Massive Kritik an PCR-Test-Studie von Corman und Drosten – Wissenschaftler fordern Widerruf

Ein internationales Team von 22 Wissenschaftlern kritisiert die Veröffentlichung von Corman, Drosten und weiteren Co-Autoren über PCR-Tests für SARS-CoV-2. Sie zählen in ihrem Review mehrere Kritikpunkte auf und fordern das wissenschaftliche Journal Eurosurveillance auf, die Studie zurückzuziehen. So sollen weitere "Kosten und Schäden für die Menschen minimiert" werden.
Von 15. Dezember 2020

Ende Januar 2020 veröffentlichen Professor Christian Drosten und 23 Co-Autoren jene Studie, die als wissenschaftliche Grundlage für PCR-Tests bei COVID-19 dient. Um eine schnelle Datenweitergabe aufgrund des neuartigen Virus zu ermöglichen, wurden zu dieser Zeit Überprüfungen (Peer-Review) ausgesetzt oder verkürzt.

Nun kritisieren 22 andere Wissenschaftler, dass die Studie nicht wissenschaftlich genug sei und so gar nie veröffentlicht werden hätte sollen. Sie zählen mehrere Punkte auf und fordern das angesehene wissenschaftliche Journal Eurosurveillance auf, die Veröffentlichung zurückzuziehen.

Im Angesicht unserer erneuten Überprüfung des im Corman-Drosten-Papier beschriebenen Testprotokolls zur Identifizierung von SARS-CoV-2 haben wir Fehler und grundlegende Irrtümer festgestellt, die den SARS-CoV-2-PCR-Test unbrauchbar machen“, schreiben Dr. Pieter Borger und seine Co-Autoren in ihrem Review.

Die Kritikpunkte im Detail

Während manche Punkte kleinere, also „minor“ Punkte sind, gibt es laut den Wissenschaftlern auch schwerwiegende Mängel, die den Rückzug der Studie rechtfertigen:

1.) Zu hohe Primer Konzentration

Laut den Wissenschaftlern ist die verwendete Primer Konzentration im PCR-Test Protokoll zu hoch gewählt. Primer sind kurze Gen-Frequenzen, die bei der Vermehrung durch PCR zum Einsatz kommen. Die zu hohe Konzentration führt zu unspezifischen Bindungen und Vermehrungsgrad.

2.) Unspezifische Primer-Varianten

Es wurden unspezifische Primer-Varianten gewählt. Dadurch könnte es laut Professor Borger und seinem Team dazu kommen, dass auch Primer entstehen können, die nicht SARS-CoV-2 spezifisch sind.

„Daher ist die verwirrende, unspezifische Methode im Corman-Drosten-Paper nicht geeignet, um als Standard-Protokoll verwendet zu werden. Diese unspezifischen Positionen hätten unmissverständlich designt werden müssen“, heißt es in dem Review.

3.) Der Test kann nicht zwischen dem ganzen Virus und Virus-Fragmenten unterscheiden

Dadurch, dass der Test nicht zwischen intakten (infektiösen) Viren und Virus-Stücken unterscheiden kann, ist der Test nicht zur Diagnostik einer COVID-19 Infektion geeignet.

4.) Zu großer Unterschied zwischen Annealing-Temperaturen

Eine PCR, oder Polymerase-Kettenreaktion besteht einfach zusammengefasst aus folgenden Schritten: Denaturierung, Annealing und Elongation. Bei der Denaturierung öffnet sich der Doppelstrang der DNA, sodass die Basen frei zugänglich sind. Dafür sind hohe Temperaturen notwendig. Beim Annealing-Schritt, sollen die Primer an die Basen binden, dafür muss die Temperatur gesenkt werden. Wenn verschiedene Primer verwendet werden, sollen diese einen Unterschied in ihren Annealing-Temperaturen von maximal 2 Grad Celsius haben. In der Studie von Corman-Drosten lagen die Unterschiede bei bis zu 10 Grad Celsius. Durch diese Temperaturunterschiede wird die Spezifität gesenkt und es kommt zu „falsch positiven“ Ergebnissen.

5.) Keine Angabe ab welchem CT-Wert eine Probe als positiv gilt

Das Ergebnis eines PCR-Tests steht in direkter Relation zu der Anzahl der durchgeführten Zyklen bei der Elongation. Im Protokoll von Corman-Drosten wurden 45 Zyklen gemacht. Allerdings wurde keine Angabe gemacht, ab welcher Zyklus-Zahl es als positives Ergebnis gilt. Daher ist das Test-Protokoll laut dem Review nicht für die Diagnostik einer Infektion geeignet.

