mRNA-Impfstoff: Gentherapeutikum oder nicht?
„Das Wort ist schärfer als das Schwert, drum wähle Deine Worte weise“. Was manch‘ Großvater seinem Enkel mit auf den Weg gab, gilt noch heute: Worte und Begriffe strukturieren unser Weltbild. Wer über die Macht verfügt, ihre Bedeutung zu definieren, definiert auch das aktuelle Weltbild. Und damit die aktuelle Politik. Und damit die Gesellschaft.
Letztlich stehen Binsenweisheiten wie diese auch hinter dem seit Wochen schwelenden Streit um das Wort „Gentherapie“ beziehungsweise „Gentherapeutikum“. Handelt es sich beim Inhalt der mRNA-Impfspritzen um ein solches? Oder nur um einen herkömmlichen „Impfstoff“? Die Frage ist insofern wichtig, als sie das komplette Gebäude der Corona-Impfpolitik der vergangenen drei Jahre zum Einsturz bringen könnte. Denn würden die mRNA-Vakzine offiziell als „Gentherapeutikum“ klassifiziert, hätten sie nie so schnell zugelassen werden dürfen.
„Berliner Zeitung“ gibt Debatte Raum
Zuletzt hatte die „Berliner Zeitung“ das Fass für eine breite Öffentlichkeit aufgemacht. Sieben Juristen und den Molekularbiologen Dr. Emanuel Wyler ließ das Blatt schon Mitte Februar gegeneinander antreten, um für begriffliche Klarheit zu sorgen. These und Antithese standen danach im Raum. Fehlt frei nach Hegel nur noch die Synthese.
Ein erneuter Versuch dazu erschien am 23. März 2023 abermals in der „Berliner Zeitung“. Diesmal arbeitete sich ein gemischtes Autorenquartett an der Frage „mRNA-Impfstoff: Gentherapeutikum oder nicht?“ ab: der Facharzt Prof. Dr. med. Paul Cullen, die Rechtsanwältin Dr. Brigitte Röhrig, der Molekularbiologe und Ernährungswissenschaftler Dr. Jens Schwachtje und die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Henrieke Stahls.
Sicherheitsstandard vs. Geschäftsinteressen
In ihrem Gastbeitrag „Zulassung der Covid-Impfstoffe: Der Kampf um den Begriff der Gentherapie“ stellen die vier Wissenschaftler schnell das Grundproblem fest: Auf der einen Seite gehe es um die Sicherheitsstandards für das Publikum, auf der anderen Seite um die Geschäftsinteressen der Pharmaindustrie.
Für die mRNA-Interessenvertreter sei es äußerst wichtig, ihre „Impfstoffe“ nicht in die Schublade der „Gentherapeutika“ stecken zu lassen – denn das würde sie zur Teilnahme an weit aufwändigeren und teureren Zulassungsverfahren verpflichten. Ihre in nur wenigen Monaten entwickelten COVID-19-Vakzine hätten höchstwahrscheinlich bis heute keine Marktfreigabe erhalten, nicht einmal eine bedingte Notfallzulassung. Die laut Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach inzwischen „exorbitanten Gewinne“ (Video bei Twitter) der Pharmariesen wären also niemals so schnell eingefahren worden.
Fraglich auch, ob die Regierungen überall auf der Welt Pfizer, Moderna und Co. den generellen Haftungsausschluss bei Impfschäden und -nebenwirkungen in den Lieferverträgen zugestanden hätten. Und deshalb beharrten Interessenvertreter wie beispielsweise Dr. Emanuel Wyler auf dem Standpunkt, dass es sich bei den Wirkstoffen von Pfizer und Co. eben nicht um Gentherapeutika handele, weil diese Stoffe keine „Veränderung des Genoms“ hervorriefen, wie es die entsprechende EU-Richtlinie Nr. 2009/120/EG über „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten“ für Gentherapeutika definiere.
