„Flächendeckende Fehlversorgung“: Patienten mit Demenz oft falsch oder gar nicht behandelt

Patienten mit Demenz werden Experten zufolge oft falsch oder gar nicht behandelt. Die Techniker Krankenkasse spricht von einer "flächendeckenden Fehlversorgung".
Titelbild
Eine demenzkranke Frau.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times24. Oktober 2018

Patienten mit Demenz werden Experten zufolge oft falsch oder gar nicht behandelt. Wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Innovationsreport der Techniker Krankenkasse (TK) hervorgeht, erhalten Menschen mit Alzheimer-Demenz in Deutschland vorrangig Beruhigungsmittel. Die Kasse spricht von einer „flächendeckenden Fehlversorgung“.

Insgesamt erhalten demnach nur 14 Prozent der an Demenz erkrankten TK-Versicherten ausschließlich einen Arzneistoff zur Behandlung dieser Krankheit, ein sogenanntes Antidementivum. Neun Prozent werden mit einem Antidementivum und zusätzlich mit einem Beruhigungsmittel behandelt, wie aus der Untersuchung von Experten der Universität Bremen hervorgeht. Jeder vierte Patient (26 Prozent) mit der Diagnose Demenz erhält sogar ausschließlich Beruhigungsmittel.

„Diese gravierende Fehlversorgung mit Beruhigungsmitteln und die gleichzeitige Unterversorgung mit Antidementiva lässt sich nicht mit den medizinischen Leitlinien erklären“, erklärte der Bremer Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske. Stattdessen liege hier „der Verdacht nahe, dass demente Menschen einfach ruhiggestellt werden, statt sie richtig zu behandeln“. TK-Chef Jens Baas forderte, die Versorgung von Menschen mit Demenz dringend zu verbessern.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz nannte die Erkenntnisse „erschreckend“. Noch schlimmer seien aber die Zustände in Pflegeheimen. „Laut Studien sind dort mehr als 200.000 Demenzkranke von Ruhigstellungen betroffen“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. Zudem fehle Ärzten und Pflegekräften „ein Schuldbewusstsein“. „Demenzkranke haben ein Recht darauf, ihrer Diagnose entsprechende Medikamente zu erhalten und nicht nur ruhigstellende Mittel“, erklärte Brysch.

In Deutschland gelten heute etwa 1,7 Millionen Menschen als demenzkrank. Ungefähr zwei Drittel davon haben Alzheimer, die häufigste Form der Demenz. Die Erkrankung des Gehirns führt zum Verlust von geistigen Funktionen wie Denken, Sprache, Urteilsfähigkeit und Orientierung sowie zum Absterben oder einer starken Schädigung von Gehirnzellen vor allem in der Hirnrinde.

Verbände wie die Deutsche Alzheimergesellschaft beklagen schon seit längerem einen Rückgang der Alzheimerforschung, um neue Therapien und Medikamente zu entwickeln. Die derzeit verfügbaren Medikamente verlangsamen nur das Fortschreiten der Erkrankung, können sie aber weder aufhalten noch heilen.

Der TK-Report bewertete insgesamt 32 Wirkstoffe, die im Jahr 2015 auf den Markt kamen. Dabei wurde vor allem untersucht, ob es einen Zusatznutzen für die Patienten gibt und ob die Kosten angemessen sind.

Insgesamt fielen die Bewertungen demnach deutlich positiver aus als in den vergangenen Jahren. Das Expertenteam um Glaeske und Wolf-Dieter Ludwig, Chef der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, vergab für sieben Arzneimittel eine grüne Ampel. 15 Produkte erhielten eine gelbe und zehn eine rote Ampel. Fortschritte sehen die Experten danach bei der Krebstherapie der akuten lymphatischen Leukämie und des multiplen Myeloms sowie bei der Behandlung der Mukoviszidose.

Die Kosten steigen dem Report zufolge allerdings weiter. Der geringste Teil der untersuchten Arzneimittel sei günstiger als die zweckmäßige Vergleichstherapie. Nur zwei der neuen Arzneimittel erhielten eine grüne Kostenampel. Besonders teuer sind Wirkstoffe in der Krebstherapie, die Preise spiegeln Ludwig zufolge aber weder die Kosten für Forschung und Entwicklung noch den Zusatznutzen wider. (afp)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion