Das kleine „Aber“ bei Corona-Impfungen für Kinder – Kinderarzt Professor Haas im Interview
Bislang sind in Deutschland rund 23 Prozent der Bevölkerung zweifach gegen COVID-19 geimpft; 46 Prozent haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Der Kinderarzt und Kinderkardiologe Professor Dr. Nikolaus Haas von der Ludwig-Maximilians-Universität an der Uni-Klinik München hält es zum jetzigen Zeitpunkt für falsch, Kinder in die COVID-19-Impfungen einzubeziehen. Zur Begründung nennt er die nur selten auftretenden Erkrankungen und Impfstoff-Knappheit. Vorrangig müssten gefährdete Gruppen geimpft werden – und dazu gehören Kinder nach der aktuellen Datenlage eindeutig nicht, selbst wenn sie schwere Vorerkrankungen haben. Epoch Times sprach mit dem Mediziner.
Epoch Times: Sie sagen, dass die Gefahr, dass Kinder nur schwer an COVID-19 erkranken, sehr gering ist. Wie beurteilen Sie dann die COVID-19-Impfung für Kinder?
Professor Nikolaus Haas: Ich möchte vorausschicken, dass ich kein Impfgegner bin. Ich bin für eine generelle Impfpflicht. Meiner Meinung nach müssen alle Leute gegen alles, was es gibt und wo es sinnvoll ist, pflichtmäßig geimpft werden – unabhängig von ihren persönlichen Wünschen. Ich bin Kinderarzt mit Leib und Seele und ich halte die Impfung für eine absolut wichtige, bahnbrechende Entwicklung in der Behandlung innerhalb der Medizin. Ich bin also kein Corona-Leugner, kein Corona-Gegner und auch kein Impfgegner. Es gibt allerdings ein kleines „Aber“, was die Impfung von Kindern betrifft.
Erstens haben wir in Deutschland und weltweit noch nicht genügend Impfstoff. Daher sollten wir mit den vorhandenen Impfstoffen erst einmal die Personen schützen, die das wirklich brauchen. Ausweislich der Zahlen vom Robert Koch-Institut und auch der weltweit vorhanden Daten sind vor allem ältere und alte Leute gefährdet. Todesfälle von Kindern waren in Deutschland extrem selten. Wenn man nach den nackten Zahlen des RKI geht, waren 97 Prozent aller Corona-Toten über 60 Jahre alt. Die Gesamtzahl der an COVID-19 erkrankten Kinder und jungen Menschen – und das sind alle unter 60 – ist so verschwindend gering, dass man erst einmal die schützenswerten Personen impfen sollte. Erst dann kommen meines Erachtens die Personen infrage, die davon weniger betroffen sind, so wie die STIKO das hervorragend geregelt hat.
Kinder brauchen diese Impfung derzeit noch nicht. Das geht ganz klar aus den Daten des RKI und den Zahlen der Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. hervor. Während der ganzen Zeit wurden vom RKI rund eine halbe Million Kinder unter 18 Jahren gemeldet, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Von diesen 500.000 wurden etwa 1.600 in ein Krankenhaus aufgenommen; davon 80 auf eine Intensivstation. In Deutschland sterben laut Statistischem Bundesamt in der Gruppe der 0 bis 15-Jährigen jährlich ungefähr 3.500 Kinder. An Corona sind im Vergleichszeitraum nur drei oder vier gestorben. Rein zahlenmäßig betrachtet spielt diese Anzahl in der großen Masse keine Bedeutung. Es ist also medizinisch nicht notwendig, zum jetzigen Zeitpunkt Kinder mit einer Impfung zu schützen.
Epoch Times: Wie sicher sind die Impfungen nach Ihrer Einschätzung?
Haas: Nach allem, was wir wissen, scheinen die Impfungen sicher und sehr effektiv zu sein. Mit anderen Worten: Wenn ich Kinder damit impfe, habe ich einen guten Impfschutz. Und auch hier ist ein kleines „Aber“.
Wir wissen, dass die momentan vorliegenden Zulassungsstudien an etwa 1.100 Kindern und Jugendlichen von 12 bis 18 Jahren durchgeführt wurden. Bei denen hat es keine schwerwiegenden Komplikationen gegeben. Wir wissen auch von anderen Diskussionen, beispielsweise den Hirnvenenthrombosen mit einer Häufigkeit von circa eins zu 100.000. Das heißt, um bei einem Kind eine solche Komplikation finden zu können, müssten wir rein statistisch 100.000 Kinder impfen. Daher können wir also noch nicht wissen, ob es diese sehr seltenen Komplikationen gibt.
Schauen Sie sich dann die Sache in Israel mit den jungen Männern und möglicherweise auftretenden Herzmuskelentzündungen an, wobei die Diagnosen nicht wirklich gesichert waren. Da wird über ein Auftreten von eins zu 5.000 berichtet; wir müssten also erst einmal 5.000 Jungen oder 10.000 Kinder impfen, um einen herauszufischen, bei dem diese Nebenwirkung möglicherweise auftritt.
