AOK-Familienstudie: „Wissensmangel erschwert klimafreundliche Ernährung“

Milch, Hülsenfrüchte oder Rind, welches dieser Lebensmittel würden Sie als „klimaschädlich“ einordnen? Diese und weitere Fragen mussten Eltern im Rahmen einer Umfrage beantworten.
Ist klimafreundliche Ernährung gesund?
Nicht alles, was in der Brotdose landet, ist gesund oder „klimafreundlich“. (Symbolbild)Foto: iStock
Von 1. April 2023

In der kürzlich veröffentlichten AOK-Familienstudie wurde der Zusammenhang zwischen dem Wissensmangel und der Schwierigkeit, eine „klimafreundliche Ernährung“ zu praktizieren, thematisiert. Die Daten dazu lieferte eine vom IGES Institut erhobene Umfrage von 8.500 Eltern mit Kindern im Alter von vier bis 14 Jahren.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, stimmten 82 Prozent der befragten Eltern der Aussage „Die Klimakrise bedroht die Zukunft meiner Kinder“ zu. Vier von fünf Befragten schätzen den Einfluss der Ernährung auf Klima und Umwelt als bedeutsam ein. 41 Prozent haben nach eigenen Angaben „aufgrund der Klimakrise ihr Essverhalten“ verändert. Bei den übrigen 59 Prozent spielt das Klima bei der Entscheidung, was auf dem Teller landet, hingegen keine Rolle.

Auf die Frage, was das klimaschädlichste Nahrungsmittel aus einer vorgegebenen Liste aus Hülsenfrüchten, Milchprodukten, Geflügel-, Schweine- und Rindfleisch sein könnte, tippten acht Prozent der 8.332 Befragten auf den Anbau von Hülsenfrüchten wie Erbsen, Linsen und Bohnen. Acht Prozent sahen die Produktion von Geflügelfleisch als problematisch an, während sich 44 Prozent für Rindfleisch entschieden. 30 Prozent wählten Schweinefleisch und zehn Prozent Milchprodukte als besonders klimaschädliche Lebensmittel aus.

„Möglicherweise fehlt in vielen Familien auch das Wissen, was genau eigentlich eine klima- und umweltfreundliche Ernährung ausmacht“, heißt es in dem AOK-Bericht. Anders könne man sich den Umstand, dass nur 44 Prozent der Befragten mit der Antwort Rindfleisch „richtig lag“ nicht erklären.

Agenda für Kinder und Schulen

Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, erklärte nach Erhebung der Studie: „Klimafreundliche Ernährung sollte ein Thema in Kitas und Schulen werden – auch bei Elternabenden und Elterngesprächen ist ein Austausch dazu möglich. Informationen zu Nährwerten, Inhaltsstoffen und Umweltauswirkungen von Lebensmitteln müssen für Verbraucherinnen und Verbraucher leicht auffindbar und verständlich sein.“

Um schon Kinder für „klima- und umweltfreundliche Ernährung“ zu stärken, unterstützt die AOK Projekte im Rahmen der „Gemüseackerdemie“, zu denen beispielsweise der Schulgartenunterricht gehört.

„Kinder, die Gemüse anbauen und in der Schulküche verarbeiten, bekommen ein anderes Grundverständnis für eine regionale, saisonale und gesunde Ernährung. Hier müssen Routinen entwickelt werden, die zur alltäglichen Gewohnheit werden“, so die AOK.

Globales Ernährungsprogramm

Der Ansatz zur „klimafreundlichen Ernährung“ geht laut Bundeszentrum für Ernährung zurück auf die „Planetary Health Diet“, ein Konzept der ökologischen Gesundheitsförderung (Planetary Health), das im Jahr 2015 von der „Rockefeller Foundation-Lancet Commission on Planetary Health“ aufgestellt wurde. Die EAT-Lancet-Kommission, ein Zusammenschluss der NGO namens EAT und „The Lancet“, einer der führenden medizinischen Fachzeitschriften, hat daraus eine Strategie für Landwirtschaft und Ernährung entwickelt. Diese soll sicherstellen, zehn Milliarden Menschen auf der Erde bis zum Jahr 2050 „nachhaltig“ und gesund zu ernähren, wobei gleichzeitig Emissionen drastisch reduziert werden sollen.

