Lauterbach drängt auf Krankenhausreform: „Unkontrolliertes Krankenhaussterben“

Minister Lauterbach will die Länder zur Unterstützung seiner Krankenhausreform drängen. Andernfalls, so der Minister, wäre jede vierte Klinik gefährdet.
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Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant eine Krankenhausreform.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 1. Juni 2023

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat im Vorfeld eines Treffens mit den Länderkollegen am Donnerstag, 1. Juni, auf die Unterstützung seiner Ideen zur Krankenhausreform gepocht. Gegenüber der „Bild“ warnte er vor einem „unkontrollierten Krankenhaussterben“, das andernfalls Platz greifen könnte. Ohne die von ihm ins Auge gefasste Reform würden „wohl 25 Prozent der Krankenhäuser sterben“.

Krankenhausreform soll Lauterbach zufolge mehr Effizienz bewirken

Der Minister betonte, man „könne und wolle keine Kliniken schließen“. Im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF ergänzte er:

Wir werden Kliniken verlieren, aber ohne die Reform verlieren wir viel mehr und unsystematisch.“

Er rechnet damit, dass bis zu 1.719 Kliniken in Deutschland von der geplanten Krankenhausreform betroffen wären. Wie die „Tagesschau“ berichtet, will der Minister weg von der reinen Finanzierung über Fallzahlen. Stattdessen wolle er auf Vorhaltepauschalen setzen. Auf diese Weise ließe sich die Vergütung der Krankenanstalten für die Daseinsvorsorge zu 60 Prozent garantieren.

Die Vorhaltepauschale beschreibt eine finanzielle Entschädigung, die Krankenhäuser für die Bereithaltung von Kapazitäten und Infrastruktur erhalten. Diese soll eine finanzielle Absicherung auch in Situationen sicherstellen, da Krankenhäuser nicht in vollem Umfang ausgelastet sind.

Sie dient dazu, Fixkosten für Ressourcen wie Betten, medizinische Ausstattung, Fachpersonal und Notfallbereitschaft abzudecken. Die Berechnung erfolgt in Deutschland auf der Grundlage von Fallpauschalen. Dabei wird abhängig von den jeweiligen Diagnosen für die Patienten eine pauschale Vergütung errechnet. Diese soll neben den tatsächlichen Behandlungskosten auch die Vorhaltungskosten abdecken.

Spezialisierung und Zentralisierung als Kernansätze

Lauterbach ist davon überzeugt, dass sein Lösungsansatz ökonomischen Druck von den Krankenanstalten nehmen könne. Die übrigen Kosten ließen sich abhängig von der Fallmenge finanzieren.

Um ihr Überleben abzusichern, sollen sich die jeweiligen Kliniken spezialisieren. Der Minister betont:

Es kann nicht jeder alles machen.“

Um das System effizienter zu machen, sei es Patienten zuzumuten, für Eingriffe wie Knie- oder Hüftoperationen längere Anfahrtszeiten in Anspruch zu nehmen. Grundlage für mögliche Verlagerungen und Konzentrationen soll ein Katalog von Qualitätskriterien sein. Dafür könnten die Betroffenen jedoch ein besseres Ergebnis erwarten.

Länder üben scharfe Kritik an geplanter Krankenhausreform

Aus den Ländern kommt Widerstand gegen das Vorhaben. Sie befürchten eine Krankenhausreform, die über ihre Köpfe hinweg entschieden werden könne und die Versorgung beeinträchtige. Entsprechend fordert etwa der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek Lauterbach auf, sein Konzept zu überarbeiten.

Gegenüber dem „Deutschlandfunk“ äußerte er, die Länder müssten selbst entscheiden können, welche Versorgung wo stattfinde. Es dürfe nicht dazu kommen, dass „am grünen Tisch in der Berliner Blase“ über die Krankenhäuser vor Ort entschieden werde. In den Ländern wächst die Sorge, dass vor allem die wohnortnahe Versorgung unter den Reformplänen leiden könnte.

Es ist damit zu rechnen, dass Holetschek vor allem von Kollegen aus großen Flächenländern Unterstützung erhält. Die Aussicht, für immer mehr Eingriffe lange Anfahrtswege in Kauf nehmen zu müssen, ist für Landesregierungen, die sich um eine Wiederwahl bemühen, wenig attraktiv.

Vor welchen Herausforderungen Lauterbach steht

Die Finanzierung der Krankenanstalten steht in Deutschland vor einem vielschichtigen Bündel an Problemen. Kliniken verspüren einen enormen Kostendruck. Die Personalkosten steigen, ebenso jene für Arzneimittel, auch die medizinischen Technologien werden teurer. Um erbrachte Leistungen adäquat abzurechnen, müssten permanent Vergütungssysteme angepasst werden.

Vor allem in ländlichen Regionen klagen Krankenhäuser über eine chronische Unterfinanzierung. Eine Krankenhausreform müsste hier die Finanzierungsinstrumente anpassen – und auf die tatsächliche Versorgungsleistung statt vorwiegend auf die Bettenzahl abstellen.

Weitere Probleme sind der bürokratische Aufwand durch Abrechnungs- und Dokumentationspflichten. Diese binden Ressourcen und gehen auf Kosten der Effizienz. Nicht zuletzt schlägt der Fachkräftemangel auch auf die Kliniken durch. Politische Maßnahmen wie die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Zeichen von Corona haben die Lage noch weiter verschärft.

Bertelsmann Stiftung empfiehlt Schließung von mehr als der Hälfte aller Kliniken

Einen radikalen Kahlschlag hatte 2019 die Bertelsmann Stiftung empfohlen. Sie hatte eine Verringerung der Klinikanzahl von damals knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Einrichtungen für sinnvoll erachtet.

Ein solcher Schritt würde die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern und bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern, so die Stiftung. Auch könnten die Patienten eine bessere Versorgung erwarten. Immerhin seien viele Kliniken in Deutschland zu klein – und verfügten nicht über die erforderliche Ausstattung und Erfahrung für bestimmte Herausforderungen.
Die Zentralisierung, so die zugrunde liegende Studie des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), würde helfen, Komplikationen und Todesfälle zu vermeiden. Dies betreffe insbesondere Situationen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle.



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