Sehbehindertenverband: Leise E-Auto mit großer Gefahr verbunden
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband dringt angesichts von immer mehr leiseren Elektroautos auf besser erkennbare Fahrzeuggeräusche. Präsident Hans-Werner Lange sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Beim Verbrenner kann man hören, wie stark jemand aufs Gas drückt, ob ein Fahrzeug sanft oder kräftig beschleunigt.“
Beim System Avas mit künstlichen Fahrgeräuschen für E-Autos könne man das nicht so gut heraushören. Es müsse also aussagekräftiger werden. „Dabei wäre es sicherlich hilfreich, wenn die Industrie sich am gewohnten Verbrennergeräusch orientiert“. Wichtig sei auch, dass sich das Geräusch nicht bei Erreichen von Tempo 20 abschalten dürfe.
Das Warnsystem Avas (Acoustic Vehicle Alerting System) ist seit 2021 Pflicht, wie der Branchenverband VDA erläuterte. Um Personen mit einem eingeschränkten optischen Wahrnehmungsvermögen bei der Teilnahme am Verkehr zu unterstützen, erzeuge es ein künstliches Fahrgeräusch – denn gerade bei niedrigen Geschwindigkeiten könnten E-Autos sonst beinahe lautlos sein. „Die deutschen Hersteller entwickeln ihre Avas stetig weiter, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu garantieren“, sagte ein VDA-Sprecher.
„Kann zu Fehlentscheidungen führen“
Verbandspräsident Lange sagte: „Wir alle nutzen, wenn wir am Straßenrand stehen, akustische Informationen, um Fahrzeuge einzuschätzen. Wie stark drückt der da gerade aufs Gas? Komme ich vor diesem Auto noch sicher auf die andere Seite?“ Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer habe dazu ergeben, dass E-Autos auch mit Avas beim Beschleunigen langsamer eingeschätzt würden, als sie sind. „Das kann zu Fehlentscheidungen führen, wenn es um die Frage geht, ob eine Straße noch sicher überquert werden kann. Und das ist dann natürlich mit großer Gefahr verbunden.“
Der VDA erläuterte, international habe man sich unter Mitwirkung weltweiter Blinden- und Sehbehindertenverbände auf eine einheitliche Bestimmung für die Hörbarkeit geräuscharmer Fahrzeuge verständigt. Hersteller hätten die Möglichkeit, die akustischen Signale innerhalb dieser Vorgabe technisch frei zu gestalten. „Teils werden hierzu auch Geräusche von Verbrennungsmotoren imitiert“, sagte der Sprecher.
Die Unfallforschung der Versicherer hatte in einer 2022 vorgelegten Studie eine Optimierung der Avas-Vorgaben empfohlen. Dabei solle der Fokus unter anderem auf das Erkennen von Beschleunigungen gelegt werden. Empfohlen wurde zudem, den Einsatzbereich des Systems auf Geschwindigkeiten über 20 Kilometer pro Stunde auszuweiten. Verbandspräsident Lange sagte mit Verweis auf die Studie, dass das Reifengeräusch ab dem Erreichen von Tempo 20 nicht ausreiche, um gut herauszuhören, ob und wie ein Auto beschleunige. (dpa)
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