle) Kreditkarten können internationale Zahlungsvorgänge erleichtern.Foto: iStock
Von 15. August 2023

Man kann es vorab so zusammenfassen: Der Aufwand für Barauszahlungen ist für die Behörden zu hoch. Bayern, Hamburg und Hannover starten beziehungsweise planen jetzt ein Pilotprojekt mit Bezahlkarten.

Bereits 2014 konnten syrische Flüchtlinge in grenznahen Lagern in der Türkei mit „elektronischen Gutscheinen“ des „UN World Food Programme“ (WFP) einkaufen. Dieses frühe Verfahren wurde weltweit bekannt, als das aufgeladene Guthaben halbiert wurde. Die offizielle Begründung war, dass die Weltgemeinschaft das Programm finanziell nicht ausreichend unterstützt.

Bayern und Hannover, demnächst auch die Hansestadt Hamburg, starten jetzt ein Pilotprojekt, eine Art Testphase für elektronisches Taschengeld für Asylbewerber. Hierzu muss man zunächst wissen, dass Asylbewerber nicht automatisch Sozialleistungen beziehungsweise Bürgergeld bekommen. Sie unterliegen dem Asylbewerberleistungsgesetz, das allenfalls ein Taschengeld vorsieht und ansonsten auf Sachleistungen setzt.

Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind vom Bürgergeld ausgeschlossen. Das betrifft im Prinzip auch Geduldete, deren Asylantrag abgelehnt wurde, deren Abschiebung jedoch ausgesetzt oder noch nicht vollzogen wurde. Eine Ausnahme bilden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die keine Asylverfahren durchlaufen müssen und seit dem ersten Juni 2022 Hartz-IV-Leistungen beziehen.

Im Internet ging zuletzt der Ausschnitt eines ARD-Beitrags viral, der die Ankunft eines Asylbewerberpaares aus Pakistan im Landkreis Harburg zeigt. Die Pakistani werden von einem behördlichen Mitarbeiter zu einem im Gebäude befindlichen Geldautomaten geführt, wo sie laut Mitarbeiter einen Vorschuss auf jene Sozialhilfe bekommen sollen, die sie „nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erwarten haben“. Der Mitarbeiter führt den Asylbewerber an den Automaten, der steckt seine Karte hinein, das Geld kommt aus dem Ausgabeschacht.

Das Bargeld kommt Simsalabim

Was hier 2023 die Aufmerksamkeit der sozialen Medien auf sich zog, war aber weniger die elektronische „Kassenkarte“ zur Geldausgabe, sondern ein Satz des Mitarbeiters, der beim Einstecken der Karte vernehmbar sagte: „You say Simsalabim“, als bedürfe es nur eines Zauberspruchs, um in Deutschland an Geld zu kommen. Viel interessanter hier aber: Besagter Beitrag aus dem Landkreis Harburg ist über fünf Jahre alt, es ist demnach ein Wiedergänger.

Was sich Bayern und Hannover jetzt ausgedacht haben, führt jedoch nicht mehr zum Bargeld-Kassenautomaten, sondern direkt über eine Art Prepaid-Kreditkarte ohne Überziehungsmöglichkeiten zum Einkauf in das Geschäft der Wahl.

Laut „Welt.de“ soll Hamburg per Ausschreibung hinsichtlich einer „guthabenbasierten Kreditkarte“ für Asylbewerber aktuell noch einen Dienstleister für das Pilotverfahren suchen. Der Stadtstaat soll laut Zeitung außerdem Wert darauf legen, dass der gesuchte Dienstleister diese Karte so programmiert, dass diese nicht nur nicht überziehbar ist, sondern auch Glücksspielanbieter blockierbar macht.

