Was steckt hinter der Mehrwertsteuerentlastung für pflanzliche Produkte?
Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel soll dem Präsidenten des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, „so schnell wie möglich umgesetzt werden, denn eine gesunde und gleichzeitig klimafreundliche Ernährung sollte sich in Deutschland jede und jeder leisten können“.
Laut Chefin der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Ramona Pop, würde die Mehrwertsteuerbefreiung für pflanzliche Lebensmittel „Anreize für eine gesündere Ernährung“ setzen.
Das Umweltbundesamt erklärt, dass pflanzliche Grundnahrungsmittel und andere wenig- und unverarbeitete pflanzliche Lebensmittel von der Mehrwertsteuerbefreiung betroffen sein sollen, z. B. Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreideerzeugnisse, pflanzliche Öle und Fette, Brot und Nudeln.
Für Pflanzen- und pilzbasierte Milch- und Fleischersatzprodukte (z.B. Haferdrinks) und andere stärker verarbeitete pflanzliche Lebensmittel soll die Mehrwertsteuerbefreiung nicht gelten.
Milchprodukte täglich verzehren
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) schreibt über gesunde Ernährung, dass sie ausgewogen und abwechslungsreich sein solle. Dem folgend wird vom BMG empfohlen, dass Milchprodukte, Fisch und Fleisch Teil der Ernährung sein sollen. „Milch und Milchprodukte können täglich verzehrt werden, Fisch ein- bis zweimal pro Woche. Für Fleisch wird empfohlen, sich auf 300 bis 600 Gramm pro Woche zu beschränken.“
Milch und Milchprodukte wie Käse und Joghurt können laut BMG ohne Bedenken täglich verzehrt werden. „Sie liefern hochwertiges Eiweiß und wichtige Mineralstoffe wie Kalzium und B-Vitamine.“
Epoch Times fragte die VZBV, weshalb tierische Lebensmittel von der Mehrwertsteuerbefreiung ausgeschlossen werden, wenn diese laut BMG für eine gesunde Ernährung empfohlen werden. Eine Antwort darauf gab es nicht.
Nachhaltige Ernährung
„Vor allem fettreiche Fische wie Lachs, Makrele, Hering und Forelle weisen hohe Gehalte an Omega-3-Fettsäuren auf. Ein- bis zweimal pro Woche gehört Fisch auf einen ausgewogenen Speiseplan, insbesondere fettreiche Sorten“, heißt es weiter auf der Webseite des BMG.
Fleisch solle auf 300 bis 600 Gramm die Woche beschränkt werden. Die Ernährungsberaterin Merle Werse führt gegenüber Epoch Times aus, dass Fleisch nicht pauschal ungesund ist: „Der bekannte Spruch ‚die Dosis macht das Gift‘ ist hier sehr passend. Fleisch ist an sich erstmal nicht ‚ungesund‘, allerdings kommt es auf die Menge und Häufigkeit an.“
Werse betont, dass sich Vegetarier häufig intensiver mit ihrer Ernährung auseinandersetzen. „Dabei kommt es zu einem bewussteren Konsum. Durch den erhöhten Verzehr von Obst und Gemüse haben Vegetarier oft eine sehr gute Versorgung mit Ballaststoffen.“ Der erhöhte Konsum von hingegen sehr hoch verarbeiteten Lebensmitteln, könne auf Dauer Nachteile mit sich bringen, ergänzt sie.
Außerdem könne es besonders bei der veganen Ernährung schnell zu einem Mangel an lebensnotwendigen Vitaminen und Mineralstoffen kommen. „Die Vitamine B12 und D aber auch Calcium, Eisen und Omega 3 sollten, neben der Aufnahme an Eiweiß, im Auge behalten werden“, erklärt Werse. Das BMG empfiehlt Vegetariern und Veganern sogar, dauerhaft Vitamin-B12-Präparate einzunehmen.
Reicht die Ersparnis, um der Inflation zu begegnen?
Insgesamt dürfe eine „gesunde, abwechslungsreiche und nachhaltige Ernährung“ in Deutschland „keine Frage des Geldbeutels sein“, so die Chefin der VZBV. Nach Messner führe eine Mehrwertsteuerbefreiung für Obst, Gemüse, Getreideerzeugnisse und pflanzliche Öle nach einer ersten Schätzung zu einer Entlastung von rund vier Milliarden Euro jährlich für Privathaushalte. Das wären pro Haushalt rund 48 Euro im Jahr.
Die Schätzung der Einsparung erfolgte auf Basis der Ausgaben der Privathaushalte der entsprechenden Nahrungsmittelkategorien nach Daten des Statistischen Bundesamtes. Für die Schätzung wurden die Ausgaben des Durchschnittshaushaltes inflationsbereinigt. Außerdem wurde von einer konstant bleibenden Verbrauchsmenge und gleichbleibenden Preisen ausgegangen. „Die Einsparung wurde schließlich als Differenz der hochgerechneten jährlichen Ausgaben aller Haushalte mit und ohne Mehrwertsteuerreform ermittelt“, erklärt das Umweltbundesamt.
Nach der Schätzung des UBA-Chefs würde ein Privathaushalt mit der Mehrwertsteuerbefreiung vier Euro im Monat, also einen Euro in der Woche, sparen. An einigen Beispielen lässt sich erkennen, wie hoch die Ersparnis am Ende wirklich sein wird.
In den Jahren 2020/21 wurden pro Kopf 31,3 kg Tomaten konsumiert. Bei einem Kilo-Preis von 7 Euro hätte die Person 217 Euro für Tomaten ausgegeben. Davon sind knapp 15 Euro Mehrwertsteuer. Auf einen Monat gerechnet würde die Person bei einer Mehrwertsteuerbefreiung 1,20 Euro sparen.
Ein anderes Beispiel: In den Jahren 2021/22 wurden durchschnittlich 56,1 kg Kartoffeln verbraucht. Kosten Kartoffeln 1,20 Euro pro Kilo, gibt der Verbraucher rund 67 Euro im Jahr aus. Davon sind 4,70 Euro Mehrwertsteuer. Beim Wegfallen der Mehrwertsteuer würden pro Monat 30 Cent gespart werden.
Weniger Zahlen – gesünder ernähren?
Durch steigende Preise und die Inflation haben viele Menschen ihr Kaufverhalten verändert. Der Geschäftsführer der Marketing- und Kommunikationsforschung (IMK), Sören Schiller, sagt, dass zum Beispiel weniger besondere Lebensmittel gekauft werden. „Es wird aber auch weniger weggeworfen, stärker auf regionale Marken ausgewichen oder insgesamt weniger eingekauft.“
Die Inflation hat die Lebensmittelpreise allein im Oktober 2022 zum Vorjahresmonat um 20,3 Prozent erhöht. Ein Wegfallen der Mehrwertsteuer um 7 Prozent, noch dazu nur auf ausgewählte Produkte, kann die Preissteigerungen kaum auffangen.
Ob wegen einer Mehrwertsteuerbefreiung mehr Menschen Obst und Gemüse kaufen, bleibt abzuwarten. Bei einer Ersparnis von wenigen Cent pro Einkauf kann allerdings hinterfragt werden, ob spürbar mehr pflanzliche Produkte gekauft werden.
Mit der Regelung sollte laut Pop vor allem auch eine nachhaltige Ernährung gefördert werden. Doch Fisch und Fleisch sind nicht automatisch ungesund, sondern laut Empfehlung des BMG vielmehr Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Die Regelung könnte dazu führen, den falschen Eindruck zu erzeugen, dass tierische Produkte per se ungesund seien.
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