Wir wissen also, dass die Impfung gut bei Kindern funktioniert, haben aber keine Ahnung über die Nebenwirkung. Das muss man vergleichen. Wir haben also eine Möglichkeit von maximal 3 Promille Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder wegen COVID-19 im Krankenhaus landen und maximal 0,15 Promille, dass sie auf eine Intensivstation müssen, aber vielleicht ein höheres Risiko, dass bei den Impfungen etwas passiert. Insoweit muss jeder selbst entscheiden, wie er das abwägt.
Zum momentanen Zeitpunkt mit der momentanen Impfstoff-Knappheit und dieser Datenlage halte ich es daher noch nicht für sinnvoll, Kinder zu impfen, solange der Rest der Bevölkerung, der es wirklich braucht, noch nicht geimpft ist. Und ich betone noch einmal: Ich bin generell ein Impfbefürworter und kein Impfgegner.
ET: Dr. Wodarg empfiehlt eine Blutabnahme vor der Impfung und eine weitere eine Woche nach der Impfung, um die Thrombenbildung zu beobachten. Für wie sinnvoll halten Sie diese Untersuchung, wenn auch für Kinder genügend Impfstoff vorhanden ist?
Haas: Wir wissen doch gar nicht, wie häufig das bei Kindern auftritt. Wenn das Risiko für Thrombenbildung beispielsweise eins zu einer Million ist, müssten sie einer Million Kinder vor und nach der Impfung Blut abnehmen, um gegebenenfalls festzustellen, ob bei einem Kind dieser Fall eintritt. Das ist den Aufwand nicht wert. Das ergibt für mich keinen Sinn.
ET: Und was halten Sie von einer COVID-19-Impfung bei Kindern mit Vorerkrankung?
Haas: Das macht keinen Unterschied. Aus den Daten der Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) wissen wir, dass zum Beispiel Kinder mit Herzkrankheiten nicht mehr gefährdet sind, an COVID zu erkranken, Kinder mit Lungenerkrankungen auch nicht und so weiter. Das ist anders als bei Erwachsenen. Die Vorerkrankungen von Kindern spielen überhaupt keine Rolle. Eine Ausnahme bilden vielleicht Kinder mit einem schweren Immundefekt. Das ist aber ein ganz, ganz, ganz geringer Teil der Kinder in der Bevölkerung. Herzkinder, Kinder mit Diabetes et cetera gehören da ganz bestimmt nicht dazu! Das ist komplett anders als bei Erwachsenen, das muss man ganz klar im Hinterkopf haben.
Wenn man das alles betrachtet, gibt es aus medizinischen Gründen momentan keinen vernünftigen Grund, die Kinder gegen COVID-19 zu impfen. Wenn allerdings irgendwann genügend Impfstoff da ist und die Erwachsenen geimpft sind, bin ich absolut dafür, dass auch die Kinder geimpft werden – natürlich muss der Impfstoff sicher sein, weil wir damit in der Bevölkerung den sogenannten Herdenschutz erreichen können.
ET: Und diesen Herdenschutz erreicht man nicht über die natürliche Immunität?
Haas: Wenn ich alle in der Bevölkerung geimpft habe, dann kommt dieses Virus zum Erliegen. Das sieht man am Beispiel der Pocken. Die Welt ist geimpft, also gibt es keine Pocken mehr. Oder Beispiel Polio: Je mehr geimpft werden, dann gibt es keine Kinderlähmung wie Polio mehr und dann brauche ich die Leute irgendwann auch nicht mehr zu impfen, weil das Virus sich dadurch totgelaufen hat. Das wäre auch bei den Masern so, wenn es nicht ignorante Leute geben würde, die Masern für eine harmlose Erkrankung halten. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück zur COVID-19-Impfung, ich fasse noch einmal zusammen:
- Kinder erkranken nicht schwer und brauchen nicht wirklich Schutz.
- Wir wissen, dass die Impfung bei den Kindern wirkt.
- Wir wissen nicht, wie häufig die Nebenwirkungen sind und ob die Nebenwirkungen bei den Kindern gegebenenfalls mehr sind als das Risiko, im Rahmen einer echten Erkrankung irgendwelche Schäden davonzutragen.
Man muss also erst einmal mit dem Impfstoff die impfen, die ihn brauchen. Wenn wir genügend Impfstoff haben und dieser sicher ist, dann muss man alle impfen, auch die Kinder, damit wir das Coronavirus eindämmen können. Wir werden aber lange Zeit und immer mit diesem Coronavirus leben. Es gibt unterschiedliche Stämme und Varianten, sodass wir es nicht loswerden können wie beispielsweise die Pocken.
ET: Was bedeutet das für Folgeimpfungen?
Haas: Das ist genauso wie bei der Influenza. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass wir den Menschen in Deutschland zu Herbstzeiten, also bevor die Grippewelle losgeht, eine Kombinationsimpfung aus Grippe und COVID-19 anbieten können.
ET: Vielen Dank für das Interview.
Haas: Ich möchte abschließend darauf hinweisen – und darauf lege ich Wert –, dass das, was ich gesagt habe, nicht meine ausschließlich persönliche Meinung ist. Das ist alles schon längst beschrieben von den kinderärztlichen Fachgesellschaften auf ihren Webseiten, also der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und der Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI). Seit Monaten ist das schon bekannt. Das will nur keiner hören.
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