Plädoyer für einen neuen, ausgeglichenen und gemeinnützigen Rundfunk

Der frühere SWR-Nachrichtensprecher Martin Ruthenberg hat in Freiburg seine Vision eines bürgernäheren, demokratischen Rundfunks vorgestellt. Er sieht nach drei Jahren Corona-Berichterstattung viel Grund zur Kritik an der aktuellen Medienlandschaft in Deutschland. Und er ist nicht allein.
"Man höre auch die andere Seite" steht auf einem Schild bei der Mahnwache vor dem SWR-Funkhaus in Baden-Baden.
Sommer 2022: Protestschild gegen die einseitige Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.Foto: Epoch Times
Von 13. Dezember 2022

Auch in den Reihen der Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) scheinen die Stimmen nach Reformen offenbar immer lauter zu werden. Es geht den Beschäftigten allerdings weniger um Personalentscheidungen, Sparbemühungen oder Kooperationen, sondern vor allem um eine ausgewogenere Berichterstattung ihrer Häuser – und um mehr Bürgerbeteiligung.

Martin Ruthenberg beispielsweise, ein früherer Nachrichtensprecher und Moderator des Südwestrundfunks (SWR), hat am 3. Dezember in Freiburg/Breisgau seine Vorstellungen eines künftigen Netzwerks von Bürgerfunk-Modellprojekten am Rand einer Demonstration für den Erhalt des Wirtschaftsstandorts Deutschland vorgestellt [Video bei Telegram].

Der ausgebildete Schauspieler und Therapeut sieht das noch zu errichtende Netzwerk als Teil der Vorbereitungen für einen „gemeinnützigen Rundfunk von morgen“. Ruthenberg hatte sich bereits vor elf Monaten auf YouTube kritisch zu seinen Erfahrungen im Sendebetrieb seines Funkhauses geäußert – speziell, was den Umgang mit der Corona-Krise anging. Wenige Wochen zuvor hatte er einen offenen Brief an den Intendanten des SWR (PDF) verfasst.

„ÖRR erfüllt Auftrag nicht mehr“

„Seit Beginn der gegenwärtigen Krise erfüllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag endgültig nicht mehr“, stellte Ruthenberg erneut zu Beginn seiner Rede fest. Er rechne auch nicht mehr damit, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk „drei Jahre C-Krise“ aufarbeiten werde.

Dabei bestehe der Auftrag der Medien laut Grundgesetz darin, „unsere Demokratie zu schützen, unseren Regierungen auf die Finger zu schauen und für unsere Rechte als Bürger einzutreten“, betonte Ruthenberg. Der öffentliche Rundfunk als Leitmedium spiele eine „entscheidende Rolle“: Er sei nicht nur ein Leitmedium, an dem sich andere Medien orientierten, sondern gehöre den Bürgern: „Wir bezahlen ihn, damit Politiker in der Zeit zwischen den Wahlen erfahren, was wir Bürger von ihnen als unseren Stellvertretern erwarten.“

„Psychologische Kriegsführung“

Von diesem Ideal sei „heute nichts mehr zu erkennen“, meint Ruthenberg: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verbreitet im Wesentlichen Propaganda für unsere Regierungen“. Von daher könne er jeden verstehen, der eine Abschaffung des ÖRR fordere und die Gebührenzahlung verweigere. Das sei aus seiner Sicht aber der falsche Weg. Denn dann würde man das Feld privaten Medien und Mitspielern wie Google, Amazon, Apple und Microsoft überlassen. Damit würden die Menschen es endgültig zulassen, „dass Geostrategen des Militärs und Bürger mit perfidester, subtil ausgefeilter Manipulation uns dahin bringen, wo sie uns haben wollen“.

Mit der Digitalisierung sei die psychologische Kriegsführung zur „stärksten Waffe des Militärs“ geworden, so Ruthenbergs These. Diese Art der Kriegsführung sei inzwischen in alle Lebensbereiche vorgedrungen – „auch in die Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Der ÖRR, der die Bürger eigentlich vor „Übergriffen des Staates“ und vor Manipulation schützen solle, werde selbst manipuliert. Deshalb, so Ruthenberg, seien jene Mahnwachen so wichtig, die das Aktionsbündnis LeuchtturmARD.de „seit Monaten bundesweit vor den Sendern und Medienhäusern“ abhalte. Stets gehe es dabei darum, mit Medienmitarbeitern ins Gespräch zu kommen – und im Gespräch zu bleiben.

