Studie: Weniger Plastikmüll nur mit umfassendem Kulturwandel möglich

Plastikmüll gilt als eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Statt „die Symptome der Plastikkrise" zu behandeln, müsse man sich mit den Ursachen, der Abfallerzeugung, beschäftigen, so die Forscher des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS). Damit die Müllberge kleiner werden, braucht es jedoch mehr als Recyclingquoten, denn bisher seien unverpackte Waren weder günstig noch bequem.
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Tonnen für Hausmüll. Das Recycling stagniert in Deutschland.Foto: Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Epoch Times7. Juli 2021

Plastikmüll gilt als eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit. Damit die Müllberge kleiner werden, braucht es neue Infrastrukturen und veränderte Lebensstile – kurz einen umfassenden Kulturwandel. Das ist das Ergebnis einer Ende Mai in der Fachzeitschrift „Cleaner and Responsible Consumption“ veröffentlichten Studie.

Demnach halten es 96 Prozent der deutschen Bevölkerung für wichtig, Verpackungsabfälle zu reduzieren. Dennoch steigt der private Endverbrauch von Verpackungen seit 2009 kontinuierlich an. 2018 lag der Konsum von Kunststoffverpackungen in Deutschland bei 3,2 Millionen Tonnen. Wie Daten des Statistischen Bundesamtes belegen hat sich der Verbrauch damit seit 1997 mehr als verdoppelt. Auch im europäischen Vergleich lag der Verpackungsverbrauch in Deutschland mit 228 Kilogramm pro Kopf deutlich über dem Durchschnitt von 174 Kilo pro Kopf.

Recycling von Plastikmüll ist keine Lösung

„Recycling behandelt nur die Symptome der Plastikkrise und geht nicht gegen die eigentliche Ursache vor, die Abfallerzeugung selbst“, erläutert Jasmin Wiefek vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. „Wir wollten daher herausfinden, was […] Verbraucher in Deutschland daran hindert, ihren alltäglichen Konsum von Kunststoffverpackungen für Lebensmittel und Getränke zu reduzieren.“

Zum Thema Plastikmüll diskutierten die Forscher in vier Fokusgruppen mit jeweils zehn Teilnehmern. Während der Analyse der Diskussionen identifizierten die Forscher anschließend zwölf Barrieren, die einem reduzierten Verbrauch von Plastikverpackungen im Wege stehen:

Gewohnheiten, Mangel an Wissen

Hauptbezugsquellen für Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs sind nach wie vor Supermärkte und Discounter. Märkte und Unverpackt-Läden spielen meist nur eine untergeordnete Rolle. In der Diskussion wurde zudem deutlich, dass die Teilnehmer in der Regel ohne eigene Taschen und Behälter zum Lebensmitteleinkauf gehen. Verarbeitete und verpackte Lebensmittel sind beliebt.

Auch bei Verpackungen gibt es mehr als nur „Plastik“ [Epoch Times berichtete]. Welche Verpackungen nun nachhaltig oder nachhaltiger sind als andere, wüssten die meisten Verbraucher nicht. Diesbezüglich beobachteten die IASS-Forscher Unsicherheiten in den Diskussionen.

Hygiene und Materialeigenschaften

Die Diskussionsrunden offenbarten außerdem Vorbehalte bezüglich der hygienischen Eigenschaften von frei zugänglichen Auslagen unverpackter Waren, aber auch der Verwendung von selbst mitgebrachten Verpackungen und langfristig wiederverwendbaren Verpackungsoptionen im Allgemeinen.

Oftmals würden Kunststoffverpackungen bevorzugt, weil sie leicht, bruchsicher und reißfest sind.

Preis und Verfügbarkeit

In Kunststoff verpackte Lebensmittel sind im Allgemeinen billiger als plastikfrei verpackte Lebensmittel.

Darüber hinaus sei standardmäßig der Großteil der in Supermärkten und Discountern angebotenen Lebensmittel nur in Plastikverpackungen erhältlich. So hatten die Diskussionsteilnehmer das Gefühl, keine Wahl zu haben.

