Protest eines Gastwirts: Münchner Kult-Gastronom sagt Teilnahme am CSD ab

Der Wirbel um eine geplante Lesung für Kinder mit Travestiekünstlern in München zieht immer weitere Kreise: Für zwei traditionelle Teilnehmer des „Christopher Street Day“ heißt es deshalb dieses Jahr: zu Hause bleiben. Der eine darf nicht, der andere will nicht.
Bei der Politparade des CSD 2023 in München werden im Juni zwei Wagen fehlen. Hintergrund ist ein Streit um eine geplante Dragqueen-Lesung vor Kindern in einer Münchener Bibliothek.
Bei der Politparade des CSD 2023 in München werden im Juni zwei Wagen fehlen. Hintergrund ist ein Streit um eine geplante Dragqueen-Lesung vor Kindern in einer Münchner Bibliothek.Foto: iStock/FooTToo
Von 14. Mai 2023

Zwei traditionelle Teilnehmer der Politparade des „Christopher Street Day“ (CSD) in München werden am 24. Juni wohl keine bunten Wagen rollen lassen: Der eine darf nicht, der andere will nicht. Das berichtet die Münchener „Abendzeitung“ in ihrer Ausgabe vom 12. Mai.

Nachdem das CSD-Organisationsteam um Dr. Tobias Oliveira Weismantel einen Platz für den Umzugswagen der CSU-Stadtratsfraktion bereits am 8. Mai gestrichen hatte, entschied der Hotelier und Gastwirt Dietmar Holzapfel, aus Protest dieses Jahr ebenfalls fernzubleiben.

Holzapfel führt im Münchener Glockenbachviertel den alteingesessenen Beherbergungsbetrieb Deutsche Eiche, in dem nach Informationen der „Abendzeitung“ vor allem homosexuelle Männer verkehren. Der Gastronom unterhält demnach offensichtlich recht gute Kontakte zur CSU: Erst im März traf er sich mit Ministerpräsident Markus Söder zum Podcast-Gespräch. „Wer Toleranz fordert, muss auch selber tolerant sein“, zitiert die „Abendzeitung“ Holzapfel. Er wolle „kein Teil einer Veranstaltung sein, die andere ausschließt“.

„Wir fordern Akzeptanz, nicht Toleranz“, entgegnete ein Sprecher des CSD München auf Anfrage der Epoch Times.

Geplante Dragqueen-Lesung sorgt nicht nur bei der CSU für Stirnrunzeln

Hintergrund des ganzen Ärgers ist der Streit um eine geplante Lesung mit einer „Dragqueen“ und einem „Dragking“ in der Stadtteilbibliothek des Münchner Nobelviertels Bogenhausen. Die beiden Travestie-Künstler „Vicky Voyage“ und „King Eric BigClit“ (zu Deutsch: „König Erik GroßKlitoris“) wollen dort an der Seite der 14-jährigen „trans*Jungautorin“ Julana Gleisenberg am 13. Juni vor kleinen Kindern unter dem Motto „Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt“ auftreten. Dies erregte nicht nur bundesweit die Gemüter, sondern sorgte auch in der lokalen Politprominenz parteiübergreifend für Unmut.

In den Tenor der Kritiker hatten neben SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger unter anderen auch die CSU-Männer Martin Huber (Generalsekretär) und Robert Brannekämper (Landtagsabgeordneter) eingestimmt. Die CSU-Fraktion im Bezirksausschuss von Bogenhausen soll zudem angekündigt haben, den Oberbürgermeister per Dringlichkeitsantrag zu einer Absage des „queeren“ Events bewegen zu wollen.

Die CSU-Stadtratsfraktion räumte in einer Pressemeldung vom 9. Mai zwar ein, dass der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans Theiss das Lesungsvorhaben kritisiert habe, stellte aber klar, dass die Stadtratsfraktion nie ein Verbot der Lesung gefordert habe. „Wer Vielfalt feiert, muss auch vielfältige Meinungen akzeptieren“, meint die Stadtratsfraktion in Richtung CSD-Organisatoren.

CSU-Grundsatzprogramm nicht mit LGBTQ-Werten vereinbar?

Der CSD-Mitorganisator Dr. Tobias Oliveira Weismantel war dennoch offenbar so verärgert, dass er den CSD-Wagen der CSU-Stadtratsfraktion auslud.

