Wie sind Pubertätsblocker in Deutschland geregelt?

Schweden und England halten die Gabe von Pubertätsblockern für nicht mehr verantwortbar. Wie sieht das in Deutschland aus?
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Kinder verkleiden sich gern.Foto: iStock
Von 17. November 2023

Weltweit explodieren die Zahlen von Kindern, die sich als Transgender definieren. Das „Deutsche Ärzteblatt“ spricht von einem Anstieg um 1.000 Prozent seit 2000. In vielen Ländern wurden seit 2010 Kindern, die sich in ihrem eigenen Geschlecht unwohl fühlen, sogenannte Pubertätsblocker verschrieben. Eigentlich wurden diese Medikamente entwickelt und getestet, um das Zellwachstum bei Hoden- oder Brustkrebs zu unterbinden. Behandelt man Menschen damit, werden sie chemisch kastriert.

Der Off-label-Use bei Kindern soll einen „Pauseknopf“ für die Geschlechtsreifung darstellen. Durch Gabe dieser Medikamente verbleiben die Kinder hormonell im Stadium eines Kindes, es entwickelt sich kein typisch männliches oder weibliches Körperbild. Auch die Entstehung von sexuellen Gefühlen wird unterdrückt.

Dadurch sollen die Kinder Zeit gewinnen, sich frei zu entscheiden, ob sie wirklich in ein anderes Geschlecht wechseln wollen. Pubertätsblocker werden als „umkehrbar“ gesehen; Kinder, die doch lieber im ursprünglichen Geschlecht bleiben, können nach Absetzen eine normale Entwicklung durchmachen. 

Die später folgenden Gegenhormone dagegen schaffen Tatsachen. Bekommen Mädchen nach Pubertätsblockern Testosteron oder Jungen Östrogen gespritzt, werden sie für immer steril. Ihre Eierstöcke entwickeln sich nicht mehr, der Penis bleibt für immer auf der Größe eines Kinderpenis.

Vor einem Jahr machte das vom Familienministerium betriebene Regenbogenportal Schlagzeilen: Dort wurde seit 2019 die Einnahme von Pubertätsblockern bagatellisiert. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) geriet ins Visier der Kritik.

Screenshot der aus dem Netz genommenen „Information“ zu Pubertätsblockern im Regenbogenportal. Die Homepage hat sich die Unterstützung und Beratung der LSBTIQ*-Community in Deutschland auf die Fahnen geschrieben. Foto: Sylvia Kreiß

Seit dem 13. Oktober 2022 ist auf der Seite des Familienministeriums nun zu lesen, dass die Bundesregierung die Einnahme von Pubertätsblockern nicht empfehle.

Auch wenn das Familienministerium dies offiziell nicht mehr empfiehlt: In Deutschland ist der Einsatz von Pubertätsblockern und Gegenhormonen ab Beginn der ersten Anzeichen von Pubertät weiterhin erlaubt, es gibt keine Hinweise auf eine bevorstehende Änderung. Konkret geregelt sind die Empfehlungen nicht über Gesetze, sondern über Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auch in der erwarteten Novelle wird laut des Kommissionsmitgliedes Prof. Alexander Korte der Einsatz von Pubertätsblockern für Kinder mit Geschlechtsdysphorie weiterhin empfohlen.

England und Skandinavien: Mittlerweile verboten

Ganz anders wird das in England und den skandinavischen Ländern gesehen: Obwohl dort Pubertätsblocker seit 2010 massiv eingesetzt wurden, ist diese Praxis mittlerweile verboten. Gegenhormone dürfen erst ab 16 (England) beziehungsweise ab 18 (Schweden) gegeben werden. Als Begründung fürs Verbot von Pubertätsblockern werden drei Gründe angeführt:

  • Es gibt kaum Evidenz, dass die behandelten Jugendlichen sich besser fühlen würden als nicht behandelte mit den gleichen Symptomen.
  • Es gibt deutliche Hinweise auf massive Nebenwirkungen.
  • Kinder, die auf Pubertätsblocker gesetzt werden, verlieren durch Unterdrückung der geschlechtlichen Reifung die Fähigkeit, aus der Geschlechtsdysphorie herauszuwachsen.

In Schweden hat das Umdenken durch eine systematische Analyse aller Publikationen zum Thema eingesetzt; in England war es der Skandal um die Tavistock-Klinik. Dort waren über Jahre Kinder ohne gründliche Therapie auf die Spur von Pubertätsblockern, Gegenhormonen und Operationen gesetzt worden.

Es ist bekannt, dass sich bei 80 bis 90 Prozent der Kinder das Gefühl, dem anderen Geschlecht anzugehören, während der Pubertät verliert. Ein Großteil von ihnen stellt sich später als homosexuell heraus und versöhnt sich mit dem eigenen Geschlecht.

Kaum ein erwachsener homosexueller Mensch wünscht sich im anderen Geschlecht zu leben, womöglich mit verstümmelten Sexualorganen. Als Kinder aber haben einige ihre Verwirrung mit der „Männerrolle“ oder „Frauenrolle“ als Leben im falschen Geschlecht gedeutet.

Da es aber im Vorhinein für Psychotherapeuten nicht möglich ist festzustellen, welche Kinder aus der Geschlechtsdysphorie herauswachsen und welche nicht, erschien die Idee des „Pauseknopfs“ den Forschern Anfang des Jahrtausends eine geniale Möglichkeit. [1]

Keine Aussöhnung mit dem eigenen Geschlecht mehr möglich

Umso überraschter waren sie, als bei der ersten Studie von Pubertätsblockern an holländischen Kindern jeder einzelne Studienteilnehmer weitermachen und Gegenhormone nehmen wollte. Wo waren die Kinder geblieben, die aus dem Unglück mit ihrem biologischen Geschlecht herauswuchsen?