Der Kommission gehören 37 Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen und 16 Ländern an. Die Kommission fordert weitreichende Maßnahmen in verschiedenen Sektoren auf unterschiedlichen Ebenen – von einer globalen Umstellung zu gesunder Ernährung über Verringerung von Lebensmitteln und Verbesserung der Lebensmittelproduktion.

Anhand von umfassenden Recherchen hat die EAT-Lancet-Kommission ein Ernährungsmodell abgeleitet, das größtenteils aus Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fetten besteht. Ergänzt wird der Speiseplan durch moderate Mengen an Fisch und Meeresfrüchten sowie Geflügel, während beispielsweise stärkereiche Gemüsearten wie Kartoffeln und Maniok, Milchprodukte, rotes Fleisch (Rind/Lamm/Schwein), Zucker und gesättigte Fette keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen sollen.

Der Speiseplan der Zukunft

Der Rahmen für eine tägliche Energieaufnahme von 2.500 Kilokalorien sieht nach den Ansätzen von „Planetary Health Diet“ folgendermaßen aus:

Lebensmittelgruppe Empfohlene Menge pro Tag in Gramm (in Klammern mögliche Spannbreiten) Kalorienaufnahme pro Tag (in kcal)
Kohlenhydrate
Vollkorngetreide 232 811
Stärkehaltiges Gemüse (Kartoffeln, Maniok) 50 (0-100) 39
Gemüse 300 (200-600) 78
Obst 200 (100-300) 126
Proteinquellen
Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch 14 (0-28) 30
Geflügel 29 (0-58) 62
Eier 13 (0-25) 19
Fisch 28 (0-100) 40
Hülsenfrüchte 75 (0-100) 284
Nüsse 50 (0-75) 291
Milchprodukte (Vollmilch oder aus dieser hergestellte Produkte) 250 (0-500) 153
Fette
Ungesättigte Fette (Oliven-, Raps-, Sonnenblumen-, Soja-, Erdnuss-, Traubenkernöl) 40 (20-80) 354
Gesättigte Fette (Palmöl, Schmalz, Talg) 11,8 (0-11,8) 96
Zugesetzter Zucker
Alle Süßungsmittel 31 (0-31) 120

Inwieweit diese Vorgaben als globale Empfehlung umgesetzt werden können, ist fraglich. Die Website des Bundeszentrums für Ernährung weist auf folgende Knackpunkte hin:

  1. Der Speiseplan legt eine tägliche Kalorienzufuhr von 2.500 Kalorien zugrunde. Für Schwerstarbeiter wäre dies bei Weitem zu wenig Energie, für Menschen mit überwiegend sitzender Tätigkeit zu viel. Den Menschen in vielen Ländern dieser Erde stehen außerdem bedeutend weniger Kalorien pro Tag zur Verfügung. Daher können die Empfehlungen der Planetary Health Diet nur als Orientierung dienen.
  2. Die weltweite Halbierung des Verzehrs von rotem Fleisch würde zum Beispiel für Nordamerika bedeuten, dass nur noch etwa ein Siebtel der heute üblichen Menge verzehrt werden dürfte. Und in afrikanischen Ländern wird heute ein Siebenfaches der empfohlenen Menge an stärkereichen Pflanzen konsumiert. Hier stellt sich die Frage, ob Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten so radikal verändern können, dass sie den Vorgaben der Planetary Health Diet entsprechen.

Ohne den festen Willen von Politik und Wirtschaft, und zwar auf allen Ebenen, werde es wohl nicht gehen, zitiert das Bundeszentrum für Ernährung den Chefredakteur von „The Lancet“, Richard Horton. Mit anderen Worten, man rechnet nicht damit, dass Menschen ihre Ernährung freiwillig umstellen.



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