Autismus-Raten steigen rapide: Umweltbedingte Faktoren könnten Schlüsselrolle spielen

Eine neue Studie stärkt die Annahme, dass Autismus stärker durch umweltbedingte Faktoren als durch genetische Ursachen bedingt ist.
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Orale Antibiotika sind einer von vielen Faktoren, die Veränderungen im Darm-Mikrobiom bewirken und so das Immunsystem beeinflussen.Foto: iStock
Von 31. August 2023

Eine neu veröffentlichte Meta-Analyse, die 25 unterschiedliche Autismus-Studien umfasst, wirft neues Licht auf die möglichen Ursachen der steigenden Autismus-Raten und könnte die Forschung von genetischen zu umweltbedingten Faktoren verlagern.

Die Ergebnisse der Studie, die am 26. Juni in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“ veröffentlicht wurden, legen nahe, dass das Darmmikrobiom eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) spielen könnte.

Das Darmmikrobiom ist eine komplexe Gemeinschaft von Mikroorganismen im menschlichen Darm, die eine Vielzahl von Funktionen erfüllen. Die Studie stellt eine klare Verbindung zwischen einer spezifischen Ungleichgewicht des Darmmikrobioms und Autismus her.

Autismus-Raten steigen

Es ist zu beobachten, dass seit dem Jahr 2000 die Autismus-Raten weltweit stark ansteigen. Viele Kinder sind von der Krankheit betroffen. Laut den jüngsten Statistiken der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control war im Jahr 2020 eines von 36 Kindern auffällig in Bezug auf Autismus, verglichen mit einem von 44 Kindern im Jahr 2018 und einem von 150 im Jahr 2000. In Deutschland werden keine Zahlen erfasst.

„Genetisch bedingte Krankheiten können nicht für Epidemien verantwortlich gemacht werden“, erklärte Dr. Arthur Krigsman, ein auf die Behandlung von ASD spezialisierter Arzt, gegenüber The Epoch Times. „Es muss einen auslösenden Faktor in der Umwelt geben, der ein ansonsten ruhendes Gen aktiviert. Kein Gen ist für eine Epidemie verantwortlich.“

Unsere Gene sind in DNA-Strängen kompakt verpackt, viele davon bleiben ungenutzt, ähnlich unverwirklichten Bauplänen. Umweltreize können jedoch epigenetische Prozesse initiieren, die bestimmte Gene aktivieren oder deaktivieren und somit unser Risiko für die Entwicklung bestimmter Krankheiten dramatisch beeinflussen.

Die jüngsten Forschungsergebnisse der im Fachjournal „Nature“ erschienenen Studie legen nahe, dass epigenetische Trigger, die durch das Darmmikrobiom beeinflusst werden und im Laufe des Lebens modifizierbar sind, mit Autismus in Verbindung stehen. Auch wenn genetische Faktoren weiterhin untersucht werden – Autismus wurde bereits mit über 100 Genen in Zusammenhang gebracht – wird die Frage nach den Ursachen durch die wachsende Anzahl an umweltbedingten Assoziationen immer komplexer. Die Vielschichtigkeit von ASD macht es darüber hinaus unmöglich, einen einzigen auslösenden Faktor als alleinige Ursache zu identifizieren.

Von Darmmikrobiom bis Toxine: Umweltfaktoren im Autismus-Spektrum

Einige Ärzte, wie Dr. Mark Cannon, Professor an der Northwestern University, glauben, dass Autismus durch eine Reihe von „giftigen“ Faktoren aus der Umwelt entstehen könnte. Wie er in einem Interview mit der Epoch Times erklärte, können diese schädlichen Einflüsse nicht nur biologische und chemische Stoffe wie Luftverschmutzung, künstliche Lebensmittelzusätze, Glyphosat und Medikamente umfassen, sondern auch emotionale und soziale Stressfaktoren.

Diese verschiedene toxischen Einflüsse können auf genetischer Ebene tiefgreifende Änderungen auslösen, bekannt als epigenetische Veränderungen. Das bedeutet, sie beeinflussen die Art und Weise, wie Gene aktiviert oder deaktiviert werden, ohne dabei die DNA-Sequenz selbst zu ändern. Interessanterweise wirken alle diese Faktoren offenbar auch auf das Mikrobiom und können so die Physiologie auf komplexe Weise beeinträchtigen. So kann insbesondere Stress eine Kette biochemischer Veränderungen im Körper auslösen, die dann zu gesundheitlichen Problemen führen.

Das menschliche Mikrobiom ist zum einen sehr individuell und zum anderen ständig im Wandel. Daher ist es schwieriger, genau zu definieren, wie ein gesundes Mikrobiom aussieht, da vor allem die industrielle Welt das Mikrobiom bereits stark verändert hat. Wir lernen erst jetzt, sie im Detail zu erkennen. Dennoch zeichnen sich in Studien Muster ab, wie Krankheiten mit bestimmten Mikrobiommustern verknüpft sind.

Dr. Mark Cannon verwies auf eine Studie aus dem Jahr 2012, die in der Fachzeitschrift „Microbial Ecology in Health and Disease“ veröffentlicht wurde. Diese Forschung untersuchte den Einfluss von sogenannten SCFAs (kurzkettigen Fettsäuren), die aus dem Mikrobiom einer Person mit Autismus gewonnen wurden, auf das Verhalten und die Neurochemie von Ratten.

