Transfrau als Leuchtturmwärter: „Herr Ingeborg“ erobert das „Sandmännchen“

Das „Sandmännchen“ gehört zu den wenigen DDR-Produktionen, die auch im wiedervereinigten Deutschland weitergeführt wurden. Mit Transfrau „Herr Ingeborg“ hat die Kindersendung nun einen neuen Charakter.
Wurde mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet: Das Sandmännchen.
Wurde mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet: Das Sandmännchen.Foto: Carsten Koall/dpa/Archiv
Von 5. August 2023

Oberlippenbart und Glatze, aber Lippenstift und Rouge zum Frauenkleid: Mit „Herr Ingeborg“ hat nach 64 Jahren erstmals eine Transfrau die Kindersendung „Unser Sandmännchen“ erobert. Den Titel der Folge – „Der dunkle Planet“ – nehmen Kritiker wie Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering dabei möglicherweise als symbolträchtig wahr.

Kritik aus der CDU in Hamburg

Wie „Bild“ berichtet, hat sich der Unionspolitiker kritisch zu der Produktion geäußert. Er bezweifelte, dass „eine solche Darstellung in einer Sendung für Kinder ab 3 Jahren sein muss und angemessen ist.“ Die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sollten „sich hinterfragen, wie sie mit ihrem Programmauftrag verantwortungsvoll umgehen.“

Die Geschichte selbst ist wenig spektakulär. „Raketenflieger Timmi“ wird von „Herrn Ingeborg“, dem Leuchtturmwärter seines eigenen Planeten, zu Hilfe gerufen. Dieser erhält eine neue Glühlampe und kehrt auf diesen zurück. Ob „Herr Ingeborg“ auch ein Transager sein soll, bleibt ungeklärt. Er spricht jedenfalls über die gesamte Dauer der Folge hinweg mit einer Kinderstimme. Die Folge, die am 22. Juli zu sehen war, ist in der Mediathek des zuletzt mehrfach in die Kritik geratenen „KiKA“ mittlerweile nicht mehr aufrufbar.

MDR will „besondere oder überraschende Figuren“ in Handlung einflechten

Dem für die Produktion verantwortlichen MDR zufolge gibt es die Folge mit „Herrn Ingeborg“ bereits seit 2021. Im Zusammenhang mit der Fantasiereise von „Raketenflieger Timmi“ und dessen Teddybären ins Weltall behalte man sich vor, über „besondere oder überraschende Figuren zu erzählen.“

Gegenüber „Bild“ erklärt der Sender, seit der Erstausstrahlung des „dunklen Planeten“ habe es „Rückmeldungen von Eltern in einem üblichen Rahmen“ gegeben. Darüber, wie diese ausgesehen haben, lässt der MDR die Anfragenden im Unklaren. Fragen, wofür „Herr Ingeborg“ stehe und ab wann Kinder mit Themen wie Sexualität oder Geschlechterrollen behelligt werden sollen, bleiben offen.

„Sandmännchen“ – die Erfolgsgeschichte eines DDR-Formats

„Unser Sandmännchen“ gehört zu den ältesten nach wie vor produzierten Sendereihen in der Geschichte des Fernsehens. Seit 1959 hatten die ARD für Westdeutschland und der „Deutsche Fernsehfunk“ (DFF) für die DDR die Kindersendung produziert. Der „Sandmann“ geht dabei auf eine Märchenfigur von E. T. A. Hoffmann zurück – allerdings findet diese in der Kindersendung eine positive Deutung.

Dabei hatte das DDR-Fernsehen von der westdeutschen Produktionsplanung erfahren und eilig ein eigenes Konzept für eine Gute-Nacht-Sendung für Kinder entwickelt. Der DFF kam mit der Erstausstrahlung von „Unser Sandmännchen“ der ARD am Ende sogar zuvor.

Die DDR-Kinder konnten schon am 22. November 1959 die für sie konzipierte Fassung sehen. Die westdeutsche Variante, „Sandmännchens Gruß für Kinder“ vom „Sender Freies Berlin“ (SFB), hatte am 1. Dezember 1959 ihre Premiere. Zudem erwies diese sich als Reinfall: Kinder hatten Angst vor der als „dämonenhaft“ wahrgenommenen Puppe – und die West-Fassung musste mehrere Neukonzeptionen durchlaufen.

„Ach du meine Nase“: Briefaktion veranlasste ARD zur Übernahme des DDR-Formats

Seit 1984 nahmen immer mehr Sendeanstalten der ARD ihr „Sandmännchen“ aus dem Programm. Am 31. März 1989 stellte die öffentlich-rechtliche Anstalt die Ausstrahlung komplett ein. Die DDR-Fassung hingegen gehörte im späteren Beitrittsgebiet zu den beliebtesten Formaten des DFF.

Neben der als sympathisch wahrgenommenen Sandmann-Figur und der eingängigen Melodie brachten es Charaktere wie Pittiplatsch, Herr Fuchs oder Frau Elster zu Kultstatus. Aufgrund einer groß angelegten Briefaktion der Zuschauer anlässlich der Auflösung des DFF sah sich die ARD veranlasst, das Ost-Sandmännchen weiterzuführen.

Heute erreicht das Format eine Zuschauerzahl von täglich rund 1,5 Millionen Zuschauern. Damit gehört das „Sandmännchen“ nach wie vor zu den beliebtesten Kindersendungen des deutschen Fernsehens.

Aus für das propagandafreie „Sandmännchen“?

Zu einer politischen Vereinnahmung des „Sandmännchens“ in der DDR kam es verhältnismäßig selten. Dies war ebenfalls einer der Gründe für das hohe Maß an Beliebtheit der Sendung im sozialistischen Teilstaat. Allerdings hatte der DFF Sondersendungen zu Anlässen wie dem „Tag der NVA“ oder zur Würdigung der „Jungen Pioniere“ produziert.

Dazu kamen Episoden, in denen das Sandmännchen sozialistische Bruderländer wie Kuba, Vietnam oder die Sowjetunion besuchte. Unterm Strich blieb die Sendung jedoch weit überwiegend propagandafrei. Folgen wie „Der dunkle Planet“ wecken nun Sorgen, dem „Sandmännchen“ könnte diese Eigenschaft wieder abhandenkommen. Politikwissenschaftler Prof. Dr. Martin Wagener äußert auf Twitter:



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