Dieses Phänomen zeigt sich seitdem überall und weltweit. Aus circa 85 Prozent Abbrecherquote werden durch Gabe von Pubertätsblockern etwa 2 Prozent. Offensichtlich führt die Unterdrückung der hormonellen Entwicklung dazu, dass Kinder nicht mehr in ihre Geschlechtlichkeit hineinwachsen können.

Sie empfinden keine sexuellen Gefühle, sie verlieben sich nicht, es fehlt die sexuelle Reifung. Die Kinder verlieren die Möglichkeit, zu den weiteren Schritten der „Geschlechtsumwandlung“ Nein zu sagen.

Pubertätsblocker sind nicht der Pauseknopf, für den Wissenschaftler sie anfangs gehalten haben. Wenn Kinder Pubertätsblocker erhalten, werden sie auf ein Fließband gesetzt, auf dem nach der Gabe von Pubertätsblockern die Verschreibung von Gegenhormonen und dann das operative Entfernen von Geschlechtsteilen steht.

Und das, obwohl bekannt ist, dass ohne Einnahme von Pubertätsblockern nur etwa 15 von 100 Kindern, die mit Geschlechtsdysphorie diagnostiziert wurden, mit der Einnahme von Gegenhormonen beginnen würden.

Deshalb erhalten betroffene Kinder in Schweden und England jetzt ausschließlich Therapie und psychologische Unterstützung. Der Einsatz von Pubertätsblockern ist eng auf wissenschaftliche Studien begrenzt.

Deutschland: Noch schneller Hormone geben

In Deutschland hingegen werden sie trotzdem weiter eingesetzt – wie oft weiß niemand, weil keiner mitzählt. Weder das Statistische Bundesamt noch die Krankenkassen oder die Ärztekammer wissen, wie viele Kinder und Jugendliche betroffen sind. 

Die Richtung, die Deutschland in der Behandlung von „Transkindern“ einnimmt, ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich. Während mehr und mehr Länder von dem Einsatz von Pubertätsblockern abgehen und den Einsatz von Gegenhormonen auf Erwachsene begrenzen, empfiehlt Prof. Dr. Georg Romer, der Vorsitzende der Leitlinienkommission, nun die Verschreibung von Pubertätsblockern auf zwei Jahre zu begrenzen.

Dann soll mit der Gabe von Gegenhormonen begonnen werden. Hier können Kinder ab circa 12 Jahren schon dauerhaft sterilisiert werden, wenn ihnen der Therapeut die seelische und intellektuelle Reife zu dieser Entscheidung bestätigt.

Diese Sichtweise wird von Transverbänden auch international vertreten. Die Argumentation verläuft in etwa so: Nach der Gabe von Pubertätsblockern wollen praktisch alle Patienten zur Gegenhormontherapie übergehen, daher brauche man ihnen nicht künstlich lange die Pubertät vorzuenthalten; die Langzeitfolgen von Pubertätsblockern sind völlig unerforscht, da ist es besser, schneller zu Hormonbehandlungen überzugehen (deren Nebenwirkungen erforscht und grausig sind).

Zunehmend berichten Detransitionierer – das sind Menschen, die nach „Geschlechtsumwandlung“ wieder in ihr biologisches Geschlecht zurückwechseln –, dass ihnen Pubertätsblocker nach nur zwei oder drei Therapiesitzungen verschrieben wurden. Viele berichten von wenig Raum zum Erforschen für die Gründe des Unwohlseins im eigenen Geschlecht, vom Ausbleiben der Aufklärung über Risiken. 

Hier sind die Menschen mit so vielen anderen Problemen beschäftigt, dass die Leitliniennovelle fast unbemerkt von der Öffentlichkeit für Kinder und Jugendliche weiterhin eine Medikamentenverschreibung empfehlen kann, die wissenschaftlich kaum haltbar ist.

Im Gegenteil: Unter dem fadenscheinigen Argument, Pubertätsblocker hätten langfristig zu viele Nebenwirkungen, wird nun die noch schnellere Gabe von Gegenhormonen gefordert. Diese sind unumkehrbar und führen zur Sterilität.

[1] Diese Fakten sind wissenschaftlicher Standard und werden breit zitiert. Weitere Informationen dazu beispielsweise hier: 1987: Green, Richard, Childhood Cross-Gender Identification, Journal of Nervous and Mental Disease, p.500–509; 1999: Cohen-Kettenis and Gooren, Transsexualism: A Review of Etiology, Diagnosis and Treatment, Journal of Psychosomatic Research, p. 315–333

Transition/Detransitioning unter Pubertätsblockern: 2006: Delemarre-van de Waal and Cohen-Kettenis, Clinical Management of Gender Identity Disorder in Adolescents: A Protocol on Psychological and Paediatric Endocrinology Aspects, European Journal of Endocrinology, p. 131–137

De Vries (2014) „Puberty suppression in adolesence with gender identity disorder: a prospective follow up study, in: Pediatrics p. 696–704)

Auch bei: Helen Joyce (2022), Trans, S. 71 ff oder Michael Biggs (2023) The Technology of Puberty Suppression, in: Sex and Gender, chapter 11.



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