Schwere Entscheidung im Bundestag zum selbstbestimmten Sterben

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben: In einem Grundsatzurteil erkannte das Verfassungsgericht vor drei Jahren ein solches Recht ausdrücklich an. Dieses Recht, sich selbst zu töten, umfasst demnach auch die Freiheit, sich dafür Hilfe bei Dritten zu holen. Doch welche Regeln sollen für die Sterbehilfe gelten? 
Zahlreiche Kliniken wollen mit einem bundesweiten Aktionstag auf ihre ernste Lage aufmerksam machen.
Leben oder Sterben? Das ist die Frage.Foto: Friso Gentsch/dpa
Epoch Times1. Juli 2023

Am kommenden Donnerstag stimmt der Bundestag über zwei Gesetzentwürfe ab, die solche Regeln festlegen sollen. Das neue Gesetz soll klären, wie Sterbewillige Zugang zu todbringenden Medikamenten bekommen können – und es soll Helfer davor schützen, bestraft zu werden.

Warum soll es ein neues Gesetz zur Sterbehilfe geben?

Aktuell gibt es in Deutschland keine gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe. Sie ist straffrei möglich, seit das Verfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hat. Dass es gesetzliche Regeln für den assistierten Suizid braucht, ist allerdings unstrittig.

Den Abgeordneten liegen zwei fraktionsübergreifend ausgearbeitete Vorschläge vor, über die sie ohne Fraktionszwang abstimmen. Das Ergebnis der Abstimmung ist nach aktueller Einschätzung von Fachleuten aus den Fraktionen völlig offen.

Vorschlag 1: Begrenzte Strafbarkeit

Der Vorschlag der Gruppe um den SPD-Abgeordneten Lars Castelucci hält im Grundsatz an einer Strafbarkeit der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ fest. Verstöße sollen mit Haft- oder Geldstrafen geahndet werden können.

Nicht rechtswidrig soll demnach die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn der suizidwillige Mensch „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zwei Mal von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat.

Zudem soll eine Wartezeit vorgeschrieben werden: Zwischen den beiden Untersuchungsterminen sollen mindestens drei Monate liegen. Nach der abschließenden Untersuchung soll dann noch eine eine „Wartefrist“ von mindestens zwei Wochen bis zur Selbsttötung liegen.

Der Entwurf sieht zudem einen neuen Strafrechtsparagrafen 217a gegen die „Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung“ vor. Demnach soll sich strafbar machen, wer „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ Sterbehilfe anbietet.

Vorschlag 2: Generelle Straffreiheit

Der Vorschlag der Gruppe um Kathrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) sieht weniger Einschränkungen vor und will die Sterbehilfe grundsätzlich aus dem Strafrecht herausnehmen.

Die Regelung soll die individuellen Motive für den Sterbewunsch nicht bewerten, sondern lediglich „Leitplanken“ für den Weg eines erwachsenen und einsichtsfähigen Menschen zur Selbsttötung aufstellen.

Auch diese „Leitplanken“ sehen Vorgaben zu Beratung und Wartezeiten vor – allerdings weniger strikt als beim anderen Vorschlag. Voraussetzung für die Verschreibung von Medikamenten zur Selbsttötung soll in der Regel eine Beratung bei einer fachlich qualifizierten Stelle sein, in der auch Alternativen zur Selbsttötung angesprochen werden. Die Verschreibung soll dann frühestens drei Wochen nach der Beratung – und maximal zwölf Wochen danach – möglich sein.

In Härtefällen soll ein Arzt die Mittel nach eigenem Ermessen auch ohne Beratung verschreiben können. Ein solcher Härtefall soll dann vorliegen, wenn sich jemand „in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen“ befindet.

Welche Kritikpunkte gibt es

Ärztevertreter und Fachverbände warnen vor einer zu weit gehenden Liberalisierung der Sterbehilfe. Dies würde einer „gesellschaftlichen Normalisierung des Suizids Vorschub leisten“, warnte etwa der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.

Der Psychiatrie-Fachverband DGPPN fordert eine bessere Suizidprävention statt leichterer Sterbehilfe – denn häufig seien suizidale Menschen aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung überhaupt nicht in der Lage, „diese Entscheidung frei und selbstbestimmt zu treffen“.(afp)



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