Politische Esoterik: Verfassungsschutz nimmt „Anastasia“-Bewegung ins Visier

Die sogenannte „Anastasia“-Bewegung hat in mehreren deutschen Dörfern Kommunen gegründet. Für den Verfassungsschutz ist dies ein Anlass, sie zu beobachten.
Thomas Haldenwang ist Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Thomas Haldenwang ist Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Seine Behörde will künftig die „Anastasia“-Bewegung beobachten.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 9. Juni 2023

Der Verfassungsschutz im Bund und die brandenburgische Landesbehörde beobachten die sogenannte Anastasia-Bewegung. In Brandenburg hatte der Inlandsgeheimdienst dies am Mittwoch, 7. Juni, im Landtag auf eine Anfrage der Linksfraktion hin bestätigt. Einen Tag später hieß es auch vonseiten des Bundesverfassungsschutzes, die Gruppierung bilde einen „rechtsextremen Verdachtsfall“.

Buchreihe „Anastasia“ als Inspiration

Wie „n-tv“ berichtet, nehmen die Nachrichtendienste Anstoß an Teilen der „Anastasia“-Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Von dieser leitet die Bewegung ihren Namen her. Nach Auffassung des Verfassungsschutzes weist diese „verfassungsschutzrelevante Elemente auf, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind“.

Die Buchreihe enthalte unter anderem eine „völkische, rassistische und antisemitische Ideologie“. Im Kern wird das Netzwerk zum Phänomen sogenannter völkischer Siedler gerechnet. In Brandenburg sollen fünf sogenannte Familienlandsitze der Anastasia-Bewegung zuzuordnen sein.

Über ganz Deutschland verteilt sollen Zahlen aus dem Jahr 2020 zufolge etwa 800 Anhänger in 17 Kommunen leben, mit Schwerpunkten in Nord- und Ostdeutschland. Es gebe zudem Verbindungen in die deutschsprachigen Nachbarländer. Das Gewaltpotenzial, das von den Kommunen ausgehe, schätzt der Verfassungsschutz selbst als gering ein.

Antisemitische Verschwörungserzählungen als Kontinuum

Die „Anastasia“-Buchreihe liefert im Wesentlichen die Grundlagen für die Lebensweise, die entsprechende Siedlungsprojekte kennzeichnet. Das Weltbild, das ihr zugrunde liegt, ist ein stark von esoterischen und neuheidnischen Vorstellungen geprägtes.

Weltreligionen wie Judentum, Christentum, Islam oder Buddhismus lehnt die Bewegung als vermeintliche Erfindungen manipulativer Priesterkasten ab. Einzig der russischen Orthodoxie spricht die Anastasia-Bewegung einen gewissen Eigenwert zu – auch wenn man selbst diese durch „Geheimorganisationen“ unterwandert sieht.

Ähnlich wie die deutsche Ludendorff-Bewegung kultiviert der Anastasia-Kult die Vorstellung vom Christentum als Mittel zur Sicherung einer „jüdischen Weltherrschaft“. Die Vorstellung, Juden würden hinter allen erdenklichen Missständen in der Welt stehen, zieht sich auch durch die Buchreihe hindurch.

Bewegung zeigt sich skeptisch gegenüber staatlichem Schulwesen

Demgegenüber soll „wedrussisches Wissen“ den Siedlern einen Weg weisen, um sich durch eine möglichst umfassende Abkehr vom modernen Leben behaupten zu können. Der Verfassungsschutz nimmt dabei auch Anstoß an der reservierten Haltung der Anastasia-Bewegung gegenüber dem Schulbesuch.

Allerdings sollen sich Anhänger der Bewegung im Laufe der vergangenen Jahre der Schulbesuchspflicht nicht mehr entziehen. Stattdessen wählten sie für ihre Siedlungsprojekte Standorte aus, in deren Nähe freie Schulen zur Verfügung stünden, die sie als akzeptabel betrachteten.

Einer Analyse der linken Plattform „LSA rechtsaußen“ zufolge sei etwa eine freie Schule in Güstrow ein Schwerpunkt von Anastasia-Anhängern. Auch im – von starker Fluktuation gekennzeichneten – Lehrkörper der Freien Waldorfschule in Thale sollen sich Personen mit Verbindungen zu „völkischen Siedlern“ befinden. Eigenen Quellen der Epoch Times zufolge hat sich eine solche Ausrichtung im dortigen Unterricht und Schulalltag jedoch nicht bemerkbar gemacht.

Corona-Proteste als Werbeplattform

Die Anastasia-Bewegung sieht sich nach eigener Darstellung vor allem als Ausdruck eines Strebens nach dem Ende menschlicher Entfremdung von der Natur. Einem Bericht von „Transition News“ zufolge stehen Themen wie die Permakultur im Mittelpunkt des Lebens der Gemeinschaften.

Die Bücher geben demnach unter anderem Empfehlungen dazu, wie „Familienlandsitze“ aufzubauen seien. Auch gehe es um Naturheilkunde, ursprüngliche Bauführungen und „Minuto“ – womit in diesem Fall kein Nudelsnack, sondern ein eigenes Geldsystem gemeint ist. Die Permakultur und die Vorstellung einer „natürlichen Symbiose“ von Mensch und Natur sei ein „philosophischer Ansatz“.

Die Rekrutierung neuer Anhänger für die Bewegung erfolgte ursprünglich über bundesweite „Anastasia-Festspiele“ oder dezentrale Treffen. Siedlergemeinschaften wie „Weda Elysa“ stellten dabei ihre Projekte vor. In Zeiten der Coronakrise sollen Anhänger der Bewegung jedoch zunehmend auch an Protesten gegen die Maßnahmen teilgenommen haben.

Bei dieser Gelegenheit soll es nicht nur zum Erfahrungsaustausch mit Protestteilnehmern aus dem Umfeld von AfD, NPD oder „Querdenkern“ gekommen sein. Die Bewegung soll dort auch aktiv dafür geworben haben, Teil eines ihrer Projekte zu werden.



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