Projekte für digitale Belohnungssysteme sind ins Stocken geraten

Sozialkreditsysteme wie in China waren für den Herbst angekündigt. Doch die Apps in Bayern, Wien und Bologna lassen auf sich warten. Das Münchner Ministerium hüllt sich in Schweigen.
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Die Testphase der Apps für Sozialkreditsysteme verzögert sich.Foto: istock/Kar-Tr
Von 22. November 2022


„Im Mittelpunkt steht der tugendhafte Bürger, der zum Beispiel den Abfall gut trennt oder keine Energie verschwendet, der die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt und keine Bußgelder kassiert oder der mit der ‚Bologna Welcome Card‘ aktiv ist.“

Massimo Bugani, Stadtrat für die Digitale Agenda, macht gar keinen Hehl daraus, wie er sich künftig den idealen Menschen in Italiens siebtgrößter Stadt vorstellt. Und wer sich so konform verhält, der bekommt natürlich ein Geschenk. „Wir geben ihnen eine Belohnung (…), mit wirtschaftlichen Vorteilen für den einzelnen Nutzer“, hebt er hervor.

Im Herbst sollte die „Smart Citizen Wallet“ testweise an den Start gehen, wie Epoch Times berichtete.  Doch offenbar verzögert sich das Vorhaben. Dasselbe gilt für den bayerischen „Öko-Token“ und den „Kultur-Token“ in Wien.

Keine Antwort trotz Nachfragen

Epoch Times fragte nach, um die Gründe für die Verzögerung zu erfahren. E-Mails an die Stadtverwaltung von Bologna und das Bayerische Staatsministerium für Digitales blieben allerdings unbeantwortet. Aus München gab es trotz mehrmaliger telefonischer Nachfrage zwar die Antwort, dass die Anfrage weitergeleitet werde. Eine Reaktion blieb jedoch aus.

Testphase in Wien im ersten Halbjahr 2023

Lediglich aus der Hauptstadt Österreichs gab es eine schnelle Antwort. Bürgermeister Michael Ludwig hatte im Frühjahr angekündigt, dass Wien „europäischer Vorreiter“ in Sachen Digitalisierung werden sollte. Den „Wien-Token“ nennt er ein „digitales Bonussystem, das mittels einer App umweltbewusstes Verhalten mit freiem Zugang zu Kulturveranstaltungen honoriert“.

Technische und organisatorische Anpassungen

Dass das Vorhaben ins Stocken geraten ist, erklärt Klemens Himpele mit technischen und organisatorischen Anpassungen aufgrund eines längeren Stillstandes.

Himpele ist Leiter der Gruppe Prozessmanagement und IKT-Strategie“ im Geschäftsbereich „Organisation und Sicherheit“ der Magistratsdirektion der Stadt Wien. Seine Abteilung ist unter anderem für die Wirtschafts- und Innovationsstrategie „WIEN 2030“ verantwortlich.

Wegen der Corona-Pandemie stoppte die Stadt das Projekt im August 2020. „Unsere aktuellen Planungen gehen davon aus, dass wir im ersten Halbjahr 2023 die Pilot- und Forschungsphase wieder aufnehmen können“, teilt er Epoch Times mit.

Kein Vergleich mit chinesischem Sozialsystem

Kritik, dass die App dem Sozialsystem in China gleichkomme und auch Sanktionen nach chinesischem Vorbild möglich seien, weist Himpele zurück. Mit dem „Kultur-Token“ wolle die Stadt Erfahrungen mit einem Tokensystem sammeln, das Beiträge zur Klimaneutralität unterstütze.

„Um sicherzustellen, dass die Umsetzung des ‚Kultur-Token‘ einen positiven Effekt auf die Verstärkung von klimaneutralem Verhalten hat, erfolgt parallel zur Pilotierung der App eine wissenschaftliche Evaluierung“, erläutert er.

Nach Abschluss dieser Phase gegen Ende 2023 werden die Ergebnisse aus technischer, organisatorischer und wissenschaftlicher Sicht aufbereitet und diskutiert. Nach dem Abschluss „der ergebnisoffenen Evaluierungsphase“ treffe die Stadt Wien eine Entscheidung über die Weiterführung der App.

Kontrolle widerspricht Wiener Leitlinien

Wesentlich ist, „dass der ,Kultur-Token‘ den Grundsätzen des Digitalen Humanismus, wie wir ihn in Wien verstehen, entspricht“. Das bedeute vor allem, dass die Stadt Wien die Rechte von Individuen schütze und ethische Leitlinien im Umgang mit digitalen Werkzeugen stets im Fokus behalte.

Ein System, das wie ein Social-Scoring aufgebaut sei und Sanktionen sowie Kontrolle der Gesellschaft mit digitalen Mitteln vorsehe, „widerspricht diesen Leitlinien zutiefst und wird von der Stadt Wien abgelehnt“, betont Himpele.

Apps mit ethischen und sozialen Auswirkungen

Eine Antwort zum Projekt in Bologna gab es zwar nicht von der Verwaltung, dafür aber von „Privacy Network“. Das italienische Technologieunternehmen befasst sich mit Fragen des digitalen Datenschutzes. Es habe den Anschein, „dass sie mit dem Projekt weit im Rückstand sind“, hieß in einer E-Mail an Epoch Times. Die App könne langfristig gesehen ethische und soziale Auswirkungen haben.

„Die App, wie sie die Verwaltung von Bologna beschreibt, wäre genau ein solches soziales Kreditsystem wie in China“, heißt es in der Antwort. Allerdings sei bisher nur über Anreize und Belohnungen gesprochen worden, nicht aber über Bestrafungen.

Stadtrat Bugani: Eine digitale Kopie von ganz Bologna

Wie auch immer die Pläne aussehen, das Ziel scheint in der italienischen Stadt mit seinen rund 400.000 Einwohnern festzustehen: „Wir werden in die Forschung und Entwicklung des Digitalen Zwillings, einer digitalen Kopie von ganz Bologna, investieren“, kündigte Stadtrat Massimo Bugani im Frühjahr an.

 



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