Hirnnebel bei Long COVID: Forscher entdecken mögliche Ursache

Viele Menschen mit Long COVID leiden an sogenanntem Hirnnebel. Warum genau, ist noch nicht geklärt. Forscher scheinen nun der Antwort einen Schritt nähergekommen zu sein.
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Ein Mangel an Serotonin kann Menschen anfällig für Depressionen, Panikattacken und Aggressionen machen. Symbolbild.Foto: SbytovaMN/iStock
Von 2. November 2023

Er übermittelt Botschaften zwischen Körper und Gehirn, fehlt aber bei Personen mit Long COVID nahezu vollständig: der Neurotransmitter Serotonin. Der Serotoninmangel führt zu Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen wie Depressionen und Angstzuständen – auch bekannt als „brain fog“ oder „Hirnnebel“. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der University of Pennsylvania, die in der Zeitschrift „Cell“ erschien.

Serotoninmangel als Auslöser für Hirnnebel?

Im Rahmen der Studie entnahmen die Forscher Blut- und Stuhlproben von 1.540 COVID-19-Infizierten. Dabei fanden sie heraus, dass das Virus noch Monate nach dem Abklingen der akuten Infektion im Magen-Darm-Trakt verbleibt.

Außerdem stellten sie fest, dass der Serotoninspiegel bei Patienten mit Long COVID deutlich niedriger war. Das veranlasste sie zu der Schlussfolgerung, dass dieser Neurotransmitter entscheidend ist, um sich von Long COVID zu erholen. Der Studie zufolge verursachen Reste des Virus den Rückgang des Serotoninspiegels im Körper.

Ein Mangel an Serotonin kann Menschen anfällig für Depressionen, Panikattacken und Aggressionen machen. Ohne Serotonin wird zudem die vasovagale Signalübertragung und somit auch die Kognition beeinträchtigt. Damit ist die Signalübertragung über den Vagusnerv gemeint, der die Funktion fast aller inneren Organe reguliert. Zudem ist er für Ruhe, Erholung und Verdauung zuständig. Eine beeinträchtigte Signalübertragung könnte auch zum Hirnnebel beitragen.

Long COVID von Patient zu Patient unterschiedlich

Durch was genau zeichnet sich Long COVID aus? Die Symptome der Erkrankung sind sehr zahlreich und es gibt kein einheitliches Krankheitsbild, was Diagnosen und Behandlungen erschwert. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gehört zu den Beschwerden von Long COVID unter anderem:

  • Schwäche und Erschöpfung (Fatigue)
  • Belastungsintoleranz (Post-Exertional Malaise), bei der sich die Beschwerden nach leichter körperlicher oder geistiger Anstrengung verschlimmern
  • Husten
  • Kurzatmigkeit
  • Fieber
  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
  • Schlafstörungen
  • Muskelschwäche und -Schmerzen
  • Brustschmerzen
  • Störungen von Geschmack und Geruch
  • Sprachstörungen
  • Angstzustände
  • Depressionen
  • Stimmungsschwankungen

Unterschiedliche Erklärungen für Hirnnebel

Was Hirnnebel angeht, so werde dieser laut der Studie von Forschern der University of Pennsylvania zufolge durch Serotoninmangel verursacht. Allerdings sind Forscher der Abteilung für Psychiatrie und Verhalten der University of California San Francisco (UCSF) anderer Meinung.

„Wir wissen noch nicht, was diese beunruhigenden Symptome verursacht, aber es gibt drei Möglichkeiten, warum sie auftreten können“, schrieben sie in einem Artikel, der auf der Website des Weill Institute for Neurosciences der UCSF erschien. Ihren Ansichten nach seien anhaltende psychologische Symptome:

  1. das Ergebnis spezifischer Auswirkungen von COVID-19 auf das Gehirn, das Immunsystem oder andere Organsysteme; 
  2. das Ergebnis traumatischer Aspekte der Erfahrung mit COVID-19;
  3. das Ergebnis der Verzweiflung, die Patienten aufgrund von lang anhaltenden Atemproblemen oder Müdigkeit erleben, ohne dass ein Ende in Sicht ist.

Was die zweite Möglichkeit anbelangt, so könne auch ein längerer Krankenhausaufenthalt auf der Intensivstation kognitive Probleme wie Konzentrationsschwäche und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) tiefgreifend beeinflussen, so die UCSF-Forscher. Das sind alles Symptome, die mit Hirnnebel in Verbindung gebracht werden. 

Weitere Forschungen über Symptome notwendig

Insgesamt sei es noch nicht klar, was die Unterschiede in den Symptomen von Long COVID verursache, meinte Christoph Thaiss, Co-Autor der Serotonin-Studie und Assistenzprofessor für Mikrobiologie, in einer Pressemitteilung.

Die neue Studie biete Möglichkeiten für weitere Forschungen. Das Ziel sei, herauszufinden, wie viele Personen mit Long COVID gleichzeitig von Viruspersistenz (das Virus wird nicht vollständig ausgeschieden oder vernichtet, sondern verbleibt im Körper), Serotoninmangel und einer Dysfunktion des Vagusnervs betroffen sind. 

Auch sollen mögliche neue Therapieansätze bei den verschiedenen Symptomen der Patienten ermittelt werden, so Thaiss weiter.

Long COVID häufiger als gedacht

Anfang Februar gab die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin eine Pressemitteilung heraus. Ihr zufolge leiden fünf bis zehn Prozent aller Corona-Infizierten in Deutschland unter Long COVID beziehungsweise unter einem Post-COVID-Syndrom.

Wie das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt, waren den Daten der gesetzlichen Krankenversicherungen aus dem Jahr 2022 zufolge sieben bis 13 Prozent der Corona-Patienten von Long COVID betroffen. Die tatsächlichen Zahlen liegen wahrscheinlich höher, so das RKI. Häufig ist lediglich eine Behandlung der Symptome möglich, denn Medikamente speziell gegen Long COVID existieren derzeit nicht.

[Mit Material von Epoch Times USA]



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