Teure „Neutralität“: Kopftuchverbot kostete Berlin Zehntausende Euro
Die geltenden Restriktionen für religiöse Symbole an Schulen – insbesondere das Kopftuchverbot – hat Berlin bereits mehrere zehntausend Euro gekostet. Dies geht aus der Antwort der Bildungsverwaltung auf eine schriftliche Anfrage aus der Linksfraktion hervor. Der „Tagesspiegel“ berichtet über die Korrespondenz des Senats mit der Abgeordneten Elif Eralp.
Dem Bericht zufolge hat das Land bereits Entschädigung in Höhe von 22.170 Euro an betroffene Frauen bezahlt. Diesen hatte Berlin wegen ihrer sichtbaren Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft eine Einstellung als Lehrerinnen an öffentlichen Schulen verweigert.
Land Berlin beruft sich auf „weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates“
Seit dem Jahr 2005 gilt in Berlin das sogenannte Neutralitätsgesetz. Es verbietet bestimmten öffentlich Bediensteten pauschal, in Ausübung ihrer Position Kleidungsstücke oder Accessoires zu tragen, die als religiös lesbar gelten. Kern des Gesetzes war dabei ein Kopftuchverbot. Dieses führte dazu, dass mehrere muslimische Frauen nicht als Erzieherinnen, Lehrerinnen oder in der Rechtspflege eingestellt wurden.
Ausnahmen gab es nur für Lehrkräfte, die Religions- oder Weltanschauungsunterricht erteilen. Zudem galt das Verbot nicht in beruflichen Schulen oder solchen des zweiten Bildungswegs. Das Land begründete die Regelung mit der „weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates“. Diese sah man bereits durch das bloße Tragen von Kopftüchern, Kippot, Kreuz-Halsketten oder Turbanen gefährdet. Auf das tatsächliche Gebaren am Arbeitsplatz komme es dabei nicht mehr an.
In Berlin leben Menschen aus etwa 170 Nationen. Wie die Stadt selbst auf ihrem Webportal erklärt, sind Angehörige von mehr als 250 unterschiedlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften dort beheimatet.
BVerfG: Pauschales Kopftuchverbot mit abstrakter Begründung unverhältnismäßig
Bereits im Jahr 2015 hat das Bundesverfassungsgericht das pauschale Verbot für verfassungswidrig erklärt. Ein Kopftuchverbot sei unverhältnismäßig, wenn es sich lediglich auf eine abstrakte Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität stütze. So weitreichende Eingriffe in die Religionsfreiheit seien nur bei Nachweis einer konkreten Gefährdung gerechtfertigt.
Muslimische Verbände halten diese Rechtsprechung zwar immer noch für missbrauchsanfällig. So könnte sich eine Schule potenziell auf eine „konkrete Gefährdung des Schulfriedens“ berufen, wenn religionsfeindliche Kollegen am Kopftuch Anstoß nehmen. Die Latte für eine Untersagung liegt infolge des Urteils aus Karlsruhe jedoch höher.
Zudem hatte auch das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2020 die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. Erst zu Beginn des Jahres hatte das BVerfG es abgelehnt, sich mit einer dagegen gerichteten Beschwerde des Berliner Senats zu beschäftigen.
Linkspartei hatte Abkehr vom Kopftuchverbot gefordert
Aus der Antwort der Bildungsverwaltung geht hervor, dass der Senat zwar am Neutralitätsgesetz festhalten will. Allerdings wolle man sich künftig an der „verfassungskonformen Auslegung des Bundesarbeitsgerichts orientieren“. SPD und CDU wollen es zudem „gerichtsfest anpassen“. Darauf einigte man sich in den Sondierungsgesprächen.
Eralp, die auch Sprecherin ihrer Fraktion für Antidiskriminierung ist, wertet diese Ankündigung gegenüber dem „Tagesspiegel“ als „positives Zeichen“. Sie sei „sehr froh“ über das sich abzeichnende Ende des „rechtswidrigen Zustands, keine kopftuchtragenden Frauen an öffentlichen Schulen als Lehrkräfte zu beschäftigen“. Die Linkspartei hatte als einzige im Berliner Abgeordnetenhaus vertretene Partei schon im Wahlkampf die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes gefordert.
Nun fordert Eralp von der Bildungsverwaltung, alle bislang wegen ihres Hidschabs abgelehnten Frauen zur erneuten Bewerbung einzuladen. Dies sei auch in Anbetracht des Fachkräftemangels sinnvoll:
Wir haben in Berlin einen Lehrkräftemangel und brauchen kluge Köpfe.“
Die Bildungsverwaltung erklärte dazu, die früheren Fälle abgelehnter Bewerbungen würden „gegenwärtig geprüft“.
Fachkräftemangel im Bildungswesen vor allem in den Stadtstaaten groß
In Deutschland leben derzeit zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland. Das entspricht etwa 6,4 bis 6,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. In Berlin beträgt der Anteil etwa neun Prozent.
Exakte Angaben über muslimische Frauen in erwerbsfähigem Alter gibt es für Berlin und Umgebung nicht. Der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ des Bundesministeriums des Innern zufolge tragen etwa 30 Prozent muslimischer Frauen im Land ein Kopftuch.
Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gab es im Jahr 2019 bundesweit rund 108.000 offene Stellen für Erzieherinnen und Erzieher. Dazu kamen rund 34.000 offene Stellen für Lehrkräfte. Die Engpässe waren besonders groß in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sowie in Bayern und Baden-Württemberg.
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