Prioritäten und Verantwortung

Mehrere Teilnehmer beschrieben, dass sie im Alltag Prioritäten setzen, die der Reduzierung von Plastikverpackungen zuwiderlaufen. Beispielsweise verzichten Eltern aus Gewichtsgründen auf nachhaltigere Verpackungen wie Glasflaschen, um keine schweren Rucksäcke für ihre Kinder zu packen.

Hinsichtlich der Verantwortungszuweisung für die Lösung des „Plastikproblems“ sahen die Teilnehmer sowohl jeden Einzelnen als auch die Industrie in der Pflicht:

Einerseits müsse die Industrie Lösungen anbieten, weil sie dafür verantwortlich ist, dass so viele Produkte in Plastik verpackt sind. Andererseits sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher bewusster einkaufen und Produkte in Plastikverpackungen vermeiden.

Erreichbarkeit und Infrastruktur sowie Zeit und Zeitstrukturen

Die Teilnehmer merkten an, dass Orte wie verpackungsfreie Läden oder Wochenmärkte schwer zu erreichen seien und der Weg dorthin mehr Zeit und Mühe erfordere als der Besuch von Supermärkten oder Discountern.

Auch die Zeit allgemein ist eine weitere entscheidende Barriere für plastikfreies Einkaufen. Aufgrund der langen Anfahrtswege würde der Gang zu plastikfreien Geschäften und Märkten für die meisten Menschen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Das Einkaufen selbst würde auch länger dauern, wenn die Kunden die Lebensmittel in ihre eigenen Behälter abfüllen, und die Behälter müssten anschließend gereinigt werden. Zudem nimmt die Zubereitung unverarbeiteter Lebensmittel mehr Zeit in Anspruch.

Bequemlichkeit und Konsumkultur

Einen weiteren zeitlichen Aspekt bringen eigene Verpackungen mit sich. So berichteten die Teilnehmer, dass es für sie unpraktisch sei, ihre eigenen Behälter zum Einkaufen mitzubringen. Sie müssten dann die Behälter entweder mit zur Arbeit nehmen oder längere Wege in Kauf nehmen.

Die Teilnehmer bekundeten, beim Einkaufen keinen großen Wert auf den Aspekt einer „großen Produktauswahl“ zu legen. Viele betonten jedoch, dass es wichtig sei, die gewünschten Produkte im Geschäft zu finden. Indirekt, so die Forscher, forderten sie damit also doch eine breite Produktpalette. Diese sei wiederum für den Handel mit einem Unverpackt-Konzept schwer umsetzbar.

Zudem wurde in der Auswertung der Fokusgruppen deutlich, dass unsere Kultur des Spontan- und To-go-Konsums die Reduktion von Plastikmüll erschwert. Vielen Diskussionsteilnehmern war demzufolge nicht bewusst, dass nicht-regionale und nicht-saisonale Lebensmittel, die dennoch ganz selbstverständlich jeden Tag gegessen werden, auf eine Verpackung für den weiten Transport angewiesen sind.

Unverpackte Waren weder günstig noch bequem

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass derzeit viel Aufwand und Wissen erforderlich ist, um Plastikverpackungen zu vermeiden“, sagte Projektleiterin und Ko-Autorin Katharina Beyerl. Weiter sagte sie:

Damit Waren ohne Einweg-Kunststoff-Verpackungen und möglichst unverpackt die günstigste und bequemste Option sind, müssen wir Infrastrukturen, wirtschaftliche Anreize und politische Rahmenbedingungen ändern.“

Das Ziel, den Verbrauch von Plastikverpackungen zu reduzieren, werde nicht durch höhere Recyclingquoten erreicht oder dadurch, dass die Verbraucher aufgefordert werden, ausschließlich in Zero-Waste-Läden einzukaufen. Es erfordere grundlegende gesellschaftliche Struktur- und Lebensstiländerungen sowie einen Kulturwandel.

(Mit Material des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung; redaktionelle Bearbeitung ts)



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