Der studierte Theologe, Journalist und Geschäftsführer des Münchner AIDS-Hilfe-Vereins begründete seine Entscheidung im Interview mit der „taz“ damit, dass die „Gesamtinstitution“ CSU sich nicht ausreichend für „die komplette rechtliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Akzeptanz aller Queer-Personen“ einsetze. Das Grundsatzprogramm der CSU sei nicht mit den Werten der LGBTQ*-Community vereinbar, hieß es zur offiziellen Begründung des Ausschlusses.

Einer Partei, die der Bundesregierung in Sachen Selbstbestimmungsgesetz noch immer Ideologie vorwirft oder von einer Transmode spricht oder wie jetzt eine Lesung für Kinder für reine Polemik nutzt und mit Begriffen wie Frühsexualisierung um sich wirft, können wir nicht abnehmen, dass sie für diese Werte steht, und daher haben wir ihre Anmeldung abgelehnt.“ (Dr. Tobias Oliveira Weismantel in der „taz“)

Weismantel betonte, dass die Empörung mancher CSU-Angehöriger über die Dragqueen-Lesung „nicht der allein ausschlaggebende Punkt“ für die Ausladung gewesen sei. Ihn erschrecke vor allem die „Polemik“, derer sich die CSU-Kritiker bedient hätten: „Es ist doch perfide, wie da Ängste geschürt werden – gerade wenn Kinder im Spiel sind.“

Gegenüber der Epoch Times präzisierte ein Sprecher des CSD München:

LGBTIQ* sind selbstverständlicher Teil der Gesellschaft und sollten als solcher Rechte wie alle genießen. Das ist im Grundsatzprogramm der CSU leider nicht der Fall. Wer dies in Frage [sic] stellt, kann unmöglich an einer Demonstration teilnehmen, die für eben diese Rechte einsteht. Die CSU ist aber herzlich eingeladen, mit einem Infostand beim Straßenfest für ihre Anliegen zu werben.“

Kritik am Florida-Besuch dreier Christsozialer

Weismantel glaubt nach eigener Aussage gemäß „taz“-Interview auch nicht, dass die CSU wirklich eine „offenere Partei werden“ will. Denn in diesem Fall hätten sich die Parteiangehörigen Andreas Scheuer, Dorothee Bär und Florian Hahn nicht „mit dem offen homophoben Gouverneur Ron DeSantis“ in Florida getroffen. Er vermisse auch eine klare Distanzierung des Restes der Partei zu Scheuers DeSantis-Begeisterung.

Außerdem sei die CSU „nicht die einzige Gruppierung“, der das Organisationsteam eine Teilnahme verboten habe, erklärte Weismantel. Wer sonst noch ausgeschlossen worden sei, wollte ein Sprecher des CSD München der Epoch Times „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht verraten.

Weniger Probleme hat Weismantel laut „taz“ damit, den ebenfalls lesungskritischen Oberbürgermeister Reiter in seiner Rolle als CSD-Schirmherr zuzulassen. Dieser habe sich „ja inzwischen auch in öffentlichen Statements entschuldigt; er habe niemanden verletzen wollen“.

„Christopher Street Day“: In New York fing es an

Der heute weltweit gefeierte „Christopher Street Day“ (CSD) geht nach Informationen der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) auf ein Ereignis in New York Ende der 1960er-Jahre zurück. Obwohl Homosexualität in den USA verboten war und verfolgt wurde, widersetzten sich homosexuelle Männer, Frauen und Transvestiten am 28. Juni 1969 in der Bar „Stonewall Inn“ unter der Parole „Gay Power, Gay Power!“ gewaltsam einer Polizeirazzia. Das Lokal lag in der Christopher Street.

Zu Ehren der Widerstandskämpfer habe die „Community“ dann zum Jahrestag 1970 im „West Village“ des Big Apple eine öffentliche Demonstration mit 4.000 Menschen organisiert, die für die Rechte homosexueller Menschen eintrat – der weltweite Beginn der Schwulenbewegung. In Deutschland sei der erste „Christopher Street Day“ 1979 in Berlin ebenfalls als politische Protestaktion begangen worden. Heute stehe bei vielen Teilnehmern und Zuschauern der Paraden eher der Partycharakter im Vordergrund.



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