6.) Identifikation auf molekularem Level mangelhaft

Die erhaltenen Produkte nach der PCR zu identifizieren ist ein notwendiger Schritt für eine wissenschaftliche Analyse. Aufgrund der zuvor erwähnten unspezifischen Primer-Varianten und den Unterschieden bei der Annealing-Temperatur, sagen die Autoren des Reviews, dass nicht ausreichend bewiesen sei, ob es sich überhaupt um Gene von SARS-CoV-2 handle.

7.) Keine richtige positiv Kontrolle

In dem PCR-Test-Protokoll wurde eine Sequenz, die von chinesischen Forschern veröffentlicht wurde, als positive Kontrolle verwendet. Nach guter wissenschaftlicher Praxis hätte aber eine isolierte Virus-RNA von Patienten verwendet werden sollen. Dies war zur damaligen Zeit jedoch nicht verfügbar.

8.) Vages Testdesign

Professor Borger und seine Co-Autoren bemängeln zudem das vage Testdesign und dass keine SOP (Standard Operating Procedure) definiert wurde. Dadurch sei die wissenschaftliche Validität (Kriterium für die Gültigkeit eines Tests oder einer Messung) „sehr fragwürdig“.

9.) Kein ausreichender Peer-Review

Zum Veröffentlichungszeitpunkt der PCR-Studie wurde aufgrund der akuten Situation kein ausreichender Peer-Review gemacht. Dadurch ist laut der Einschätzung von Professor Borger und den Co-Autoren das Protokoll nicht geeignet um großflächig zur Diagnose eingesetzt zu werden.

10.) Interessenskonflikte

Ein wesentlicher Kritikpunkt des Reviews sind auch mögliche Interessenskonflikte. In der medizinischen Forschung heißt es laut AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften): „Interessenkonflikte sind definiert als Gegebenheiten, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, welches sich auf ein primäres Interesse beziehen, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst werden.“

Mögliche Interessenskonflikte müssen zur Beurteilung einer Studie immer deutlich ersichtlich angegeben werden. In der Corman-Drosten-Studie wurde ein Interessenskonflikt von einem der Co-Autoren (Biochemiker Olfert Landt), der gleichzeitig auch CEO von TIB-Molbiol ist, hinzugefügt. TIB-Molbiol verkaufte als erste Firma die Virus-Testkits. Allerdings scheinen noch mehr Interessenskonflikte zu bestehen: Sowohl Dr. Corman als auch Professor Drosten haben ihre Mitarbeit im Test-Labor „Labor Berlin“ in der Publikation verschwiegen. Labor Berlin ist ebenfalls ein Unternehmen, das PCR-Tests durchführt.

Zudem wird kritisiert, dass zwei der Autoren (Christian Drosten und Chantal Reusken) im Editorial Board des Journals Eurosurveillance, in dem die Veröffentlichung gemacht wurde, sind. Dies ist zwar nicht illegal, jedoch keine gute wissenschaftliche Praxis – da die Editoren eines Journals im Endeffekt über die Veröffentlichung oder Ablehnung einer Studie entscheiden. Sind die Editoren gleichzeitig auch Studienautoren, stellt dies eine unabhängige Entscheidung in Frage.

Schlussfolgerung des Reviews

Die Wissenschaftler des Reviews sagen, dass ihre Schlussfolgerung eindeutig sei: „Angesichts der schwerwiegenden Mängel und Fehler beim Design des PCR-Protokolls“ wäre es im „besten Interesse von Eurosurveillance das Paper zurückzuziehen“. Ihrer Meinung nach gäbe es keine andere Wahl, um die wissenschaftliche Integrität zu wahren und Verantwortung zu zeigen.

Stellungnahme von Eurosurveillance

In einer Stellungnahme des Editoren-Teams von Eurosurveillance heißt es, dass die Studie von Corman, Drosten und Co-Autoren vor der Veröffentlichung von zwei Experten geprüft wurde, nun aber noch von weiteren Experten kontrolliert wird.

Bevor dieser Prozess jedoch abgeschlossen ist, sei es „unfair für die Betroffen weiter zu diskutieren oder zu kommentieren, bis alle Fragen geklärt sind“.

Auf weitere Nachfrage bezüglich der schnellen Veröffentlichung des Papers innerhalb von einem Tag bestätigt das Editorial Team, dass es für dringende Themen eine Art Schnellverfahren gibt. Dabei werden die Reviewer aufgefordert ihr Gutachten innerhalb von 48 Stunden zu senden. Im Falle des Papers von Corman, Drosten und ihren Co-Autoren folgten die Antworten bereits innerhalb von 24 Stunden.

Hier der Link zu Stellungnahme: https://www.eurosurveillance.org/content/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.48.2012031



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