Wirtschaft oder Klima: Der Kabinettsausschuss berät über Ausbau von Autobahnen

Trotz drohender Überlastung des Straßennetzes gibt es Gegenwind zu den Forderungen des Verkehrsministers. Der Klimaschutz stehe an oberster Stelle, dabei gibt es für Straßen zahlreiche Konzepte im Sinne des Klimaschutzes.
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Stau ist keine Seltenheit. Daher Wissings Forderung: Der Ausbau von Straßen soll überragendes öffentliches Interesse werden.Foto: iStock/XXLPhoto
Von 28. Januar 2023

Der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) fordert den Ausbau von Autobahnen, um eine Überlastung der Straßen zu verhindern. Unmittelbar vor dem Treffen des Koalitionsausschusses erhöhen die Grünen den Druck auf den Politiker. Bei dem Gespräch der Ampel-Partner soll die Verkehrs- und Klimapolitik ein Thema sein.

Wissing solle deutlich mehr für den Klimaschutz tun, so die Forderungen der Grünen. Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang in der Donnerstagsausgabe: „Das Klimaschutzsofortprogramm liegt vor und enthält Maßnahmen für alle Ressorts, denn alle müssen ihren Beitrag leisten. Nur im Verkehrssektor klafft eine riesige Lücke.“

„Statt über weitere klimaschädliche Maßnahmen, etwa die Beschleunigung von Autobahnneubauten zu spekulieren, braucht es jetzt dringend einen Plan, wie der Verkehr seine Klimaziele erreicht“, fordert Lang. Damit richtet sie sich gegen den Ausbau von Autobahnen, wie Wissing ihn fordert.

Der Vorschlag des Verkehrsministers sieht vor, dass überlastete Autobahnen um eine zusätzliche Spur verbreitert werden sollen. Weiter fordert er, dass der Neu- und Ausbau von Straßen künftig in einem überragenden öffentliche Interesse liegt – wie auch der Ausbau von erneuerbaren Energien. Das führe nicht zu mehr, sondern zu einem schnelleren Straßenbau, argumentiert Wissing. „Und es ist für die Umwelt ja egal, ob eine Straße langsam gebaut wird oder ob sie zügig gebaut wird.“

Das Umweltministerium ist dagegen und befürchtet, dass dies dem Umweltschutz schadet.

Umweltministerium bezieht Stellung

Das Umweltbundesamt schreibt deutlich auf deren Seite: „Das Straßenverkehrsrecht steht in seiner gegenwärtigen Form einer klimagerechten Mobilität im Weg.“ Diverse Ziele und Anforderungen wie auch der ⁠Klimaschutz⁠ seien nicht berücksichtigt.

Daher die Forderung: Klimaschutz als Zielsetzung fest im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu verankern.

Zudem bedürfe es einer Planung, welche Infrastrukturen für mehr Klimaschutz im Verkehr erforderlich sind. In der Koalitionsvereinbarung „Bundesverkehrswege- und mobilitätsplan 2040“ solle dies mit einbezogen werden. Allerdings müssten dabei ökologische und soziale Interessen berücksichtigt werden. Wirtschaftliche Interessen werden vom Umweltbundesamt nicht erwähnt.

Autobahnen verbreitern

Wissing hingegen befürchtet durch eine Überlastung des Schienennetzes und der Straßen wirtschaftlichen Folgen für Deutschland.

Im vergangenen Jahr seien über Autobahnen 3,7 Milliarden Tonnen Güter transportiert worden – zehnmal so viel wie über die Schiene. „2023 werden es noch mal 50 Millionen Tonnen mehr“, führt Wissing aus. Das könne nicht alles über die Schiene gestemmt werden.

„Auch wenn es nicht allen gefällt: Es wird auf deutschen Straßen mehr Verkehr geben, und wir müssen damit umgehen. Sonst steht die Wirtschaft bald still, und wir verlieren Arbeitsplätze“, ergänzt Wissing.

Nötig seien der Ausbau der transeuropäischen Netze oder eine Anbindung der Ukraine. Wissing nennt es daher albern, zu denken, „man könnte das Straßennetz einfrieren und auf ewig so belassen. Das ist eine Vorstellung, die der Realität einer Gesellschaft nicht gerecht wird.“

Klimaschutz nicht ausgeschlossen

Zudem begründet er seine Forderung mit der individuellen Freiheit der Bürger: „Autofahren bedeutet Freiheit, Flexibilität und Privatsphäre, im ländlichen Raum und im Alter außerdem Teilhabe und Selbstbestimmung. Die Deutschen erwarten deshalb zu Recht, dass unsere Straßen in einem guten Zustand sind.“

Zudem würde seine Forderung den Klimaschutz nicht ausschließen: „Wir müssen klimaneutralen Verkehr auf der Straße ermöglichen, mit mehr E-Autos und CO₂-neutralen Kraftstoffen, auch im Güterverkehr.“

Baustoffrecycling

In die Debatte mit einbezogen werden sollte auch, dass sich die Technik in verschiedenen Bereichen weiterentwickelt. So auch im Straßenbau. In Baden-Württemberg beispielsweise werden bis zu 80 Prozent einzelner Asphaltschichten wiederverwendet. Kurz gesagt handelt es sich um Baustoffrecycling.

Durch die Wiederverwendung von Asphalt wird Herstellungsenergie gespart, Deponieflächen geschont und der Einsatz von Primärrohstoffen reduziert.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann ist sich sicher, dass die Wiederverwendung von Baustoffen ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz sei. „Das Land Baden-Württemberg setzt sich daher seit Jahren für eine ressourcenschonende Bauweise als Stand der Technik ein.“

Für den Bund gibt es derzeit noch keine einheitlichen Regeln für Baustoffrecycling. Am 1. August 2023 tritt jedoch die „Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz“ in Kraft. Diese hat vor allem den Schutz von Böden und Grundwasser bei der Verwendung mineralischer Ersatzbaustoffe zum Ziel. Gleichzeitig soll die Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen vermieden werden, indem möglichst viele mineralische Abfälle verwertet werden.

Die Zunahme von Baustoffrecycling dürfte in der Debatte um Wissings Forderung, Autobahnen auszubauen, einen neuen Aspekt bringen. Inwieweit sich die Debatte um den Straßenbau tatsächlich erweitert, bleibt offen.



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