Auch in Hannover sollen zukünftig die Taschengeldzahlungen über solche Kreditkarten vorgenommen werden. Der Asylbewerber muss so auch nicht mehr monatlich persönlich erscheinen, um sein Taschengeld oder die entsprechenden Bezugsscheine abzuholen. Die eigentliche Bedeutung dieser zwangsläufigen Anwesenheitspflicht als indirekte Aufenthaltsbestätigung entfällt zugunsten einer Entlastung der damit bisher betrauten Behördenmitarbeiter.

Die Höhe des Taschengeldes variiert

Um welche Summen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geht es hier? Das hängt zunächst von der Art der Unterbringung ab, denn längst nicht alle Asylbewerber ohne Bescheid oder Geduldete ohne Abschiebung leben weiterhin in einer Sammelunterkunft. Die dezentrale Unterbringung kann früher erfolgt sein. Das Basistaschengeld beträgt 182 Euro.

Bei einer dezentralen Unterbringung werden Grundleistungen bezahlt für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt (notwendiger Bedarf), Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (notwendiger persönlicher Bedarf, sogenanntes Taschengeld), Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt und bei besonderen Umständen auch weitere Leistungen, die vom Einzelfall abhängen.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden einige Grundleistungen für den notwendigen Bedarf als Sachleistungen bereitgestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schreibt dazu (hier zitiert vom Land Niedersachsen): „Soweit der damit verbundene Verwaltungsaufwand unvertretbar hoch ist, kann das sogenannte Taschengeld auch als Bargeldleistung gewährt werden. Einzelheiten des Verfahrens regeln die Bundesländer.“

Kontrolle von der ersten bis zur letzten Ausgabe

Epoch Times spricht mit der Pressestelle der Hamburger Senatskanzlei, die ihrerseits an eine interne Pressestelle weiterleitet. Dort weitergeleitet an eine Abteilung für Finanzen, in welcher sich eine Sprecherin verwundert über das Interesse an dem Thema äußert. Lediglich aufgrund einer Pressemeldung aus Osnabrück hätten sich schon mehrere Medien dazu gemeldet.

Festhalten kann man hier, dass die überwiegende Zahl der Empfänger von Sozialleistungen über ein Konto verfügen. Seltener kommt es über Scheck oder Bezahlkarten und Kassenautomat zu einer Bargeldauszahlung.

Die Verbraucherzentrale informiert explizit darüber, dass auch Asylsuchende und Geduldete per Gesetz ausdrücklich ein Anrecht auf ein Basiskonto bei einem Kreditinstitut haben: „Verstanden wird darunter ein Girokonto, das unabhängig von einer Kreditwürdigkeit eröffnet werden kann und den Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr sicherstellt.“

Hier kann es im Prinzip nur noch an Ausweispapieren scheitern, welche für die Anmeldung eines Kontos erforderlich sind. Allerdings reist eine erhebliche Anzahl der Asylbewerber ohne Ausweispapiere ein. 2017 waren das laut Meldung der „Zeit“, welche sich auf Angaben der Bundesregierung bezieht, immerhin „mindestens 60 Prozent aller Asylbewerber“.

Es wird demnach eine Übergangszeit geben, in der noch keine Papiere der Ausländerbehörde ausgestellt wurden. Schließlich bleibt die Frage nach der Kontrollierbarkeit beziehungsweise inwiefern das nicht persönliche Erscheinen des Asylbewerbers bei der Taschengeldabholung sich negativ etwa auf seine Residenzpflicht auswirken kann.

In dem Fall muss man die eigentliche Funktion einer solchen bargeldlosen Karte bedenken. Sie registriert jeden Einkauf, der mit Karte und nicht über zuvor abgehobenes Bargeld getätigt wird. Tatsächlich soll Insiderinformationen zur Folge beispielsweise die Hansestadt Hamburg bei Sozialhilfefällen während der Corona-Jahre vereinzelt auch überprüft haben, wo Bargeld über bargeldlose Karten abgehoben wurde. Wenn diese Abhebungen etwa in München passierten, wurde der Leistungsempfänger angeschrieben und über diesen Aufenthalt befragt.



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