Studie: Wer dem Narrativ misstraut, sucht lieber selbst
Die letzten Jahre brachten nicht nur Corona, sondern auch ein neues Vokabular: Unbekannte Ausdrücke wie „Inzidenz“, „Lockdown“ oder „Myokarditis“ wurden in den normalen Sprachgebrauch übernommen. Ein anderer Ausdruck war Sedona Chinn von der Universität von Wisconsin-Madison (USA) bereits bekannt: DYOR oder „Do your own research“, was frei übersetzt so viel heißt wie: „Mach deine eigene Recherche“ (MDER).
Die Professorin für Kommunikation in den Biowissenschaften beschäftigte sich mit Fehlinformationen und Gesundheitskommunikation und hatte „den Satz schon vor der Pandemie oft gehört“. Mit Kommunikationsprofessorin Ariel Hasell von der Universität von Michigan forscht sie bereits seit 2019 an dem Begriff, der für sie „aus einer Menge Online-Antiimpfrhetorik“ stammt.
Eigene Recherche hat den Hauch der Verschwörung
Bezogen auf die Zeit vor Corona schreiben die beiden Forscherinnen, dass sie Menschen kannten, „die bereit waren, gelegentlich seltsame, unbewiesene Dinge zu tun, typischerweise im Zusammenhang mit der Gesundheit. Es ist nicht so, dass sie Ärzte und medizinisches Fachwissen ablehnen, aber sie glauben, dass ihre Meinung genauso gültig sein kann, wenn sie selbst recherchieren“, konkretisiert Chinn. – Dann kam das Jahr 2020.
In Anbetracht des komplizierten und oft verwirrenden globalen Gesundheitsnotstands als auch in der relativ chaotischen nationalen Politik in den Vereinigten Staaten hatte der Begriff Hochkonjunktur.
Die Verwendung wuchs schnell, sagt Chinn, „popularisiert durch Q-Anon und andere verschwörerische Gruppen, auf extremere und gefährlichere Weise“. Dabei verlor die Phrase ihre Unschuld und stand fortan „eher [in] Verbindungen zu bestimmten politischen Ansichten als dem Ruf nach mehr und besserer wissenschaftlicher Forschung“.
„Schlechte Information“ meist bewahrheitet
In ihrer Mitte Juni in der Fachzeitschrift „Misinformation Review“ erschienene Studie kommen die Forscher sodann zu dem Schluss, dass Menschen, die eigene Nachforschungen befürworten, eher dazu neigen, Wissenschaftlern zu misstrauen und Fehlinformationen über COVID-19 zu glauben.
Selbst wenn man die Art der von ihnen konsumierten Medien berücksichtige, sei das Misstrauen der DYOR-Fans unter den rund 1.000 Befragten, die an der Umfrage teilgenommen hatten, gewachsen. In der Folge seien sie, als Nachrichten über erfolgreiche Impfstoffversuche bekannt wurden, schlechter über COVID-19 informiert gewesen.
„Wir haben ihr Vertrauen in die Wissenschaft und ihren Glauben an COVID im Dezember 2020 und erneut im März 2021 gemessen. Normalerweise würden wir nicht erwarten, dass sich dies allzu sehr ändert, vor allem nicht in einem so kurzen Zeitraum“, erklärte Chinn. „Aber bei den Menschen, die sich positiv über die eigene Forschung geäußert haben, konnten wir feststellen, dass ihr Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre falschen Vorstellungen über die Pandemie zunahmen.“
Ob die Einschätzung „schlecht informiert“ zum jetzigen Zeitpunkt haltbar ist, bleibt offen. Fakt ist, dass sich zahlreiche sogenannte „Verschwörungstheorien“ rund um Corona bewahrheitet haben. Dazu gehören die Herkunft des Virus, die (Un-)wirksamkeit der Corona-Spritzen, Unregelmäßigkeiten in den Zulassungsstudien, zahlreiche und schwere Nebenwirkungen, Ausbreitung der mRNA, Umwandlung in DNA und Zellschädigungen, Vertuschung und Nichterfassung von Daten, das „Impf-Abo“, fehlende Aufklärung vor sowie Behandlung nach den Impfungen und viele weitere.
Eigentlich eine gute Sache
Was Chinn am meisten fasziniere, ist die Tatsache, dass der Ratschlag „recherchieren Sie selbst“ im Allgemeinen ein ausgezeichneter Rat sei. So zeigten „viele Untersuchungen, dass Menschen, die sich mehr über Politik informieren, sich auch stärker bürgerschaftlich engagieren, und dass Menschen, die sich mehr über ihre Gesundheit informieren, bessere Behandlungsergebnisse erzielen“.
Es ist also objektiv gut, selbst zu forschen. Dies lasse sich nur schwer mit der Korrelation zwischen DYOR und COVID-Fehlinformationen in Einklang bringen. Mitunter spiegelt dies jedoch die Geschichte von DYOR beziehungsweise MDER wider:
„Do your own research“ wurde zunächst als Slogan von Milton William Cooper bekannt. In den 1990er-Jahren schrieb Cooper ein Buch und moderierte eine Radiosendung über seine Theorien über eine riesige globale Verschwörung, die unter anderem UFOs, das Kennedy-Attentat und die AIDS-Epidemie miteinander verbindet. Alle drei Themen sind bis heute umstritten und unterliegen teilweise der Geheimhaltung.
Misstrauen statt Recherche?
„DYOR-Botschaften können Skepsis unter dem Deckmantel der Informiertheit und Unabhängigkeit fördern“, so Chinn. Die Leute glaubten, „man solle ‚seine eigene Recherche anstellen‘, weil man dem, was sie einem erzählen, vielleicht nicht trauen kann. Man braucht also eine alternative Forschung oder alternative Informationen, um das auszugleichen, was man für potenziell unzuverlässige institutionelle Wissensquellen hält.“
„Wenn wir weiter nachforschen, stellen wir fest, dass die Aussage ‚Recherchieren Sie selbst‘ [in den sozialen Medien] nicht wirklich mit der Suche nach Informationen verbunden ist“, sagt Chinn anlässlich weiterer Auswertungen. „Es sieht eher nach einem Ausdruck einer Anti-Establishment-Weltanschauung aus als nach einem Interesse daran, mehr oder bessere Beweise zu einem bestimmten Thema zu finden.“ Zumindest das deutsche Akronym von „Mach Deine Eigene Recherche“ lässt sich in diesem Sinne leicht umdeuten: „Misstraue Deiner Eigenen Regierung“.
Misstrauen allein bringt jedoch kein Erkenntnisgewinn und es besteht die Gefahr, ins andere Extrem abzurutschen. Wer seine Meinung für die einzige unveränderliche Wahrheit hält, hat mit Sicherheit Unrecht. Wenn uns Corona und die nach und nach ans Licht kommenden Wahrheiten eins gelehrt haben, dann sollte es sein, dass die Wissenschaft, egal wie „richtig“ sie heute ist, morgen bereits neue Ergebnisse liefern kann oder die von vorgestern bestätigt.
Erst die Vielfalt und Offenheit von Forschung und Forschern ermöglichen ein umfassendes Bild – so lange, bis neue Erkenntnisse „tabula rasa“ machen.
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