„Infektionen unkontrolliert“: EU berät über Umgang mit Reisenden aus China

Am Mittwoch tritt das Krisenreaktionsteam der EU in Brüssel zusammen. Es berät um mögliche Konsequenzen aus dem Ende der Reisebeschränkungen aus China.
Terminal 5 am Londoner Flughafen Heathrow: Auch England hat eine Corona-Testpflicht für Reisende aus China eingeführt.
Terminal 5 am Londoner Flughafen Heathrow: Auch England hat eine Corona-Testpflicht für Reisende aus China eingeführt. Die EU hält sich noch bedeckt.Foto: Kirsty O'connor/PA/dpa
Von 4. Januar 2023

Ab 15:00 Uhr werden am Mittwoch (4.1.) die Experten des für Krisenreaktion in der EU zuständigen Gremiums IPCR in Brüssel zusammentreten. Es geht um zu erwartende Folgen des bevorstehenden Endes der Reisebeschränkungen in China und mögliche koordinierte Maßnahmen. Neben Italien haben mittlerweile auch Frankreich und Spanien eine Testpflicht für Reisende aus China angeordnet.

Weltärztechef Montgomery für gemeinsame Reaktion der EU

Nachdem es am Donnerstag der Vorwoche zu keiner Einigung gekommen war, steigt nun der Druck auf die Gesundheitsminister, ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene abzustimmen. Auch der deutsche Ressortleiter Karl Lauterbach hat sich für ein einheitliches Vorgehen ausgesprochen. Er hatte jüngst noch Entwarnung gegeben, weil aus seiner Sicht keine neuen Varianten des Coronavirus in China zu erkennen seien.

Demgegenüber hat der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, eine europaweite Testpflicht für Reisende aus China befürwortet. In der „Rheinischen Post“ äußert er:

Es ist nicht ausgeschlossen, dass neue Varianten von China aus den Weg nach Deutschland finden. Wir sollten für den schlechtesten Fall gewappnet sein und Prävention betreiben.“

Auch die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hatte am Donnerstag noch argumentiert, ein systematisches Testen von Reisenden sei angesichts des hohen Immunitätsniveaus in Europa „ungerechtfertigt“. Einer Studie im Auftrag des Bundesforschungsministeriums vom September 2022 zufolge haben 95 Prozent der deutschen Bevölkerung Antikörper gegen COVID-19 gebildet. Allerdings sinkt der Antikörperspiegel nach einigen Wochen wieder ab.

Regime kapitulierte vor der Wucht der Corona-Welle

Drei Jahre lang hatte das KP-Regime eine strikte Null-COVID-Politik praktiziert. Schon bei kleinen Ausbrüchen ordnete die Führung die Absperrung von Städten oder Wohngebieten an. Die Ausreise für touristische Zwecke war chinesischen Bürgern untersagt.

Zuletzt verbreitete sich das Virus trotz der strikten Maßnahmen, gleichzeitig lahmte die Wirtschaft und in mehreren Städten breiteten sich Proteste aus. Anfang Dezember kapitulierte das Regime vor COVID-19 und hob seine Politik aus Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne auf. Die Aufhebung der Reisebeschränkungen ins Ausland am kommenden Sonntag wird einer der letzten Schritte im Rahmen der 180-Grad-Wende sein.

China erlebt derzeit den weltweit höchsten Anstieg an Corona-Infektionen, die Krankenhäuser sind vielerorts überfüllt. Der Datendienstleister Airfinity geht derzeit von 9.000 täglichen Corona-Todesfällen und 1,8 Millionen Infektionen pro Tag in China aus. Bis Ende April 2023 könnte die Zahl der Corona-Toten demnach auf 1,7 Millionen steigen.

Zunehmende Anzahl ausländischer Touristen auch in China erwartet

Die Aufhebung der Reisebeschränkungen lässt eine Urlauberwelle aus China erwarten, die sich insbesondere in Europa bemerkbar machen wird. Traditionell verreisen um diese Jahreszeit Millionen Chinesen. Die beliebtesten Ziele sind dabei Australien, Singapur oder die Malediven. Beliebt sind allerdings auch bekannte europäische Tourismusgebiete, unter anderem Städte wie Paris, Berlin, Mailand, Rom oder Salzburg, aber auch kleinere Orte wie Hallstatt.

