Veganismus eine Religion? Bundesheer will keine veganen Menüs auftischen

In Österreichs Bundesheer wurden Lösungen für die Speisegesetze und Präferenzen von Juden, Muslimen und Vegetariern gefunden. Veganer fühlen sich hingegen übergangen. Ein Gardesoldat hat nun eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen.
Titelbild
Österreichische Soldaten bei einer Patrouille an der Grenze zu Slowenien.Foto: Marija Kanizaj/dpa
Von 24. Juni 2022

Sind Veganer einer religiösen Minderheit gleichzustellen und in Speiseplänen öffentlicher Institutionen entsprechend zu berücksichtigen?

Ein Gardesoldat im österreichischen Bundesheer meint, dies sei der Fall. Wie der „Standard“ berichtet, hat er die Bürgerinitiative zur „Bereitstellung einer rein pflanzlichen, wahlweisen Verpflegungsoption im Bundesministerium für Landesverteidigung“ ins Leben gerufen.

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Der Soldat, der sich seit zwei Jahren ausschließlich pflanzlich ernährt, beklagt, dass er und seine Gleichgesinnten bei der Verpflegung im Dienst auf Beilagen angewiesen seien – was am Ende einen Proteinmangel bewirke.

Derzeit bietet das Bundesheer zwar eine Auswahl an Speisen an, die Muslimen und Juden die Beachtung ihrer Speisevorschriften ermöglicht, dazu auch jedes Mal ein fleischloses Angebot – allerdings kein strikt veganes.

Mit dem Gardesoldaten argumentieren gleichgesinnte Kameraden, der Veganismus sei eine Weltanschauung und damit den religiösen Bekenntnissen mit ihren Speisegesetzen gleichzustellen. Wenn die Initiative mindestens 500 Unterschriften erreicht, muss sie zumindest im Petitionsausschuss des Nationalrats behandelt werden.

Ministerium: Bundesheer „kein Gastronomieunternehmen“

Das Bundesheer sperrt sich bislang gegen weitere Variationen im Bereich der Verpflegung. Dort hält man es für unwirtschaftlich und vor allem nicht praktikabel, zusätzlich auch vegane Kost bei jeder Mahlzeit anzubieten.

Ernährungswissenschaftler attestieren dem Ministerium, diese sei „nicht vollwertig“. Es sei nicht machbar, wegen einer Handvoll veganer Soldaten in einer Kaserne eine eigene Verpflegungslinie aufzubauen – und insbesondere im Feld sei es faktisch unmöglich, diesen Ansprüchen gerecht zu werden.

Das Bundesheer sei, so heißt es aus dem Ministerium, für den Einsatz ausgerichtet und „kein Gastronomieunternehmen“. Zudem würde es „beim Einsatz in der Westsahara […] mit der veganen Verpflegung schwierig werden“.

Verfassungsrechtsexperte Peter Bußjäger erklärt gegenüber dem „Standard“, es sei tatsächlich zutreffend, dass Veganer der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zufolge grundsätzlich als Angehörige einer Weltanschauungsgemeinschaft den Schutz durch Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) genießen. Dieser gewährleistet die Glaubens- und Gewissensfreiheit und steht in Österreich im Verfassungsrang.

Bald verpflichtendes Optionsmenü für Veganer auch an Schulen?

Eine Garantie dafür, dass das Begehren der Veganer im Heer auf juristischem Wege Erfolg habe, gebe es jedoch nicht: Immerhin käme es auch bei der schützenswerten Weltanschauung des Veganismus auf die Verhältnismäßigkeit an. Diese könnte insbesondere unter Einsatzbedingungen nicht immer angenommen werden.

Im Fall von streng religiösen Juden oder Muslimen löst das Bundesheer etwaige Probleme, indem sie die Betreffenden an bestimmten Standorten zusammenführt. Juden bekämen statt koscherer Verpflegung aus der Heeresküche einen Gutschein für ein entsprechendes Restaurant nahe dem Verteidigungsministerium – angesichts der geringen Anzahl der Betroffenen sei dies sogar die praktischste Lösung.

Bezüglich strikter Veganer wäre ein ähnliches Vorgehen möglich. Allerdings befürchtet man in Österreichs politischer Führung einen möglichen Präzedenzfall. Würde der Verfassungsgerichtshof auch noch die spezielle vegane Option zur Pflicht im Bereich der Verpflegung von Soldaten des Bundesheeres erklären, könnten Schulen, öffentliche Krankenhäuser und Gefängnisse als Nächstes von dem zusätzlichen finanziellen und logistischen Aufwand betroffen sein.



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