Die behandelten Ratten entwickelten Verhaltensweisen und Symptome, die dem Autismus-Spektrum sehr ähnlich sind: Sie zeigten etwa motorische Auffälligkeiten, wiederholende Verhaltensmuster und eingeschränkte soziale Interaktionen. Zusätzlich dazu ergaben Untersuchungen ihres Gehirngewebes, dass sie neurochemische Veränderungen aufwiesen. Diese umfassten Entzündungsreaktionen im Nervensystem, ein erhöhtes Level an oxidativem Stress und den Abbau von Glutathion, einem wichtigen Antioxidans im Körper.

Diese Ergebnisse sind besonders aufschlussreich, da sie mit den neurochemischen Veränderungen übereinstimmen, die oft bei Menschen mit ASD beobachtet werden.

Dr. Derrick F. MacFabe, der die Studie leitete, argumentiert, dass wir Autismus vielleicht besser verstehen könnten, wenn wir ihn im Kontext anderer, besser erforschter Zustände wie Alkoholvergiftung oder Diabetes betrachten. Dabei hebt er die komplexe Verflechtung von Ernährung, genetischen Faktoren, Stoffwechsel, Darmbakterien und Verhalten hervor.

MacFabe weist darauf hin, dass Probleme bei kurzkettigen Fettsäuren eine potenzielle Rolle bei der Entstehung von Autismus spielen könnten. Diese Fettsäuren entstehen, wenn bestimmte Nahrungsbestandteile, wie schwer verdauliche Kohlenhydrate, sogenannte Ballaststoffe, im Darm durch Bakterien abgebaut werden. In einem gesunden Mikrobiom tragen SCFAs normalerweise wesentlich zur Darmgesundheit bei.

Ein besseres Verständnis dieser vielschichtigen Zusammenhänge könnten die Grundlage für neue Therapieansätze für Autismus sein.

„Ja, man kann Autismus ‚anschalten’“, erklärte Dr. Cannon. „Ich habe schon unzählige Male auf Konferenzen Sätze gehört wie ‚Ich dachte immer, das wäre genetisch bedingt‘, obwohl die wissenschaftlichen Daten diese Annahme tatsächlich nie bestätigt haben.“

Komplexe Wechselwirkungen zwischen Darmflora und Autismus

Der kausale Zusammenhang zwischen der Darmflora und Autismus erhält zunehmend wissenschaftliche Bestätigung.

James Adams, ein Experte für Autismus-Forschung, betonte, dass zahlreiche angenommene Risikofaktoren für Autismus immer wieder durch aktuelle Studien bestätigt werden. In einer seiner neuesten Studien mit einer kleinen Gruppe autistischer Kinder stieß er auf wiederkehrende gemeinsame Merkmale.

„Es ist auffallend, dass Mütter von Kindern mit Autismus tendenziell weniger Ballaststoffe zu sich nehmen als Mütter von nicht-autistischen Kindern. Das ist wichtig, weil Ballaststoffe eine essenzielle Nahrung für spezielle Bakterien in unserem Darm sind“, erklärte Adams. „Die meisten dieser Darmbakterien, die für die allgemeine Gesundheit so wichtig sind, erben wir übrigens von unserer Mutter.“

Eine wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2021 im Journal „Frontiers in Immunology“ entdeckte, dass bei schwangeren Frauen eine höhere Produktion von SCFAs mit einer besseren Entwicklung des Immunsystems des Ungeborenen verknüpft ist. Außerdem zeigte die Studie, dass Babys, die gestillt werden, eine vielfältigere und widerstandsfähigere Darmflora haben.

Adams ergänzte, dass sowohl seine Forschung als auch andere Studien nahelegen, dass mit der Flasche ernährte Babys und solche, die häufig orale Antibiotika erhalten, ein erhöhtes Autismus-Risiko haben. Auch eine vorzeitige Geburt ist ein Risikofaktor. Der „Frontiers“-Artikel hob hervor, dass Frühgeburten die Entwicklung der Darmflora beeinträchtigen können. Bei Babys, die auf natürlichem Wege geboren wurden, weisen eine komplexere mikrobielle Diversität im Darm auf und besitzen ein reduziertes Risiko für bestimmte Krankheiten im Vergleich zu Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind.

Laut einer 2018 in „Neuron“ veröffentlichten Studie sind weitere Risikofaktoren für Autismus, mütterliche Fettleibigkeit, Diabetes sowie Komplikationen, die mit Trauma, mangelnder Durchblutung und Sauerstoffunterversorgung zusammenhängen.

Eine weitere aktuelle Studie in „Psychological and Cognitive Sciences“, die 450 Mutter-Kind-Paare untersuchte, zeigte, einen Zusammenhang zwischen der Darmflora der Kinder und der eigenen Kindheit der Mutter. So wiesen Kinder im Alter von zwei Jahren, deren Mütter in ihrer eigenen Kindheit widrige Bedingungen erlebt hatten, eine veränderte Darmflora auf. Auch die Verwendung von Antibiotika und das Auftreten von Infektionen bei den Müttern wirkte sich auf die Darmflora der Kinder aus.

„Die Kenntnis der Ursache ermöglicht es, die Krankheit zu stoppen“, kommentierte Dr. Krigsman, der sich auf die Behandlung von Autismus spezialisiert hat.

„Es ist an der Zeit, die Suche nach einem nicht existierenden, nicht auffindbaren Gen zu beenden. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die tatsächliche Ursache zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.“, so die Ansicht von Dr. Krigsman.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „Is the Goliath in Autism Research About to Fall?“ (Deutsche Bearbeitung kr)



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