Dazu kommt eine umfangreiche Binnenreisewelle anlässlich des bevorstehenden chinesischen Neujahrsfests. In diesem Jahr beginnen die Feierlichkeiten am 22. Januar. Der regimeeigene Sender „CCTV“ erwartet während der Feiertage voraussichtlich 5,5 Millionen Fahrgäste bei den staatlichen Eisenbahnen.

Es werden jedoch auch vermehrt ausländische Touristen in China erwartet. Seit dem gestrigen Dienstag steht der berühmte Potala-Palast im tibetischen Lhasa wieder Besuchern offen. Im vergangenen August hatte die Führung in Peking ihn wegen eines Corona-Ausbruchs sperren lassen. Zum Neujahrsfest sind außerdem jetzt schon einige Hotels im südchinesischen Touristenort Sanya ausgebucht.

Impfquote in China vor allem in den Risikogruppen gering

In den vergangenen Tagen hatten staatliche Medien versucht, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es hieß, der COVID-19-Ausbruch sei unter Kontrolle und nähere sich seinem Höhepunkt. Unabhängige Forscher wie die Datenanalysten von Airfinity gehen von derzeit täglich 1,8 Millionen Neuinfektionen in China aus.

Am 29. Dezember veranschlagte der Dienst die Gesamtzahl der Fälle seit dem 1. Dezember auf 20,4 Millionen. Einen Tag später wurden die Schätzungen noch düsterer. Derzeit betrage die Zahl der virusbedingten Todesfälle etwa 11.000, das sei mehr als das Doppelte gegenüber der Woche davor. Bis zum 23. Januar, dem zweiten Tag des Neujahrsfests, könnte diese Zahl noch auf 25.000 Todesopfer an einem Tag ansteigen.

Die Infektionen werden voraussichtlich am 13. Januar mit 3,7 Millionen Fällen pro Tag ihren ersten Höhepunkt erreichen. Vor allem Menschen im hohen Alter oder mit Vorerkrankungen müssen im Fall einer Corona-Infektion das Schlimmste befürchten. Krankenhäuser sind überlastet, Krematorien können die Leichen nicht schnell genug einäschern. Das KP-Regime veröffentlicht inzwischen keine Zahlen mehr zur Infektionslage.

Die Impfquote in China beträgt dem Regime zufolge mehr als 90 Prozent. Allerdings nimmt der Anteil der Menschen, die auch eine Auffrischungsimpfung erhalten hatten, mit höherem Lebensalter ab. In der Bevölkerung über 80 Jahre sind es gar nur 42,3 Prozent. Der in China am häufigsten verwendete Totimpfstoff des Herstellers Sinovac hatte sich vor allem mit Blick auf die Omikron-Variante als wenig wirksam gezeigt.

EU läuft die Zeit für koordinierte Maßnahmen davon

Es erscheint als ungewiss, in welcher Weise die unkontrollierte Corona-Welle in China ab dem 8. Januar auch Europa beeinflussen wird. Fest steht: Die in einigen Mitgliedstaaten bis dato verhängte und von einer Mehrheit in der EU begrüßte PCR-Testpflicht für Einreisende könnte sich als unzureichend erweisen.

Das Virus kann sich in dem Fall immer noch problemlos über Binnenflüge aus Staaten ohne Testpflicht verbreiten. Auch deshalb wird der Druck auf eine gesamteuropäische Lösung höher. Die Testpflicht wäre Experten zufolge nur eine mögliche Reaktion auf die bevorstehende Reisewelle.

Um mögliche neue Virusvarianten zu identifizieren, sei etwa auch ein Abwassermonitoring bei Flugzeugen ein möglicher Weg, betonte jüngst der Virologe Hendrik Streeck. Belgien hat dieses bereits angeordnet.

Die Regierung in Brüssel forderte auch Reisende aus China auf, sich selbst auf COVID-19 zu testen, wenn diese sieben Tage nach ihrer Ankunft Symptome zeigen. Eine verpflichtende Maßnahme in dieser Richtung werde es jedoch nicht geben.

(Mit Material von dpa und AFP)



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