Long-COVID-Symptome teils auf chronische Lungenerkrankung zurückzuführen

Nicht alle Symptome von Long-COVID sind wirklich auf Corona zurückzuführen. Pathologen der Universität von Michigan fanden bei 14 von 18 Patienten Hinweise auf vorbestehende chronische Lungenerkrankung.
Biopsien von Corona-Patienten lassen Zweifel aufkommen, ob alle Long-COVID-Syptome wirklich an Corona liegen.
Lungeninfektion in einer CT-Aufnahme: Biopsien von Corona-Patienten lassen Zweifel aufkommen, ob alle Long-COVID-Symptome wirklich an Corona liegen.Foto: iStock
Von 11. Dezember 2021

Seit fast zwei Jahren konzentriert sich die kollektive Aufmerksamkeit von Forschern weltweit darauf, zu verstehen, was eine Infektion mit SARS-CoV-2 im menschlichen Körper bewirkt. Infolgedessen haben die Wissenschaftler Beweise für ein breites Spektrum von Auswirkungen auf Herz, Lunge, Gehirn und verschiedene andere Organe gesammelt.

Ein großer Teil dieser Erkenntnisse stammt aus Autopsien von Menschen, die an (oder mit) COVID-19 gestorben sind. Damit bleibt jedoch vieles unbekannt, was bei Millionen Genesenen passiert, die die Infektion überlebt haben und unter anhaltenden Symptomen leiden.

Forscher der University of Michigan Health, bringen nun etwas Licht ins Dunkel von Long COVID. Sie untersuchen Lungenbiopsien von Patienten, die mit anhaltenden Atembeschwerden wie Kurzatmigkeit leben. Ziel war es, das mit COVID-19 verbundene Schädigungsmuster besser zu definieren. Ihre in „The Lancet“ veröffentlichte, peer-reviewte Arbeit hat zu einer überraschenden Erkenntnis geführt. Denn die Symptome einiger Patienten könnten auf Schäden zurückzuführen sein, die bereits vor COVID-19 bestanden.

Unerkannte Krankheit dank Corona erkannt

„Einige der frühen Veröffentlichungen und die populäre Presse rund um Long COVID haben angedeutet oder angenommen, dass alles, was danach passiert, mit COVID zusammenhängt“, sagte der Hauptautor Jeffrey Myers, Professor für anatomische Pathologie. „Natürlich kann das wahr sein oder auch nicht.“

Gemeinsam mit Dr. Kristine E. Konopka, außerordentliche Professorin für Thoraxpathologie, und ihrem Team in der Abteilung für Pathologie untersuchte Prof. Myers Lungenbiopsien von 18 lebenden Patienten. Alle zählten in die Gruppe der Corona-Genesenen, wiesen aber weiterhin Atembeschwerden oder abnormale CT-Scans auf.

Bei fünf Patienten wurde bereits vor ihrer COVID-19-Diagnose eine Lungenerkrankung festgestellt. 14 Patienten wiesen auf Röntgenbildern eine sogenannte Mattglas-Trübung auf. Das heißt, Bereiche der Lunge sahen auf dem Röntgenbild oder CT-Scan der Brust aus wie graue Wolken. Normalerweise sind gesunde luftgefüllte Lungen dunkel bis schwarz.

Der häufigste Befund bei dieser Gruppe von Patienten war eine Erkrankung, die Pathologen als gewöhnliche interstitielle Lungenentzündung (Usual Interstitial Pneumonia, UIP) kennen. Sie wird klinisch auch als idiopathische Lungenfibrose (IPF) bezeichnet und gilt als eine gut untersuchte chronische Lungenerkrankung. IPF ist die häufigste Form der Lungenfibrose und führt zu Vernarbung und Versteifung der Lunge.

„Wir sahen eine Menge UIP. Das entspricht nicht dem […], was wir normalerweise mit einer akuten Lungenverletzung in Verbindung bringen“, sagte Konopka, Hauptautor der Studie. „Wir denken also, dass es sich um Patienten handelt, die vor COVID eine Lungenerkrankung hatten und vielleicht einfach nicht von den Hausärzten betreut wurden. Sie hatten dann COVID, sind immer noch krank, und ihre UIP wird endlich entdeckt.“

COVID-19 beschleunigt chronische Lungenkrankheit

Die Vorstellung, dass eine Person eine chronische Lungenschädigung haben könnte, ohne es zu wissen, war jedoch bis vor Kurzem noch unbekannt, so Prof. Myers.

„Man ging davon aus, dass man, wenn man eine UIP/IPF hat, krank ist und das auch weiß. Wir haben aus einer Reihe von Gründen gelernt, unter anderem aus der Häufigkeit, mit der wir Röntgenaufnahmen des Brustkorbs machen, dass es Menschen mit UIP/IPF gibt, die nicht krank sind. Wenn man die typischen Lungenfunktionstests durchführt, sind die Ergebnisse normal.“

UIP/IPF ist allerdings eine fortschreitende Krankheit, die sich mit der Zeit verschlimmert. Eine Infektion – einschließlich Corona – kann die Erkrankung beschleunigen oder sogar zum Tod führen, was als akute Exazerbation der IPF bezeichnet wird, erklärte Prof. Myers. „SARS-CoV-2 tritt auf und verursacht in der Lunge aus pathologischer Sicht genau das, was bei einer akuten Exazerbation passiert.“

Ist das wirklich Long COVID?

Biopsien der Patienten offenbarten hingegen Anzeichen für die zugrunde liegende, bereits bestehende Vernarbungen der Lunge, so die Forscher. Darüber zeigten sich Anzeichen für eine diffuse alveoläre Schädigung, ein Muster von Lungengewebeschäden. Dieses sei häufig bei Patienten mit akutem Atemnotsyndrom jeglicher Ursache zu beobachten.

Myers und Konopka weisen darauf hin, dass es ohne eine vollständige klinische Anamnese, einschließlich Tests aus der Zeit vor der COVID-Diagnose der Patienten, unmöglich ist, mit Sicherheit zu sagen, dass SARS-CoV-2 nicht ursächlich ist. Sie hoffen jedoch, dass ihre Ergebnisse die Kliniker dazu anregen werden, zweimal darüber nachzudenken, ob sie die Atemwegssymptome automatisch auf Long COVID zurückführen.

„Man sollte keine Vermutungen anstellen, sondern die richtigen Fragen stellen“, schließt Prof. Myers. „Die erste lautet: ‚Ich frage mich, ob das wirklich COVID ist‘. Was man dann tut, hängt von der Antwort auf diese Frage ab.“

(Mit Material der University of Michigan Health)



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