Mitmachen statt abschaffen

Doch das allein genüge nicht, um den „Zerfall der Demokratie“ und „weitere Freiheitsbeschränkungen“ abzuwenden, erklärte Ruthenberg: „Was wir brauchen, ist ein neuer öffentlicher Rundfunk, ein gemeinnütziger Rundfunk“, forderte Ruthenberg. Ihm schwebe dafür „eine frei zugängliche Plattform“ vor, „die uns Bürgern gehört, wo wir uns informieren und bilden können – gegenseitig und auf Augenhöhe“. Das sähen auch Experten so. Ruthenberg verwies auf Tom Buhrow, den aktuellen ARD-Vorsitzenden und Intendant der größten ARD-Landesrundfunkanstalt WDR, der vor zwei Monaten „einen runden Tisch ohne Tabus und Denkverbote“ für einen solchen gemeinnützigen Rundfunk gefordert habe.

Vision Bürgerfunk

Die Bürger sollten für ihre Interessen allerdings nicht länger als „Bittsteller“ auftreten: „Wenn wir als mündige Bürger mit eigener Expertise die Beteiligung an so einem runden Tisch fordern, dann kommt keiner mehr an uns vorbei“, sagte Ruthenberg. Es gebe diese Bürger-Experten sogar schon – diese seien aber noch nicht genügend viele und sie seien auch noch nicht vernetzt. Deshalb gelte es nun, viele Bürger mit Gleichgesinnten zu vernetzen und zu Medienexperten weiterzubilden.“ Diese Weiterbildung, so Ruthenbergs Vision, könne am besten „in einem Bürgerfunk“ funktionieren.

„Kleine, flexible und weitgehend autonome Gruppen von Menschen mit hoher kommunikativer Kompetenz“ könnten nach Ruthenbergs Vorstellungen die Basiskräfte bilden, um so einen Bürgerfunk aufzubauen. Palästen bedürfe es dafür nicht, denn heute könne dank der Digitalisierung „praktisch jeder einen Sender aufmachen“. Und wenn die „journalistische Kompetenz“ dazu fehle, existierten immer noch „Journalisten, denen die Mündigkeit ihrer Bürger am Herzen“ liege und die zur Hilfe bereit wären.

„Wie wäre es mit einem Modellprojekt Freiburg/Breisgau/Hochschwarzwald, einer regionalen Plattform, die offen ist für alle Interessengruppen, um dort den offenen Diskurs zu führen, den wir alle uns so sehr wünschen?“, konkretisierte Ruthenberg seine Ideen. Bereits bestehende Projekte wie das Schwarzwald-Netzwerk, Dreisamtal verbinde dich, Frei sein Freiburg, Autokorso Freiburg oder Radio Qfm könnten dafür den Anfang machen, schlug Ruthenberg vor. Diese Gruppierungen könnten Vertreter zur Qualitätskontrolle in einen „provisorischen Rundfunkrat“ entsenden.

Finanzierung durch Rundfunkbeiträge möglich?

Ob das Ganze als Verein oder besser als Genossenschaft gegründet werden solle, sei noch juristisch zu erörtern. „Erstaunlicherweise“ bestehe jedenfalls schon heute eine gesetzliche Grundlage, die es so einem Modellprojekt grundsätzlich ermöglichen würde, auch auf Gelder aus den Rundfunkbeiträgen zuzugreifen, sagte Ruthenberg. Weitere Finanzquellen könnten durch Spenden von Bürgern generiert werden, die wie er selbst verärgert ihr Zeitungsabonnement gekündigt hätten und bereit wären, „ihr Geld in so ein Projekt zu stecken“.

Als Plattform für die neu zu gründenden Modellprojekte wird nach Einschätzung Ruthenbergs ein neues Angebot der Initiative LeuchtturmARD die passende Adresse sein: Anfang Januar 2023 werde es mit leuchtturm.news beziehungsweise buergerfunk.news eine neue Website geben, die „ein leistungsfähiges Nachrichtenportal für Text, Bild und Ton bis hin zum Streaming“ bereitstelle. Schon jetzt könne man sich dort anmelden, wenn man sich für einen gemeinnützigen Bürgerfunk engagieren wolle, erklärte Ruthenberg

LeuchtturmARD

Das Aktionsbündnis „Leuchtturm ARD“ geht auf eine Initiative des deutschen Filmproduzenten Jimmy C. Gerum (u. a. „Nach fünf im Urwald“, „Der Totmacher“, „So weit die Füße tragen“, „Die Wand“) zurück. Es bestrebt die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinn der Gewaltenteilung und veranstaltet Mahnwachen vor Medienhäusern, lehnt eine Abschaffung des ÖRR aber kategorisch ab.

Die Plattform Meinungsvielfalt.jetzt gehört ebenfalls zu den ÖRR-kritischen Webseiten in Deutschland. Sie war vor einigen Monaten auf Betreiben des entlassenen SWR-Mitarbeiters Ole Skambraks ins Leben gerufen worden, um Mitarbeitern aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Stimme zu geben, „die sich mehr Meinungs­vielfalt, Pluralität und Aus­gewogen­heit in ihren Programmen wünschen“.



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