Zuordnung nicht immer einfach
Dieses Argument ist aus Sicht von Cullen, Röhrig, Schwachtje und Stahls allerdings leicht zu entkräften: Es gebe „unstrittig“ Medikamente, die als Gentherapeutika gelten würden, obwohl sie das Genom nicht veränderten – wie etwa das Präparat „Luxturna“, das bei „angeborener Blindheit“ verordnet werden könne. Zudem verweisen die vier Autoren darauf, dass auch „mRNA-Impfstoffe, die nicht gegen Infektionskrankheiten eingesetzt werden, etwa solche gegen Krebs, nicht nur medizinisch, sondern auch rechtlich als Gentherapeutika eingestuft“ seien.
Doch nicht nur nach den Maßstäben, die an andere mehr oder weniger vergleichbare Medikamente angelegt würden, sei die Argumentation der „mRNA-Impfstoffe sind keine Gentherapeutika“-Verfechter nicht haltbar, meinen Cullen, Röhrig, Schwachtje und Stahls. Denn schon die offiziellen Begriffsdefinitionen des Paul-Ehrlich-Instituts oder der Amerikanischen Gesellschaft für Gen- und Zelltherapie (ASGCT) widerlegten das Argument.
Diese besagten, dass „Gentherapie immer schon dann vor[liegt], wenn es zur stabilen Expression eines Genprodukts (RNA oder Protein) aufgrund einer außerhalb des zellulären Genoms vorhandenen Nukleinsäuresequenz kommt“. Und das sei eben bei allen „in Deutschland verfügbaren Corona-Impfstoffe[n]“ nun mal der Fall – mit Ausnahme von „Valneva und Nuvaxovid“.
Gentherapie setzt „keine Veränderung des Genoms voraus“
„Nach gebräuchlicher Definition und Verwendung setzt also der Begriff Gentherapie zunächst keine Veränderung des Genoms voraus“, fassen Cullen, Röhrig, Schwachtje und Stahls ihre Recherchen zusammen.
Im Einklang mit den sieben Juristen aus dem früheren „Berliner Zeitung“-Doppelartikel folgern sie weiter, dass die EU-Klassifizierung der mRNA-COVID-19-Vakzine im Jahr 2009 auf Druck der Pharma-Industrie (PDF), nach der „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten keine Gentherapeutika“ seien, weder medizinischen noch rechtlichen Gründen geschuldet war, sondern wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte: „Die Ablehnung einer Einstufung der genbasierten Impfstoffe als Gentherapeutika erklärt sich durch den Wunsch nach ihrer Akzeptanz“. Denn, so die Autoren, „hinter dem Streben nach einer Verengung der Definition von Gentherapeutika anhand des Kriteriums der Genomveränderung verbirgt sich […] auch das handfeste Geschäftsinteresse der Pharmaindustrie“.
Der Pharmabranche droht ein Vertrauensverlust
Wenn die EU-Umklassifizierung aus dem Jahr 2009 gestrichen und der zuvor geltende Wortlaut wieder in Kraft gesetzt werden würde, sodass mRNA-„Impfstoffe“ wieder unter die zuvor geltenden Zulassungsbedingungen für Gentherapeutika fielen, so wäre dies „geschäftsschädigend“, stellen Cullen, Röhrig, Schwachtje und Stahls klar. Und nicht nur der Verkauf von mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffen, sondern auch der Handel mit „anderen Gentherapeutika“ wäre dann aus ihrer Sicht in Gefahr: Die Leute könnten das Vertrauen in die gesamte mRNA-Medizin verlieren.
Doch das müsste man wohl in Kauf nehmen, wenn man der Abschlussforderung des Autorenquartetts folgt: „Wir sehen es als dringendes Gebot dieser Stunde, dass, auch in Anbetracht der wachsenden Zweifel an der versprochenen Sicherheit der mRNA-Impfstoffe, der Zulassungsprozess der genetischen Covid-Impfstoffe und die Rolle der Konzerne sowie der zuständigen Behörden in diesen Verfahren unabhängig geprüft werden.“
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