Wo ist der Wolf? Spurenleser und die Magie der Natur
Die Verwechslungsgefahr ist groß: Bürger wollen einen Wolf auf Wanderschaft gesehen haben und melden sich bei den Behörden – am Ende ist es doch nur ein großer Hund. Auch Paul Wernicke kann sich nicht immer hundertprozentig sicher sein, denn die Trittsiegel, also die Pfotenabdrücke, sind sehr ähnlich. Der 45-Jährige leitet eine Wildnisschule im brandenburgischen Bad Belzig und unterstützt das Wolfsmonitoring des Bundeslandes als Fährtenleser.
„Es hat schon was Magisches, weil man den einfach nicht häufig sieht“, sagt er über seine Begegnungen mit dem Wolf. An diesem kühlen Herbstvormittag ist er mit zwei Begleitern in einem Wald im Naturpark Hoher Fläming unterwegs. Seit einem ersten Kurs, da war er Mitte 20, sei er süchtig nach Tierspuren und Geschichten aus der Natur, erzählt Wildnispädagoge Wernicke. „Für mich gibt es nicht Schöneres als draußen zu sein.“
Im Wald sammeln die Fährtensucher Haare und Kotproben, versuchen, die Trittsiegel von Wölfen auszumachen. Markierungspfeile, mit denen sie Spuren am Boden kennzeichnen, ein Zollstock, manchmal auch eine Wärmebildkamera gehören zur Ausrüstung. In der Landschaft des Naturparks Hoher Fläming sollen mehrere Wolfsrudel leben. Aufsehen hatte 2017 ein Jäger aus Dänemark erregt, der eine Wölfin während einer Treibjagd bei Bad Belzig erschossen hatte. Der Wolf ist in Deutschland eine streng geschützte Art und darf – abseits seltener Ausnahmeregelungen – nicht bejagt werden.
Wo ist der Wolf?
In einem Buchenwäldchen inspizieren die Spurenleser eine Höhle – eine mögliche Wurfhöhle, wie sie eine Wölfin für die Geburt ihres Nachwuchses gräbt, wie Wernicke erklärt. Immer weiter kriecht er in den Bau, bis nur noch seine Waden und Füße herausschauen. Frische Wolfsspuren oder Hinterlassenschaften sind jedoch nicht zu finden.
„Also ich habe lange Jahre Wolfskurse gegeben, bevor ich meinen ersten Wolf gesehen habe“, meint Paul Wernicke, der mit seiner Familie abgelegen am Waldrand lebt. Jetzt sei das anders: „Der Wolf läuft regelmäßig 15 Meter hinter meinem Haus an der Feldkante entlang.“
Ausbreitung auf inzwischen 182 Wolfsrudel in Deutschland
Deutschland ist wieder Wolfsland geworden. Die zur Tierfamilie der Hunde gehörenden Wildtiere breiten sich stetig aus. Nach neuesten Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz gibt es 184 Rudel, also Wolfsfamilien – 22 mehr als im vorherigen Monitoringjahr 2021/22, das von Anfang Mai bis Ende April des Folgejahres dauert. Die meisten leben in Brandenburg.
Rückschlüsse auf den Bestand werden unter anderem mit genetischen Untersuchungen von Kot, Haaren und Abstrichen gerissener Beutetiere gezogen. Auch Fotofallen gelten nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz als bewährte Methode. Ehrenamtliche Wolfsbeauftragte unterstützen das Monitoring.
Attacken auf Weidetiere verärgern Landwirte, längst gibt es die Forderungen nach Abschussquoten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will schnellere Abschüsse einzelner Wölfe in Regionen ermöglichen, in denen vermehrt Weidetiere gerissen werden. Umwelt- und Tierschützer etwa vom Naturschutzbund (Nabu) können sich damit anfreunden, Jägern und Bauern reicht das geplante Vorgehen nicht.
Bei den Spurenlesern aus Bad Belzig überwiegt die Leidenschaft für den Wolf. Ein Schädel steht als 3D-Modell in der Wildnisschule, Wolfshaare werden in Plastiktütchen aufbewahrt, anhand von Pfotenabdrücken in Ton lässt sich erklären, woran man eine Wolfsspur erkennen kann. „Ich glaube, dass es langsam durchsickert in der Gesellschaft, dass Naturverbundensein, sich da draußen auskennen, sich da auch wohlfühlen, eine immer höhere Bedeutung bekommt“, meint Wildnispädagoge Wernicke.
Wolf, Fuchs oder Goldschakal?
Künftig könnte neben Fuchs und Wolf ein dritter größerer Räuber vermehrt Spuren hinterlassen: der Goldschakal. Laut Deutscher Wildtier Stiftung breitet sich die ursprünglich in Asien und auf dem Balkan lebende Spezies nach Nord- und Westeuropa und damit auch in Deutschland aus. Der Goldschakal ist eng mit dem Wolf verwandt, aber wesentlich kleiner und scheuer. Den ersten dokumentierten Nachweis hatte es bereits 1997 in Brandenburg gegeben. In den letzten Jahren folgten Sichtungen in immer mehr Bundesländern. In etablierten Wolfsterritorien wird der Goldschakal sich bisherigen Erkenntnissen zufolge allerdings kaum niederlassen – sein großer Bruder stellt eine tödliche Gefahr für ihn dar. (dpa)
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